09.08.2017

Elektroaktive Gelschicht für schaltbare Fenster

Reversibles Kristallwachstum verändert Trans­mission von sicht­barem Licht.

Elektrochrome Fenster lassen sich auf Knopfdruck über elek­trische Span­nungen ver­dunkeln. Doch die auf dem Markt verfüg­baren Gläser sind kost­spielig und reagieren relativ langsam. Schneller, günstiger und auch lang­lebiger könnten schalt­bare Fenster mit einem neuen Ansatz werden, den Wissen­schaftler an der kalifor­nischen Stanford Univer­sity entwickelt haben. Sie konstru­ierten erste Proto­typen mit hauch­dünnen Gel-Schichten, in denen ein über elek­trische Spannungen steuer­bares Kristall­wachstum die Trans­mission binnen einer Minute signi­fikant ändern konnte.

Abb.: Prototyp eines schaltbaren Fensters, das sich dank elektro­chemischer Reak­tionen rasch ver­dunkeln lässt. (Bild: Yue et al. / Elsevier)

Das Team um Materialforscher Michael McGehee löste geringe Mengen an Kupfer- und Silber­per­chlorat in einem wäss­rigen Elektro­lyten auf und verdickte die Flüssig­keit mit Hydroxy­ethyl­cellulose. So entstand ein zäh­flüssiges, elektro­aktives Gel. Eine hauch­dünne Schicht aus diesem Gel füllten sie zwischen eine Glas­scheibe mit einem umlau­fenden Kupfer­film als Elek­trode und eine elek­trisch leit­fähige, trans­parente Schicht aus Indium­zinn­oxid. Damit kein Gel an den Seiten aus­treten konnte, dichteten sie ihren quadra­tischen Proto­typ mit fünf Zenti­meter Kanten­länge mit einem gummi­artigen Kunst­stoff ab. Im Ausgangs­zustand ließ das Glas-Gel-Indium­zinn­oxid-Sand­wich achtzig Prozent des sicht­baren Lichts hin­durch, war also über einen weiten Wellen­längen­bereich nahezu durch­sichtig. Danach legten McGehee und seine Kollegen eine elek­trische Spannung von 0,6 Volt an. Es bildeten sich inner­halb weniger Sekunden in der Gel­schicht erste winzige Kupfer- und Silber­kristalle.

Für eine homogene Verdunklung der Fenster, war eine möglichst gleich­mäßige Ver­tei­lung der knapp einen Mikro­meter großen Metall­partikel nötig. Das gelang den Forschern, indem sie die Ober­fläche der Indium­zinn­oxid-Schicht zuvor mit Platin bedampften. Nach diesem Prozess wies die Indium­zinn­oxid-Schicht zahl­reiche homogen verteilte Platin-Partikel auf, die als Kristal­li­sations­keime für die Mikro­kristalle aus Kupfer und Silber dienten. Wurde das Fenster unter Spannung gesetzt, entstanden nach nur dreißig Sekunden Metall­partikel, so dass über die Viel­fach­streu­ung der Licht­wellen nur noch ein Fünftel des sicht­baren Lichts hindurch kam. Nach drei Minuten ver­dunkelte sich das Mini­fenster fast voll­ständig, die Trans­missions­rate des Lichts sank unter fünf Prozent.

Dieser Prozess war vollständig reversibel. Wurde die Spannung umge­polt, lösten sich alle Metall­partikel wieder im Gel auf. Binnen siebzig Sekunden war das Fenster so durch­sichtig wie zuvor. Auch nach mehr als fünf­tausend Schalt­zyklen ließ die Ver­dunk­lung des Proto­typs nicht nach. So schätzen die Forscher, dass die Stabi­lität des Systems durch­aus für einen lang­jährigen Einsatz aus­reichen könnte. Auch die Kosten für die winzigen Mengen an Platin, Kupfer und Silber halten sich mit etwa zwei Euro für ein Fenster mit einem Quadrat­meter Fläche in Grenzen. Vor einer mög­lichen Serien­ferti­gung müsste aller­dings noch ein effi­zientes Ver­fahren für deut­lich größere Flächen ent­wickelt werden.

McGehee sieht einen großen Nutzen in solchen schalt­baren Fenstern, um den Strom­bedarf etwa für Klima­anlagen in Büro­gebäuden um bis zu zehn Prozent senken zu können. Ein ähn­liches Ziel ver­folgten vor vier Jahren auch Forscher vom Lawrence Berkeley National Labo­ra­tory. Sie ent­wickelten sogar schalt­bare Fenster, die für sicht­bares Licht trans­parent waren, zugleich aber Wärme­strahlung blockier­ten. Für ihre schalt­bare Beschich­tung, die sich prinzi­piell auf her­kömm­liche Fenster auf­tragen lässt, nutzten sie winzige Kristalle aus Indium­zinn­oxid. Verteilt in einer Lösung lagerten sie diese Nano­kristalle in eine Matrix aus einem Nioboxid-Glas. Aufge­heizt auf vier­hundert Grad Celsius entstand ein elek­trisch schalt­bares elektro­chromes Material. Abhängig von der ange­legten Spannung ordneten sich die Nano­kristalle und das Nioboxid über die Wande­rung der enthal­tenen Metall­ionen zu Struk­turen mit jeweils unter­schied­lichen optischen Eigen­schaften zusammen.

Bei einer elektrischen Spannung von vier Volt ließ die durch­sichtige Beschich­tung das komplette Spektrum des Sonnen­lichts durch, ein­schließ­lich der Wärme­strahlung. Redu­ziert auf 2,3 Volt dagegen wurde die Wärme­strahlung selektiv blockiert, der sicht­bare Anteil des Lichts jedoch nicht. Erst ab 1,5 Volt ver­dunkelte sich das Material zu­neh­mend und absor­bierte auch große Teile des sicht­baren Licht­spektrums. Dieser Prozess konnte mehrere tausend Mal durch­ge­führt werden, ohne dass sich die optischen Eigen­schaften nennens­wert änderten.

Jan Oliver Löfken

RK

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