26.02.2021

Eis in der Schraubzwinge

Hochdruck-Experimente zum Kompressionsverhalten von Eis bringen wichtige Ergebnisse zur Modellierung von Eisplaneten.

Per Röntgenlicht hat ein internationales Forschungs­team einen Blick ins Innere ferner Eisplaneten gewonnen. An der Extreme Conditions Beamline von DESYs Röntgen­lichtquelle PETRA III untersuchte das Team das Hochdruck­verhalten von Wassereis bei Bedingungen, die beispielsweise dem Inneren des Planeten Neptun entsprechen. Bei Drücken bis knapp zum Zwei­millionen­fachen des irdischen Atmosphären­drucks auf Meereshöhe konnten die Forscher das Kompressions­verhalten von Wassereis in bislang nicht erreichtem Detail beobachten. 
 

Abb.: Eis bei Raum­temperatur: Mischung aus Eis und flüssigem Wasser in der...
Abb.: Eis bei Raum­temperatur: Mischung aus Eis und flüssigem Wasser in der Hochdruck­zelle bei rund 25 Grad Celsius und einem Giga­pascal. (Bild: H.-P. Liermann / DESY)

Planetare Eisverbindungen – zum Beispiel Wassereis, Methaneis und Ammoniakeis – stellen große Teile der Eis-Riesenplaneten in unserem Sonnensystem und kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Inneren vieler Exoplaneten vor, also in Planeten außerhalb unseres Sonnen­systems. „Die physikalischen Eigenschaften und Phasen­diagramme dieser Verbindungen sind jedoch nicht ausreichend bei den Druck- und Temperatur­bedingungen bekannt, die im Inneren von Planeten herrschen“, erläutert Marquardt. „Frühere experimentelle Untersuchungen mittels Röntgen­beugung in der statischen Diamant­stempelzelle haben viel zum Verständnis von Eisverbindungen bei hohem Druck beigetragen, konnten aber zahlreiche Frage­stellungen nur unzureichend lösen.“

Für derartige Untersuchungen wird Wasser(eis) in einer kleinen Hoch­druckzelle zwischen zwei abgeflachten Diamanten mit Spezialschliff zusammen­gepresst. Durch die Art, wie das Hochdruckeis die einfallende Röntgen­strahlung beugt, lässt sich seine innere Struktur bestimmen. Wissenschaftler kennen bislang 17 verschiedene Formen von Wassereis, die sich durch ihre innere Kristall­struktur unterscheiden. Sie werden mit römischen Ziffern von Eis I (Varianten h und c) bis Eis XVI bezeichnet. Bei Raumtemperatur wird Wasser etwa unter dem 10.000-fachen Atmosphären­druck zunächst zu Eis VI, bei steigendem Druck zu Eis VII und dann zu Eis X.

Nun hat das Forschungsteam von DESY, Universität Bayreuth und Universität Oxford neuartige zeitaufgelöste Hochdruck­experimente an Wassereis in einer dynamischen Diamant­stempelzelle durchgeführt, die es erlaubt, den Druck während des Experiments zu verändern. Bei den Messungen wurden Drücke von bis zu 180 Gigapascal erreicht, das entspricht dem 1,8-millionenfachen Atmosphären­druck. Die Forscher konnten das Verhalten des Eises quasi kontinuierlich verfolgen und bekamen so eine bislang unerreichte Druck­auflösung. Die sehr hohe experimentelle Datendichte hat es erlaubt, das Kompressions­verhalten von Wassereis bei Drücken, wie sie im Inneren von Planeten herrschen, direkt zu bestimmen, ohne Annahmen über das Verhalten des Eises zu machen, wie es bisher nötig war.

„Eine zentrale Erkenntnis ist, dass sich das Kompressions­verhalten bei bestimmten Drücken merklich ändert“, erläutert Hauptautorin Alba San José Méndez von DESY und der Universität Bayreuth. „Wir führen das auf eine subtile Änderung der Gitter­position der Wasserstoff­atome zurück. Frühere Studien hatten diese Änderungen auch bereits dokumentiert, konnten aber keine direkte Verbindung zum Kompressions­verhalten von Wassereis herstellen.“ Die Daten zeigen unter anderem eine deutliche Veränderung im Kompressions­verhalten beim Übergang von Eis VII zu Eis X bei ungefähr fünfzig Gigapascal und deuten dabei auf die Existenz von Übergangs­zuständen mit einem klar abgegrenzten Kompressions­verhalten hin. Sie belegen auch das sehr widerstands­fähige Kompressions­verhalten von Eis X.

„Die Erkenntnisse sind von Bedeutung für die Modellierung der inneren Dynamik von Eisplaneten, die zu einem erheblichen Teil vom Kompressions­verhalten der vorherrschenden Materialien bestimmt wird“, sagt Ko-Autor Hanns-Peter Liermann, Leiter der Extreme Conditions Beamline P02.2 bei DESY. „Sie sind auch von Interesse für das grundlegende Verständnis von planetaren Eis­verbindungen bei hohen Drücken und dem Effekt von kleinen Änderungen der Wasserstoffatom-Positionen auf das physikalische Verhalten.“ Die Forscher planen nun, ihre neu­artigen Experimente auch bei hohen Temperaturen durch­zuführen, um das Innere von Planeten noch realistischer zu simulieren. Die Arbeit gehört zum frühen Forschungs­programm des Centre for Molecular Water Science (CMWS), das bei DESY im Aufbau ist, und wurde im Rahmen der Forschungs­gruppe 2440, „Materie im Inneren von Planeten“, der Deutschen Forschungs­gemeinschaft durch­geführt.

DESY / DE

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