Elektronen einzeln erfassen
Neue Nachweismethoden könnten Quantencomputer und Bestimmung der Neutrinomasse vereinfachen.
Elektronen sind die leichtesten geladenen Teilchen und dementsprechend flüchtig. Die präzise Messung ihrer Eigenschaften ist allerdings notwendig für viele fundamentale Tests der Physik. Gleich zwei verschiedene Verfahren haben nun in verschiedener Richtung neue Standards gesetzt. Das eine zielt in Richtung ultraschneller Messung und Kontrolle von Elektronen und könnte sich als hilfreich für den Bau von Quantencomputern und Sensoren erweisen. Das andere geht in Richtung möglichst exakter Bestimmung der Energie von Elektronen aus radioaktiven Zerfällen und soll helfen, die Neutrinomassen besser einzugrenzen.
Abb.: Beim Projekt-8-Experiment umgibt ein Magnetfeld eine Probe aus Krypton-83. Die Mikrowellenstrahlung der beim Zerfall entstehenden Elektronen erlaubt eine genaue Energiebestimmung. (Bild: A. Stonebraker, APS / B. Monreal, UCSB)
Das erste Experiment haben Fernando González Zalba und seine Kollegen vom Hitachi Cambridge Laboratory durchgeführt. Es gelang ihnen, ein Elektrometer zu konstruieren, das die Messung einer Elektronenladung in weniger als einer Mikrosekunde erlaubt. Mit Hilfe solcher Geräte könnten sich einzelne Quantenbits auslesen und steuern lassen. Die Forscher tauften ihren Aufbau deshalb auch „gate sensor“.
Bei diesem Aufbau koppelten die Forscher das Quantenbit über dieses Gate an einen doppelten Quantenpunkt an den Randzuständen eines Silizium-Nanodraht-Transistors. Dies erlaubt nicht nur eine einfachere und kompaktere Bauweise als herkömmliche externe Elektrometer, sondern auch eine höhere Empfindlichkeit bei der Ladungsmessung. Außerdem eignet es sich als Gatter. „Wir nennen es einen ‚gate sensor‘, weil es nicht nur die Bewegung einzelner Elektronen nachweisen kann, sondern auch deren Fluss steuern kann“, sagt González Zalba.
Die Forscher wollen die Sensitivität und Geschwindigkeit in Zukunft noch weiter erhöhen. Prinzipiell sollten Messzeiten für eine Elektronenladung im Bereich einer Nanosekunde möglich sein. Dies könnte sich auch für hochpräzise Biosensoren, Einzel-Elektron-Transistoren oder ähnlich empfindliche Anwendungen als nützlich erweisen.
Abb.: Abgestrahlte Leistung eines einzelnen Elektrons. Die Sprünge stammen vom Energieverlust bei Stößen mit Atomen oder Molekülen. (Bild: D. M. Asner et al.)
Das andere Experiment führte die amerikanisch-deutsche Project-8-Kollaboration an der Universität Seattle durch. Bei ihrem Versuch ging es darum, eine möglichst genaue Energiemessung von Elektronen aus Zerfällen von radioaktivem Krypton-83-m-2 (83m2Kr) über die Synchrotronstrahlung der Elektronen durchzuführen. Wenn solche Krypton-Isomere mit ihrer kurzen Halbwertszeit von nur 1,8 Stunden zerfallen, entstehen über interne Konversion monoenergetische Elektronenlinien im Bereich einiger Dutzend Kiloelektronenvolt – bei einer Linienbreite von gerade einmal um die drei Elektronenvolt.
Das Kryptongas lag in einem kleinen Behälter vor und war von starken Magnetspulen umschlossen, die eine Feldstärke von einem Tesla erzeugten. Die Elektronen aus dem Krypton wurden durch diese Felder auf Spiralbahnen gezwungen und emittierten dabei Synchrotronstrahlung mit einer Frequenz von etwa 25 Gigahertz. Diese Mikrowellen leiteten die Forscher über einen geeigneten Wellenleiter auf einen sehr empfindlichen Verstärker. Die Strahlung ist allerdings sehr schwach – weshalb sie bislang noch niemand bei einzelnen Elektronen gemessen hatte.
Die gemessenen Spektren zeigten leicht ansteigende Linien mit mehreren Sprüngen. Die fast geraden Stücke entsprachen der Energieabnahme durch Synchrotronstrahlung. Die Sprünge kamen durch Energieverlust bei Stößen mit Atomen oder Molekülen zustande.
Abb.: Siliziumchip mit neuartigem, schnellem Gate-Sensor (Bild: TOLOP)
Mit dieser Methode konnten die Wissenschaftler die Energie der vom Krypton emittierten Elektronen mit einer Messgenauigkeit von rund dreißig Elektronenvolt bestimmen. In Zukunft wollen die Forscher von Krypton-83m auf Tritium umsteigen, das als Nuklid der Wahl gilt, wenn es darum geht, die Massen von Neutrinos immer genauer zu erforschen. Auch das große Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment KATRIN arbeitet mit den Elektronen aus Tritium-Zerfällen.
Bislang sind die Neutrinomassen nur grob eingekreist: Aus Messungen von Oszillationsexperimenten ist bekannt, dass sie oberhalb von 0.01–0.05 eV/c2 liegen sollte. Die obere Grenzen wiederum lässt sich über den Betazerfall von Tritium abschätzen. Sie liegt im Mittel über alle Flavours bei etwa 2,05 eV/c2.
KATRIN soll eine Energieauflösung von rund einem Elektronenvolt erzielen. Damit sollten Neutrinomassen bis hinunter zu 0,2 eV/c2 nachweisbar werden. DAs Experiment ist jedoch von seinen räumlichen Ausmaßen nicht gerade klein: Sein Haupttank war zu groß für den Transport auf Autobahnen und wurde deshalb von Deggendorf bei Regensburg per Schiff über Donau, Schwarzes Meer, Mittelmeer, Atlantik und Nordsee schließlich den Rhein hoch Richtung Karlsruhe transportiert. Die Synchrotron-Methode könnte eine kompakte und unabhängige Alternative zu den Messungen von KATRIN liefern.
Dirk Eidemüller
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