03.12.2018

Elektronen unter Druck

Starker einachsiger Druck ordnet Elektronen in Hochtemperatur-Supraleitern.

Hochtemperatur-Supraleiter können elektrische Energie widerstands­frei transportieren. Aller­dings verhindert eine starre Ladungs­ordnung die Supra­leitung. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben die kon­kurrierenden Zustände mit hoch­auflösender in­elastischer Röntgen­streuung unter­sucht und fest­gestellt, dass hoher ein­achsiger Druck die Elektronen ordnet. Ihre Studie eröffnet neue Einblicke in die Funktion elektronisch korrelierter Materialien.

Abb.: Um Druck kontrolliert auf ihre mikro­skopische, supra­leitende Probe zu bringen, nutzen die Forscher empfindliche Halterungen mit Aktoren auf Basis des Piezo­effekts. (Bild: KIT)

Supraleiter weisen unterhalb bestimmter Temperaturen keinen elektrischen Wider­stand mehr auf. Allerdings sind sie dabei auf extreme Kälte angewiesen: Klassische Supra­leiter müssen fast bis zum absoluten Null­punkt herunter­gekühlt werden, und selbst Hoch­temperatur-Supra­leiter benötigen noch Temperaturen von etwa minus 200 Grad Celsius, um Strom wider­stands­frei zu leiten. Trotz der auf­wändigen Kühlung werden Supra­leiter bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Um Supra­leiter zu entwickeln, die bei höheren Temperaturen – eventuell sogar bei Raum­temperatur – funktionieren und damit wesentlich zu einer effizienten Energie­versorgung beitragen, müssen entscheidende Zustände und Vor­gänge in supra­leitenden Materialien grund­legend ver­standen werden.

Forscher um Matthieu Le Tacon, Leiter des Instituts für Fest­körper­physik (IFP) des KIT, sind dabei nun einen wesentlichen Schritt voran­gekommen: Sie haben gezeigt, dass hoher ein­achsiger Druck kon­kurrierende Zustände in einem Hoch­temperatur-Supra­leiter kontrollieren kann. Neben dem IFP des KIT waren das Max-Planck-Institut für Fest­körper­forschung in Stutt­gart, das Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden, die European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich, und die Universidad Nacional de La Plata, Argentinien, an der Studie beteiligt.

Mit hoch­auflösender in­elastischer Röntgen­streuung, bei der Röntgen­strahlen auf eine Probe treffen und das Streu­licht vermessen wird, unter­suchten die Wissen­schaftler den Hoch­temperatur-Supra­leiter YBa2Cu3O6.67, der zu den Kupraten gehört. Dabei handelt es sich um komplexe Verbindungen aus Kupfer, Sauer­stoff und weiteren Elementen.

Kupfer- und Sauerstoffatome bilden zwei­dimensionale Strukturen. Werden Ladungs­träger in diese Ebenen eingeführt, kommt es zu komplexen und mit­einander konkurrierenden Zuständen: Die Kopplung zwischen Ladungs­trägern führt zur Supra­leitung, eine starre Ladungs­ordnung dagegen verhindert sie. Zu den Ladungs­ordnungs­zuständen gehört die Anordnung der Ladungs­träger in streifen­förmigen Nano­strukturen, welche die Ladungs­träger unbeweglich macht und so die Supra­leitung unter­drückt. Auch periodische Schwankungen in der Verteilung der elektrischen Ladungen, Ladungs­dichte­wellen (CDW – charge density waves), verhindern die Supra­leitung. Durch chemische Bei­mengungen oder durch externe Magnet­felder lassen sich diese Zustände variieren. Die Inter­pretation solcher Experimente wird aller­dings durch Gitter­fehler und zufällig fest­gehaltene magnetische Wirbel erschwert.

Dagegen ermöglicht einachsiger Druck, das Verhältnis zwischen Ladungs­dichte­wellen und Supra­leitung präzise zu unter­suchen, wie die Forscher fest­stellten. Sie zeigten, dass hoher Druck entlang einer Kristall­achse des unter­suchten Hoch­temperatur-Supra­leiters YBa2Cu3O6.67 zu einem weit­reichenden drei­dimensionalen Ladungs­dichte­wellen-Zustand führt, ohne dass dazu Magnet­felder erforderlich sind. Mit dieser Zustands­änderung ist auch eine starke Dämpfung der Gitter­schwingungs­anregung verbunden. „Unsere Ergebnisse ermöglichen neue Einblicke in die Funktion von Hoch­temperatur-Supra­leitern und anderen elektronisch korrelierten Materialien“, erklärt Matthieu Le Tacon vom KIT. „Darüber hinaus zeigen sie, dass ein­achsiger Druck das Potenzial bietet, die Ordnung der Elektronen in solchen Materialien zu kontrollieren.“

KIT / DE

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