Eisenforschung: Wie Verunreinigungen Ausscheidungen an Korngrenzen beeinflussen
Analysen erklären das Versagen von Korngrenzen in bestimmten Werkstoffen.
Obwohl Eisen seit Jahrtausenden bekannt und seit der Eisenzeit verarbeitet wird, ist bislang sehr wenig über lokale Phänomen an den Korngrenzen bekannt, die verschiedene Kristallite trennen. Darüber hinaus ist die Wechselwirkung zwischen verschiedenen im Material gelösten Elementen nach wie vor ein Rätsel. Was passiert, wenn zwei oder mehr Elemente an die Korngrenze diffundieren und sich dort absetzen? Wie interagieren sie miteinander und wie beeinflussen sie die Eigenschaften der Grenzflächen? Forscher des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung analysierten jetzt die Prozesse der Ko-Segregations-Effekte in bcc-Eisenkorngrenzen. Sie konzentrierten sich dabei auf die Auswirkungen von Kohlenstoff und Bor, die als typische Verunreinigungen in fast allen technologisch relevanten Materialien vorkommen.
Das Forscherteam kombinierte Rastertransmissionselektronenmikroskopie, energiedispersive Spektroskopie und Atomsondentomografie, um die atomare Struktur und lokale Zusammensetzung einer bestimmten Korngrenze zu beobachten. Sie kombinierten ihre experimentellen Beobachtungen mit Berechnungen auf Basis der Dichtefunktionaltheorie, die von Kollegen am Materials Center Leoben in Österreich durchgeführt wurden, um die zugrundeliegenden Ausscheidungsmechanismen zu klären.
„Wir fanden heraus, dass sich die Atome regelmäßig rautenförmig an der Korngrenze anordnen. Überraschenderweise deuten unsere Experimente zur Zusammensetzung der Korngrenze darauf hin, dass Aluminium nicht angereichert, sondern vermindert wird – ganz im Gegensatz zu Ergebnissen früherer theoretischer Studien“, erklärt Ali Ahmadian vom MPIE. Das Team beobachtete und simulierte, wie sich Kohlenstoff- und Borverunreinigungen an der Korngrenze ablagerten und Aluminium abstießen.
„Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum Korngrenzen in bestimmten Werkstoffen versagen. Und auch wie sich die Ausscheidung schädlicher Elemente abmildern lässt, um Materialversagen zu verhindern. Mit unseren Modellierungswerkzeugen könnten wir in Zukunft sogar Vorhersagen über die Segregation von Korngrenzen und die Grenzflächeneigenschaften treffen, um die Materialentwicklung zu steuern. Dies ist für die Entwicklung von Hochleistungswerkstoffen absolut notwendig“, sagt Christian Liebscher, Leiter der Gruppe „Advanced Transmission Electron Microscopy“ am MIE.
Die Wissenschaftler wollen ihre Ergebnisse nun auf komplexere Materialsysteme anwenden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Zink, das für Flüssigmetallversprödung verantwortlich ist, die in vielen Eisenbasislegierungen und Stählen zu katastrophalem Materialversagen führt. Das Ziel ist es, Legierungs- oder Verarbeitungskonzepte zu finden, die die Wirkung von Zink auf Korngrenzen abschwächen.
MPIE / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Ahmadian et al.: Aluminum depletion induced by co-segregation of carbon and boron in a bcc-iron grain boundary, Nat. Commun. 12, 206008 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-26197-9 - Advanced Transmission Electron Microscopy (C. Liebscher), Struktur und Nano-/Mikromechanik von Materialien, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf