23.11.2016

Elektronen aus der Schachtel

Winzige Strahlenquelle nutzt Terahertz-Strahlung statt Hochfrequenzfelder.

Forscher von DESY und dem Massa­chusetts Institute of Technology MIT haben eine neuartige Elektronen­quelle entwickelt, die kleiner ist als eine gewöhnliche Streichholz­schachtel. Die Miniquelle produziert kurze und stark gebündelte Elektronen­strahlen, die sich zur Untersuchung verschiedenster Materialien einsetzen lassen, von Biomolekülen bis hin zu Supraleitern. Außerdem könnte sie die Teilchen­beschleuniger der nächsten Generation von Röntgenlasern mit maß­geschneiderten Elektronen­paketen versorgen. Heute eingesetzte Elektronen-Guns können leicht die Größe eines Autos erreichen.

Abb.: Funktionsprinzip der Miniatur-Elektronenquelle auf Terahertz-Basis: Ein ultravioletter Blitz (blau) beleuchtet die Photokathode der Quelle von der Rückseite, wodurch eine kompakte Elektronenwolke auf der Innenseite des Geräts freigesetzt wird. Die Wolke wird unmittelbar von einem extrem intensiven Terahertz-Puls (rot) auf Energien nahe dem Kilo-Elektronenvolt-Bereich beschleunigt. (Bild: W. R. Huang, CFEL / DESY / MIT)

Die Neuent­wicklung nutzt Terahertz-Strahlung statt der üblichen Hochfrequenz­felder, um Elektronen aus der Ruheposition zu beschleunigen. Da Tera­hertz-Strahlung viel kürzere Wellen­längen hat als Hochfrequenz-Strahlung, können die Abmessungen des gesamten Aufbaus erheblich schrumpfen. So misst die neuartige Elektronen­quelle nur 34 × 24,5 × 16,8 Millimeter – das ist etwas kleiner als eine Standard-Streich­holzschachtel.

„Terahertz-Elektronen­quellen sind klein und effizient“, erläutert W. Ronny Huang vom MIT, der seine Arbeit am Hamburger Center for Free-Electron-Laser Science CFEL durchgeführt hat, einer Koopera­tion von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesell­schaft. „Darüber hinaus können die verwendeten Tera­hertz-Wellen­leiter viel höhere Feldstärken vertragen als bei Hochfrequenz-Wellen­längen, wodurch die Elektronen einen viel stärkeren Anschub bekommen. So entstehen deutlich intensivere und kürzere Elektronenstrahlen.“ Ultrakurze Elektronen­strahlen mit minimaler Streuung der Energie der individuellen Teilchen, hoher Ladung und geringer zeitlicher Fluktuation können beispielsweise genutzt werden, um Phasen­übergänge in Metallen, Halbleitern und Molekül­kristallen mit Hilfe der Methode der ultra­schnellen Elektronen­diffraktion zu beobachten.

„Unsere Quelle besitzt einen Nanometer-dünnen Kupferfilm, aus dem ultraviolette Strahlungs­blitze kompakte Elektronen­wolken herausschlagen“, erläutert Huang. „Eine maßge­schneiderte Mikro­struktur kanalisiert die einge­speiste Terahertz-Laser­strahlung dann so, dass sie die maximale Wirkung auf die Elektronen entfaltet.“ Auf diese Weise erreicht die Quelle einen Be­schleunigungs­gradienten von 350 Megavolt pro Meter. „Das Beschleu­nigungsfeld ist fast doppelt so stark wie bei den modernsten konven­tionellen Quellen“, sagt Huang. „Wir konnten kompakte Pakete von je 250 000 Elektronen von 0 auf 500 Elektronen­volt beschleunigen, wobei die Energie der indi­viduellen Teilchen kaum schwankt. Mit diesen Eigen­schaften könnten die Elektronen­strahlen aus unserer Quelle bereits direkt für Unter­suchungen mit Hilfe der nieder­energetischen Elektronen­diffraktion verwendet werden.“

Das CFEL verfügt über große Hoch­leistungs­laser­labore, in denen sich die nötige Laser­strahlung erzeugen lässt. In dem neuartigen Aufbau erzeugt derselbe Laser sowohl die ultra­violetten Strahlungs­blitze zur Freisetzung der Elektronen­wolke als auch das Terahertz-Feld zur anschließenden Beschleu­nigung der Teilchen. „Das sorgt für eine zuver­lässige Synchro­nisierung und reduziert so die zeitliche Fluktuation erheblich“, erläutert Huang. Die Quelle arbeitete in den Versuchen der Forscher über mindestens eine Milliarde Elektronen­strahl­chüsse stabil.

„Elektronen­quellen sind unver­zichtbare Geräte, etwa um chemische Reaktionen mit Hilfe der ultra­schnellen Elektronen­diffraktion in atomarer Auflösung zu filmen – eine Technik, der vor allem die Gruppe von Dwayne Miller am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie im CFEL den Weg bereitet“, sagt Kärtner. „Mit kleineren und besseren Elektronen­quellen können etwa Biologen bessere Einblicke in die Funktion der makro­molekularen Maschinerie in der Photo­synthese bekommen, und Physiker können zum Beispiel die fundamentalen Wechsel­wirkungs­prozesse in komplexen Festkörpern besser verstehen.“

„Darüber hinaus sind Elektronen­quellen wichtige Kompo­nenten von Röntgen­laser-Anlagen“, erläutert Kärtner. Am CFEL werde bereits an der nächsten Generation von Terahertz-Elektronen­quellen gearbeitet. Sie soll dann ultrakurze und ultrahelle Elektronen­strahlen mit höheren, relativistischen Energien und nur zehn Femto­sekunden Dauer produzieren. „Diese Geräte sollen als Photo­injektoren für kompakte Atto­sekunden-Röntgenlaser dienen“, berichtet Kärtner. Mit Hilfe von Atto­sekunden-Röntgenl­asern hoffen Forscher, ultra­schnelle Prozesse in der Natur zu entschlüsseln, etwa die Dynamik der Licht­absorption und des Elektronen­transports in der Photo­synthese.

DESY / JOL

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