27.06.2005

Einstein in Bern

Das historische Museum in Bern zeigt bis April 2006 die weltweit größte Einsteinausstellung.


Das historische Museum in Bern zeigt bis April 2006 die weltweit größte Einsteinausstellung

Bern (dpa) - Mögen Sie Einstein? Brahms ja, aber Einstein? Wer die Ausstellung über, von und mit Albert Einstein (1879-1955) im Historischen Museum in Bern gesehen hat, mag ihn. Netter kann man den Deutschen in der Schweiz gar nicht darstellen. Er lebte als Patentbeamter in Bern, als er vor 100 Jahren seine Relativitätstheorie veröffentlichte. Das Museum zeigt bis April 2006 die weltweit größte Einsteinausstellung «bErn=mc2» und stellt für umgerechnet 4,5 Millionen Euro dar, wieso es 1905 mit den vielen Veröffentlichungen zum Wunderjahr (annus mirabilis) in Einsteins Leben kam - in Bern, der Geburtsstätte der Speziellen Relativitätstheorie, eben. Physik zum Anfassen und Staunen.

Zweimal muss man sich ganz festhalten im Museum: Einmal, wenn man die glasverspiegelte Treppe zu den Ausstellungsräumen hinauf geht. Dann fühlt man sich in (Welt-)Raum und endlose Zeit versetzt, da man plötzlich überall ist und einem schon etwas von der verflixten Relativitätstheorie dämmert. Jeder kennt sie, kaum einer kapiert sie. Das wird dann noch handfester, wenn man sich auf ein Fahrrad in einem Kinosaal setzt und zu trampeln beginnt. Mit fast 300 000 Kilometer pro Sekunde, also der Lichtgeschwindigkeit, rast man dann durch Bern, und der gerade Weg, den Einstein zum Patentamt nahm, wird krumm. Man fliegt fast vom Rad, so schnell geht es, wenn die Simulation auch durch eine Verzögerung gnädig zur eigenen Wahrnehmung ist.

Sieht man dann Einstein - natürlich mit Wuschelkopf, dem langen Mantel und der ausgestreckten Zunge - an einer Rolltreppe stehen, mit der zwei Lichtstrahlen nach oben ziehen - dann hat man etwas kapiert: Lichtgeschwindigkeit bleibt immer, nämlich fast 300 000 km/s - gleich, aber wenn man steht läuft dies anders ab als wenn man sich bewegt. Oder?

Von einer «Gesamtschau im weltgeschichtlichen Kontext» spricht Ausstellungsleiter Peter Jetzler, die auf zwei Stockwerken in dem Museum gezeigt wird. Dafür wurde das einst um 1900 als Märchenschloss mit Türmen und Zinnen errichtete Gebäude völlig umgestaltet. Im biografischen Teil führt die Ausstellung von Einsteins jüdischen Wurzeln über seine Geburtsstadt Ulm nach München, Zürich, Bern, Berlin und Princeton. Was er in Bern von 1902 bis 1909 neben seiner Arbeit im Patentamt als «technischer Experte dritter Klasse» wissenschaftlich geschaffen hatte, brachte ihm 1921 den Nobelpreis ein. Wichtigste Entdeckungen des 20. Jahrhunderts - die Raumzeit, die Äquivalenz von Energie und Masse, die Urknall-Theorie, die Atombombe, die Nutzung der Kernkraft und die Quantenphysik - sind aus Einsteins Theorien hervor gegangen.

Und im Zusammenspiel von Raum und Zeit werden dem Besucher an den verschiedenen Stationen von Einsteins Leben und Werk, seine Biografie und weltgeschichtliche Ereignisse, die gleichzeitig abliefen, chronologisch vorgestellt. Zu sehen sind sein Schweizer Pass von 1901, das Pult aus dem Patentamt, an dem er gearbeitet hat oder seine Uhr. Es gibt Liebesbriefe, per Projektor im Schlafzimmer auf dem Kissen an seine spätere Frau Mileva Maric, man lernt etwas über Judenfeindlichkeit in Europa, die den Juden Einstein berührte und zur Flucht in die USA trieb. Und man sieht auch, wie es auf dem Patentamt in Bern zuging, selbst das damals entwickelte Wasserklo erinnert an allzu menschliche Bedürfnisse. Aber auch der Abwurf der ersten Atombombe, an deren Entwicklung Einstein nicht beteiligt war, mit Fundstücken aus den Trümmern in Hiroshima sind da.

Ohnehin geht es ums Leben und Erleben. Die Parkanlage rund um das Schloss-ähnliche Museum wurde zu einem «Erlebnispark Physik» umfunktioniert, in dem physikalische Neuerungen seit der Steinzeit mit praktischen Beispielen erklärt werden, die auch für Kinder attraktiv sind. Da gibt es den Nachbau des Flugzeugs der Brüder Wright, in dem man sogar fliegen kann. Gezeigt werden die wirklich großen Erfindungen der Menschheit. Kurz: Wenn es, wie die «New York Times» schrieb, um 1919 nur zwölf weise Männer gab, die fähig waren, die Theorien Einsteins zu verstehen, so könnte sich diese Zahl nach dem Besuch der Ausstellung in Bern durchaus drastisch erhöhen. Auch das Verständnis dafür, dass einem Genie menschliche Schwächen nicht fremd waren.

In Bern selbst, wo mit dem gerade eröffneten neuen Paul-Klee-Museum ein weiterer Erlebnishöhepunkt lockt, gibt es einen ausgeschilderten Einstein-Pfad mit 90 Stationen, wo man anhand eines bebilderten Führers und einer Wanderkarte den Spuren folgen kann, die Einstein zwischen 1902 und 1909 in Bern, etwa mit seinen vielen Wohnungen, hinterlassen hat.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm entstanden. Zahlreiche weitere Institutionen haben dazu beigetragen. Das Museum hofft auf rund 150 000 Besucher.

Die Ausstellung ist bis 17. April 2006 täglich geöffnet, außer am 25. Dezember. Neben der großen Sonderausstellung gibt es bis zum 16. Oktober den Erlebnispark Physik rund ums Museumsgebäude und eine Nacht der Physik am 9. Juli.

Heinz-Peter Dietrich, dpa

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