22.02.2018

Eiskalt, aber flüssig

Flüssiges Wasser tief unter dem Gefrierpunkt mit Vakuum-Verdunstung erzeugt.

Es ist eine spektakuläre Tiefsttemperatur: Einem Forscher­team um Robert Grisenti vom GSI Helmholtz­zentrum für Schwerionen­forschung ist es gelungen, flüssiges Wasser weit unterhalb des Gefrier­punkts bei einer Temperatur von minus 42,6 Grad Celsius nachzuweisen. Dies ist ein Ergebnis von Entwicklungsarbeiten für Experimente am künftigen Beschleuniger­zentrum FAIR, könnte aber auch große Fortschritte beim Verständnis unseres Klimas bringen.

Abb.: Aufbau des Experiments (Bild: R. Grisenti)

Zwar ist bekannt, dass reines Wasser in flüssigem Zustand auch weit unter null Grad Celsius vorhanden sein kann, ohne zu gefrieren. Dies hängt von der Probengröße ab. Die schnelle Verdunstungs­kühlung kleinster Wasser­tröpfchen im Vakuum bietet eine gute Möglichkeit, um unterkühltes Wasser – unterhalb des Gefrierpunkts, aber dennoch flüssig – zu untersuchen. Jedoch ist es schwierig, unter solchen extremen experimentellen Bedingungen einen verlässlichen Wert der Tropfen­temperatur zu erhalten. Dieser aber spielt für weitere Untersuchungen eine entscheidende Rolle. Die zuverlässige und exakte Messung der Temperatur des unter­kühlten Wassers ist somit eine Herausforderung.

Bei ihren Arbeiten konnten die Forscher eine neue Technik mit nie dagewesener Präzision zur Messung der Temperatur kleinster Wasser­tropfen demonstrieren. Dahinter stand der Ansatz, die Temperatur der Tropfen über ihren Durchmesser zu bestimmen. Dazu werden warme Wasser­tropfen, nur wenige Tausendstel Millimeter groß, gleichmäßig und ultrarein, in Form eines gerichteten Flüssigkeits­strahls in eine Vakuum­kammer gesprüht. Die oberen Schichten verdunsten, das Innere kühlt stark ab, die Tröpfchen werden kleiner. Mit optischen Methoden kann diese Größen­veränderungen exakt gemessen und anhand der Schrumpfung die Temperatur bestimmen werden. Zentral bei dieser hoch­präzisen Messung ist die einzigartige Mess­infrastruktur, die bei GSI für die Raman-Spektroskopie verfügbar ist: Die Tröpfchen werden mit einem Laser­strahl beleuchtet, das Spektrum des gestreuten Lichts und seine Form lassen zu, den Tröpfchen­durchmesser zu ermitteln.

Das Forscherteam kann dabei auf die jahrelange Expertise bei GSI und des derzeit entstehenden internationalen Beschleuniger­zentrums FAIR vor allem bei der Target-Entwicklung für Atom- und Kernphysik­experimente aufbauen. Die Teilchenstrahlen werden in der Beschleuniger­anlage zu den Experimentier­plätzen gelenkt, wo sie wie auf eine Zielscheibe auf die Material­proben, die Targets, treffen. Auch Targets, bestehend aus kleinsten Flüssigkeits­strahlen, müssen für solche Untersuchungen in der Target­halle und in den Experimentier­speicher­ringen von GSI und FAIR maß­geschneidert entwickelt werden.

Tropfen von unterkühltem Wasser kommen aber auch natürlich in der oberen Erd­atmosphäre vor – in ähnlichen Bedingungen, wie sie jetzt experimentell von dem Forscher­team geschaffen worden sind. Die Arbeit der Wissenschaftler um Robert Grisenti kann deshalb auch das Verständnis der Eisbildung in der Atmosphäre verbessern und damit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung zuverlässigerer Klima­modelle sein.

GSI / DE

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