25.11.2015

Einsteins expandierendes Erbe

Vor hundert Jahren präsentierte Albert Einstein die endgültigen Feldgleichungen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Zwei Konferenzen würdigen dieses Jubiläum in Berlin.

Am 25. November 1915 trafen in Berlin die Mitglieder der mathematisch-physikalischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu ihrer 14-tägigen Sitzung zusammen, an der seit Kurzem auch der 36-jährige Albert Einstein teilnahm. Seit seiner ersten Sitzung am im Juli 1914 hatte er der Akademie drei Arbeiten auf dem Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie vorgelegt. Nun folgte die vierte, in der Einstein die korrekten Feldgleichungen vorlegte und verkündete: „Damit ist endlich die allgemeine Relativitätstheorie als logisches Gebäude abgeschlossen.“ In einem Brief an seinen Freund Heinrich Zangger drückte er sich weniger nüchtern aus: „Die Theorie ist von unvergleichlicher Schönheit.“ Acht Jahre hatte Einstein um seine neue revolutionäre Theorie gerungen, zuletzt mit tatkräftiger Hilfe des befreundeten Mathematikers Marcel Grossmann.

Der Anfang von Einsteins Arbeit, in der er die endgültigen Feldgleichungen der...
Der Anfang von Einsteins Arbeit, in der er die endgültigen Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlichte.
Quelle: MPIWG

Zwei hochkarätig besetzte Konferenzen in Berlin würdigen vom 30. November bis 5. Dezember den 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) und beschließen am Ort des Geschehens die diesjährige Veranstaltungen zum jubiläum. Zunächst widmet sich eine Tagung bis 2. Dezember dem heutigen Stand der Forschung. „Die Allgemeine Relativitätstheorie ist ins Zentrum der modernen Physik gerückt“, sagt Tagungsleiter Hermann Nicolai vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, dem Albert-Einstein-Institut, in Potsdam: „Die Theorie war ihrem Schöpfer voraus, denn darin verbirgt sich so viel, das Einstein selbst überhaupt nicht ahnen konnte.“ Nicht zuletzt beruht das kosmologische Standardmodell ganz wesentlich auf der ART. Sie erklärt auch den Gravitationslinseneffekt, der mittlerweile ein unverzichtbares Werkzeug der Astrophysik ist.

Die Tagung, die im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem stattfindet, befasst sich natürlich auch mit den offenen Problemen, etwa der direkten Beobachtung von Gravitationswellen und der Frage, wie ART und Quantenmechanik zusammenpassen könnten. „Einsteins Theorie steht immer noch wie ein Monolith da. Seine Feldgleichungen sind zudem die kompliziertesten partiellen Differentialgleichungen der Physik, ihre Mathematik ist noch größtenteils unverstanden“, betont Nicolai, der selbst auf dem Gebiet der Quantengravitation forscht.

Der dritte, abschließende Tag der Konferenz würdigt das reiche Erbe von Einsteins Theorie und zieht eine Bilanz der letzten hundert Jahre. Dabei kommen auch zwei Personen zu Wort, die Einstein in Princeton noch persönlich erlebt haben: der Physik-Nobelpreisträger Jack Steinberger (94) und die französische Mathematikerin und theoretische Physikerin Yvonne Choquet-Bruhat (92), die 1951/52 als junge Doktorandin intensiv mit Einstein diskutierte und auf der Konferenz davon erzählen wird.

Am 3. Dezember schließt sich die wissenschaftshistorische Tagung an, die vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPWIG) veranstaltet wird. „Dabei wird weniger die Entstehung der ART, sondern ihre Renaissance nach dem Zweiten Weltkrieg das Thema sein“, sagt der Mitorganisator Alexander Blum vom MPIWG. Die ART befand sich rund vier Jahrzehnte nach ihrer Formulierung in einem gewissen Dornröschenschlaf.

In den Fünfzigerjahren wendeten sich Physiker wieder intensiver der ART zu und tauschten sich auf ersten Konferenzen dazu aus. Astronomische Beobachtungen in den Sechzigern, insbesondere die Entdeckung von Quasaren und der kosmischen Hintergrundstrahlung, spielten eine entscheidende Rolle bei der Etablierung der ART als eigenes Forschungsgebiet. „Die Renaissance der ART ist bislang noch kaum untersucht und durch die Vielzahl der Akteure noch komplexer als ihre Entstehungsgeschichte“, sagt Blum. Viele der Fragestellungen, die vor mehr als fünfzig Jahren erstmals untersucht wurden, stehen heute noch im Fokus der Forschung, etwa die Gravitationswellen und die Fragen nach den Singularitäten in Schwarzen Löchern und beim Urknall.

Die beiden Berliner Konferenzen sind nicht nur ein besonderer Schlusspunkt nahe des Geburtstags wie Geburtsorts der Allgemeinen Relativitätstheorie, sondern sollen zeigen, dass die Theorie noch quicklebendig ist. Am Jubiläumstag selbst wird der amerikanische Theoretiker Kip Thorne die 15. „Einstein Lecture Dahlem“ der Freien Universität Berlin halten und einen großen Bogen vom Urknall bis zum Science-Fiction-Film „Interstellar“ spannen, der mit seiner Hilfe die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie spektakulär auf die große Leinwand gebracht hat.

Weitere Einblicke in aktuelle physikalische wie wissenschaftshistorische Themen der ART finden sich im entsprechenden Dossier des Physik Journal. Und auch Einsteins Originalarbeiten stehen mittlerweile online frei zur Verfügung.

Alexander Pawlak

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