09.08.2019 • Energie

Elektrisierender Stoff

Dünnschicht-Solarzellen lassen sich auf Gewebe aufbringen und in Fertigungslinien integrieren.

Solarzellen auf den Dächern sind längst Usus, ebenso wie große Solarparks. Künftig sollen jedoch auch solche Flächen zur Energie­erzeugung genutzt werden, die bislang nicht dazu taugten. LKW-Planen etwa könnten die Anhänger autark mit dem Strom versorgen, den der Fahrer während der Fahrt und auf Rastplätzen verbraucht oder der auf Logistikplätzen für die LKW-Ortung benötigt wird. Zudem könnten ganze Gebäudefronten zur Strom­erzeugung beitragen, indem sie nicht wie bisher verputzt, sondern mit strom­erzeugenden Abspann­textilien verkleidet werden. Bei Glasfassaden könnten Abschattungs­textilien wie Rollos Hunderte von Quadratmetern in Strom­erzeugungs­flächen umwandeln.
 

Abb.: Jonas Sundqvist zeigt Protoypen textiler Solarzellen. (Bild: Fh.-IKTS)
Abb.: Jonas Sundqvist zeigt Protoypen textiler Solarzellen. (Bild: Fh.-IKTS)

Möglich machen es textile, biegsame Solarzellen, die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS entwickelt haben – gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS, dem Sächsischen Textil­forschungs­institut e.V. und den Firmen erfal GmbH & Co. KG, Pongs Technical Textiles GmbH, Paul Rauschert GmbH & Co. KG und Gilles Planen GmbH. „Über verschiedene Beschichtungs­verfahren können wir Solarzellen direkt auf technischen Textilien herstellen“, erläutert Lars Rebenklau, Gruppenleiter für Systemintegration und AVT am Fraunhofer IKTS. Sprich: Die Forscher verwenden kein Glas oder Silizium wie bei herkömmlichen Solarmodulen, sondern Textilien als Substrat. „Das jedoch ist alles andere als leicht – schließlich sind die Anlagen in den textilverarbeitenden Unternehmen mit fünf bis sechs Metern Stoffbreite und Stofflängen von tausend Metern riesig groß. Dazu kommt: Die Textilien müssen während der Beschichtung Temperaturen von etwa 200 Grad Celsius überstehen“, ergänzt Jonas Sundqvist, Gruppenleiter für Dünnschicht­technologien am Fraunhofer IKTS. Auch andere Anforderungen wie Brandschutz-Vorschriften, große Stabilität und ein günstiger Preis sind für die Herstellung von Solarzellen elementar. „Wir haben uns im Konsortium daher für ein Glas­fasergewebe entschieden, das all diese Anforderungen erfüllt“, sagt Rebenklau.

Eine Herausforderung stellte auch das Aufbringen der verschiedenen Schichten einer Solarzelle auf das Gewebe dar – also die Grundelektrode, die photo­voltaisch wirksame Schicht und die Deckelektrode. Denn verglichen mit diesen nur ein bis zehn Mikrometer dünnen Schichten gleicht die Oberfläche eines Textils einem riesigen Gebirge. Die Forscher greifen daher zu einem Trick: Sie bringen zunächst eine Einebnungs­schicht auf das Textil auf, die Berge und Täler ausgleicht. Dazu nutzen sie den Transferdruck – ein Standardverfahren der Textilbranche, das auch zum Gummieren verwendet wird. Auch alle weiteren Produktionsprozesse haben die Forscher von Anfang an so gestaltet, dass sie sich problemlos in die Fertigungslinien der Textilindustrien einfügen lassen: So bringen sie die Elektroden aus elektrisch leitfähigem Polymer ebenso wie die photo­voltaisch wirksame Schicht über das gängige Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf. Um die Solarzelle möglichst robust werden zu lassen, laminieren die Forscher zusätzlich eine Schutzschicht auf.

Den ersten Prototyp hat das Forscherteam bereits hergestellt. „Wir konnten zeigen, dass unsere textile Solarzelle an sich funktioniert“, sagt Rebenklau. „Ihre Effizienz liegt momentan bei 0,1 bis 0,3 Prozent.“ In einem Nachfolgeprojekt arbeiten der Ingenieur und seine Kollegen nun daran, die Effizienz auf über fünf Prozent zu steigern – denn ab diesem Wert rechnet sich die textile Solarzelle. Zwar erreichen Siliziumzellen mit zehn bis zwanzig Prozent deutlich höhere Effizienzwerte. Allerdings soll die neuartige Zelle ja nicht mit den herkömmlichen konkurrieren, sondern sie sinnvoll ergänzen. Auch die Lebensdauer der textilen Solarzelle wollen die Forscher in den kommenden Monaten untersuchen und optimieren. Wenn alles funktioniert wie erhofft, könnte die textile Solarzelle in etwa fünf Jahren auf den Markt kommen. Dann wäre das ursprüngliche Ziel des Projekts PhotoTex erreicht: Neue Anregungen für den Textilstandort Deutschland zu finden und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Industriebranche zu steigern. 

Fh.-Ges. / DE
 

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