15.10.2014

Elektronen-Mikroskop mit Sinn für Chemie

Eine neue Generation von Raster-Transmissions-Elektronen-Mikroskopen ermöglicht Vibrations-Spektroskopie mit hoher örtlicher Auflösung.

Elektronen-Mikroskope gehören dank ihres hohen Auflösungsvermögens längst zur Standardausrüstung vieler Labore. Nun bringen neue technische Entwicklungen aber wieder frischen Wind in die Sache. Forscher um Ondrej Krivanek haben in einer Zusammenarbeit des Elektronen-Mikroskop-Herstellers Nion mit mehreren amerikanischen Universitäten ein Raster-Transmissions-Elektronen-Mikroskop vorgestellt, mit dem es möglich ist, Vibrations-Spektren aufzunehmen. Damit vereinen sie die bewährte Methode der Vibrations-Spektroskopie, also der Analyse der chemischen Bindungen in einem Molekül, mit der hohen örtlichen Auflösung und der Flexibilität eines Elektronen-Mikroskops. Während das Auflösungsvermögen herkömmlicher Verfahren im Mikrometerbereich liegt, ist es mit dem neuen Instrument möglich, Spektren mit einer örtlichen Auflösung von wenigen Nanometern aufzunehmen. Eine Entwicklung, die sich vor allem für die chemische Charakterisierung von Nanostrukturen als äußerst nützlich erweisen könnte.

Abb.: Der Elektronenstrahl regt Vibrationsmoden in einer Probe aus Silizium an, die von einer dünnen Schicht Siliziumoxid bedeckt ist. Der schwarze Bereich ist Vakuum. Der steile Anstieg des Signals beim Übergang von Si zu SiO2 beweist das hohe räumlich Auflösungsvermögen der Methode. Wie der langsame Abfall auf Null im Vakuum zeigt, lassen sich Vibrationsmoden auch ohne direkten Kontakt mit dem Strahl angeregt. (Bild: P. E. Batson)

Möglich wurde die neue Analysemethode erst durch das Zusammenspiel einer ganzen Reihe technischer Innovationen. Dabei galt es vor allem ein Problem zu lösen: die Energieauflösung der bisherigen Systeme war viel zu gering. Wenn der Elektronenstrahl die zu analysierende Probe durchdringt, regt er dabei Vibrationsmoden in den Molekülen an, versetzt also deren Atome in Schwingung. Dabei geht eine für die entsprechende chemische Bindung typische Menge an Energie von den Elektronen an die Moleküle über. Typischerweise betragen diese Energieverluste nur wenige Hundert Millielektronenvolt – ein verschwindend kleiner Anteil der Gesamtenergie der Elektronen. Man muss die Energie des Elektronenstrahls also sehr genau kennen, um Rückschlüsse auf die chemischen Bindungen in der Probe ziehen zu können.

Um das zu erreichen, muss der Strahl möglichst monochrom, also von einheitlicher Energie sein, bevor er auf die Probe triff. Zu diesem Zweck haben die Forscher das Mikroskop mit einer speziellen Elektronenkanone, einem neuartigen Monochromator und einer verbesserten Elektronenoptik ausgestattet. Zusammen mit einem modifizierten Spektrometer, das die Energie der Elektronen nach passieren der Probe analysiert, konnte man so den Energieverlust der Elektronen auf etwa 10 Millielektronenvolt genau bestimmen. Um die spektroskopische Leistungsfähigkeit des neuen Mikroskops unter Beweis zu stellen, präsentieren die Forscher Spektren verschiedener chemischer Verbindungen.

Dabei zeigt sich, dass die ermittelten Vibrationsenergien zwar ziemlich genau stimmen, die Peaks allerdings deutlich breiter sind als bei anderen vibrationsspektroskopischen Verfahren. Somit ist die Qualität der Messungen zwar schlechter, jedoch gut genug, um verschiedene chemische Verbindungen unterscheiden zu können. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass man auch Schwingungen von Wasserstoff eindeutig nachzuweisen konnte. Dieses Element war bis dato für Elektronen-Mikroskope so gut wie unsichtbar.

Die eigentliche Stärke der neuen Methode, also die Kombination von spektroskopischer und örtlicher Auflösung, demonstrieren die Forscher am Beispiel eines Übergangs von Si zu SiO2. Dazu nahmen sie das Signal einer SiO2-Vibrationsmode auf, während sie den Elektronenstrahl schrittweise über die Grenzlinie bewegten. Aus dem sprunghaften Anstieg des Signals lässt sich ein örtliches Auflösungsvermögen von fünf Nanometern ableiten.

Darüber hinaus ist es mit dem neuen Instrument auch möglich, chemische Zusammensetzungen zu analysieren, ohne sie direkt dem Elektronenstrahl auszusetzen. So konnten die Forscher Vibrationsmoden niedriger Energie auch dann anregen, wenn der Strahl mehrere zehn Nanometer an der Probe vorbei verlief. Diese spezielle Art der Spektroskopie könnte sich vor allem für sehr empfindliche Proben als nützlich erweisen.

Thomas Brandstetter

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