05.11.2021 • Materialwissenschaften

Elektronen-Familie erzeugt bisher unbekannten Aggregatzustand

Entdeckung könnte zu neuer Art von Supraleitung und zu revolutionären Technologien führen.

Supraleitung gilt als Hoffnungs­träger der Energie­wirtschaft. Ein Team von Wissen­schaftlern des Exzellenz­clusters „Komplexität und Topologie in Quanten­materialien“ ct.qmat der Unis Dresden und Würzburg hat jetzt eine bemerkens­werte Entdeckung gemacht: In bestimmten supra­leitenden Metallen sorgt ein Verbund aus vier Elektronen dafür, dass ein vollkommen neuer Aggregat­zustand entsteht. Bisher kannte man nur die Bedeutung von Elektronen-Paaren für die Supra­leitung. Die Entdeckung des Forscher­teams ist ein Meilen­stein für die Material­forschung.

Abb.: Eine vier­teilige Elek­tronen-Familie erzeugt einen völlig neuen...
Abb.: Eine vier­teilige Elek­tronen-Familie erzeugt einen völlig neuen Aggre­gat­zu­stand in einem Metall. Forscher des Dresden-Würz­burger Ex­zel­lenz­clusters ct.qmat haben dieses un­ge­wöhn­liche Phä­no­men welt­weit zum ersten Mal nach­ge­wiesen. (Bild: Pixelwg, J. Band­mann, ct.qmat)

Bei der Supraleitung ist wesentlich, dass sich Elektronen bei ultra­tiefen Temperaturen nicht mehr einzeln, sondern als zwei­teilige Elektronen-Paare durch ein Metall bewegen. Elektronen-Paare stoßen im Atomgitter nicht an, so dass sie ihre Ladung ganz ohne Energie­verluste trans­portieren können. Als Forscher um Henning Klauss von der TU Dresden das supra­leitende Metall Ba1-xKxFe2As2 aus der Klasse der Eisen­pniktide experi­mentell unter­suchten, vermuteten sie zunächst einen Fehler.

„Als wir entdeckt haben, dass plötzlich vier statt bisher zwei Elektronen eine Verbindung eingehen, glaubten wir zuerst an einen Messfehler“, so Klauss. „Aber mit je mehr Methoden wir gemessen haben, desto klarer wurde uns, dass es sich um ein neues Phänomen handeln musste: Alle Nach­prüfungen kamen zum gleichen Ergebnis. Jetzt wissen wir, dass durch die vier­teilige Elektronen-Familie in bestimmten Metallen bei ultra­tiefer Kühlung ein ganz neuer Aggregat­zustand entsteht. Wozu das künftig führt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.“

Schon vor etwa zehn Jahren wurde theoretisch vorher­gesagt, dass es bei bestimmten supra­leitenden Metallen einen ungewöhn­lichen Materie­zustand geben könnte, bei dem vier statt zwei Elektronen eine Rolle spielen. Das inter­nationale Forschungs­team des Exzellenz­clusters ct.qmat hat nun den ersten experi­mentellen Nachweis erbracht. Zwei Jahre lang wurde er mit sieben unter­schied­lichen Methoden nach­ge­prüft.

„Wir haben den neuen Aggregat­zustand zunächst in einem Schweizer Teilchen­beschleuniger entdeckt. Unsere Ergebnisse konnten wir danach mit sechs weiteren Methoden vor Ort in Dresden und an der Uni Stockholm bestätigen“, sagt Vadim Grinenko von der TU Dresden. Die theoretische Inter­pretation der Mess­ergebnisse stammt von Egor Babaev von der Uni Stockholm.

Schon die Entdeckung der Eisen­pniktide als für Supraleitung besonders geeignete Material­klasse löste ab 2008 einen weltweiten Forschungs­boom in Physik und Material­wissenschaft aus. „Wenn man Strom tatsächlich flächen­deckend in supra­leitenden Metallen bei Raum­temperatur trans­portieren könnte, wären auf der Stelle etwa zehn Groß­kraft­werke über­flüssig“, so Klauss. „Man kann davon ausgehen, dass unsere Ergebnisse zu einer ganz neuen Forschungs­richtung führen, in der zum Beispiel nach anderen Metallen mit vier zusammen­hängenden Elektronen gesucht wird oder man erforscht, wie Materialien verändert werden müssen, damit eine Elektronen-Familie entsteht. Rein theoretisch wäre mit unserer Elektronen-Familie auch eine ganz neue Art von Supra­leitung möglich, aber das ist Zukunfts­musik. Sicher ist nur, dass sich Eisen­pniktide durch den neuen Aggregat­zustand gut für Techno­logien wie Quanten­sensoren eignen.“

TU Dresden / RK

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