Elektromagnet aus Graphen
Terahertz-Pulse verwandeln die Kohlenstoffschichten in überraschend starke Magnete.
Ein internationales Forschungsteam konnte den vielfältigen Eigenschaften von Graphen mit Experimenten am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) eine weitere Facette hinzuügen. Unter Leitung der Universität Duisburg-Essen beschossen die Forschenden mikrometerkleine Scheiben aus Graphen mit kurzen Terahertz-Pulsen., Dabei wandelten sich die Winzlinge kurzzeitig zu überraschend starken Magneten. Perspektivisch könnte die Entdeckung für die Entwicklung künftiger Magnetschalter und -speicher nützlich sein.
Das erst 2004 entdeckte Graphen leitet unter anderem elektrischen Strom ausgesprochen gut. Genau das machten sich internationale Forschenden aus Deutschland, Polen, Indien und den USA zunutze: Mithilfe etablierter Halbleiter-Techniken brachten sie Tausende von winzigen, mikrometerkleinen Scheiben aus Graphen auf einem kleinen Chip auf. Diesen Chip beschossen sie anschließend mit kurzen Terahertz-Blitzen am Freie-Elektronen-Laser FELBE. „Die winzigen Graphen-Scheiben wurden kurzzeitig zu Elektromagneten“, sagt Stephan Winnerl. „Dabei konnten wir Magnetfelder im Bereich von 0,5 Tesla erzeugen, das entspricht in etwa dem Zehntausendfachen des Erdmagnetfelds.“ Es handelte sich um kurze Magnetpulse, nur etwa zehn Pikosekunden lang.
Für diesen Erfolg mussten die Terahertz-Blitze zirkular polarisiert werden. Dabei veränderten spezielle Optiken die Schwingungsrichtung der Strahlung so, dass sie sich wie eine Schraube durch den Raum bewegte. Als diese zirkular polarisierten Blitze auf die mikrometerkleinen Scheibchen aus Graphen trafen, kam es zu dem entscheidenden Effekt: Angeregt durch die Strahlung fingen die beweglichen Elektronen in den Scheiben an zu kreisen. Da ein kreisender Strom stets ein Magnetfeld erzeugt, mutierten die Graphen-Scheiben zu winzigen Elektromagneten.
„Die Idee ist eigentlich ganz simpel“, sagt Martin Mittendorff von der Universität Duisburg-Essen. „Im Nachhinein wundert es uns, dass das nicht vorher schon jemand gemacht hat.“ Erstaunlich auch die Effizienz, mit der sich der Prozess abspielt: Im Vergleich zu Versuchen, bei denen Nanopartikel aus Gold mit Licht bestrahlt werden, verlief das Experiment um das Millionenfache effizienter. Nutzbar machen ließe sich das neue Phänomen zunächst für wissenschaftliche Experimente, bei denen Materialproben kurzen, aber starken Magnetpulsen ausgesetzt werden, um Materialeigenschaften näher zu untersuchen. „Bei unserem Verfahren polt sich das Magnetfeld nicht um, so wie bei vielen anderen Methoden“, erklärt Winnerl. „Es bleibt also unipolar.“
Auf lange Sicht könnten die magnetischen Winzlinge sogar für manche Zukunftstechnologie taugen: Da sie durch ultrakurze Strahlungsblitze erzeugt werden, könnten die Graphen-Scheibchen extrem schnelle und zugleich präzise magnetische Schaltprozesse ausführen. Interessant könnte das zum Beispiel für die magnetische Speichertechnik sein, aber auch für die Spintronik. Hier sollen in einem Prozessor keine Ladungen mehr fließen, sondern schwache Magnetfelder in Form von Elektronen-Spins weitergereicht werden. Das könnte die Schaltprozesse noch einmal deutlich beschleunigen. Scheiben aus Graphen wären als schaltbare Elektromagnete denkbar, mit denen sich künftige Spintronik-Chips steuern ließen.
Allerdings müsste die Fachwelt dafür sehr kleine, hochminiaturisierte Terahertz-Quellen erfinden – sicher noch ein weiter Weg. „Man kann dafür ja nicht einen ausgewachsenen Freie-Elektronen-Laser verwenden wie bei unserem Versuch“, sagt Stephan Winnerl. „Aber immerhin: Für künftige wissenschaftliche Experimente dürften Strahlungsquellen genügen, die auf einen Labortisch passen.“ Und solche deutlich kompakteren Terahertz-Quellen sind in manchen Forschungseinrichtungen bereits zu finden.
HZDR / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichungen
J. W. Han et al.: Strong transient magnetic fields induced by THz-driven plasmons in graphene disks, Nat. Commun. 14, 7493 (2023); DOI: 10.1038/s41467-023-43412-x - AG Mittendorff, Experimentalphysik, Fakultät für Physik, Universität Duisburg-Essen, Duisburg
- Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung, Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf HZDR, Dresden