23.07.2013

Elektronendynamiken in Molekülen

Mit Attosekunden-Lasern Elektronen in Echtzeit beobachtet.

Die Bewegung von Elektronen in Molekülen findet auf der unvorstellbar kurzen Attosekundenzeitskala statt. Die Beobachtung und Kontrolle dieser schnellen Ladungsumordnung ist ein wichtiges Ziel in der modernen Molekülphysik. Einige theoretische Arbeiten sagen vorher, dass das schnelle Entfernen von Elektronen aus Molekülen eine Ladungsoszillation auslöst, die wiederum die nachfolgende Chemie beeinflussen kann. Ein erster Schritt in Richtung Kontrolle solcher Prozesse ist es zu lernen, wie man Elektronen in Echtzeit experimentell beobachten kann. Genau dies ist nun in den Attosekundenlaboratorien des Max-Born-Instituts in Berlin gelungen.

Abb.: Der Attosekundenimpulszug (blau) ist entweder synchronisiert mit den Nulldurchgängen des Nahinfrarotfeldes (rot) (a) oder zu dessen Extrema (b). Die Veränderung der Elektronendichte ist in (c) für molekularen Stickstoff gezeigt; rot bedeutet die Dichte hat sich erhöht, blau das Gegenteil. (Bild: MBI)


Die kürzesten Laserpulse, welche Wissenschaftler heutzutage erzeugen können, haben eine Impulsdauer von nur 50 bis 500 Attosekunden. Bei der Erzeugung hoher Harmonischer (high-order harmonic generation (HHG)) ionisiert ein Nahinfrarotlaser ein Edelgas. Das Laserfeld beschleunigt das freigesetzte Elektron in Feldpolarisationsrichtung erst vom Ion weg und danach zum Ion zurück. Hierbei kommt es zur Rekombination und die Energie, die nötig war um das Gas zu ionisieren und das freie Elektron zu beschleunigen, wird in Form von Photonen freigesetzt. Die Photonenenergie liegt typischerweise im Bereich von 10 bis 100 Elektronvolt und entspricht einem Vielfachen der Photonenenergie des Nahinfrarotlasers. Da die Periode des Nahinfrarotfeldes im Bereich von nur wenigen Femtosekunden liegt und der Rekombinationszeitpunkt für alle freigesetzten Elektronen etwa gleich ist, kann man optische Pulsdauern im Attosekundenbereich erzielen.

Während Forscher mit Femtosekundenpulsen Strukturänderungen in Molekülen studieren, benötigen sie Attosekundenpulse um die schnellen Bewegungen von Elektronen in Molekülen zu verfolgen. Nachdem diese ultrakurzen optischen Pulse im Jahr 2001 zum ersten Mal beobachtet worden waren, kamen sie für Studien von verschiedenen Systemen wie Atomen, Molekülen und Festkörpern zum Einsatz. Das MBI-Team nutzt in vorangegangen Arbeiten bereits Attosekundenimpulse für Pump-Probe-Untersuchungen an Molekülen. Dabei fanden sich erste experimentelle Hinweise für die Kopplung von Elektronen- und Kernbewegungen auf Attosekunden- und Femtosekundenzeitskalen sowie die Auswirkungen der Verschränktheit in Multielektronensystemen. Es war bisher allerdings nicht möglich reine Elektronendynamiken in neutralen Molekülen mit Attosekundenpulsen zu studieren.

Abb.: Gemessene Variation der Ionisationsausbeute als Funktion der Pump-Probe-Verzögerung (schwarz) von molekularem Stickstoff, Kohlenstoffdioxid und Ethen; die rote Linie ist das Ergebnis einer Fourieranalyse nahe der doppelten Frequenz des Nahinfrarotlasers. (Bild: MBI)

Die neusten Ergebnisse zur erfolgreichen Beobachtung von molekularen Elektronendynamiken basieren auf „dynamischer Ausrichtung“. Diese Technik wurde schon vor einiger Zeit von dem MBI-Team genutzt und ist mittlerweile ein fester Bestandteil von vielen Experimenten, welche die Struktur und Dynamiken in Molekülen untersuchen. Wird ein Molekül Laserstrahlung ausgesetzt, die zwar zu schwach ist das System zu ionisieren, aber stark genug um im Molekül einen Dipol zu induzieren, so richtet sich die polarisierbarste Molekülachse entlang der Laserpolarisationsachse aus. Mit Hilfe dieser dynamischen Ausrichtung gelingt es Prozesse, welche im Molekülbezugssystem stattfinden, im Laborbezugssystem zu studieren.

In den kürzlich veröffentlichten Experimenten, das die Forscher des MBI zusammen mit Kollegen aus Lyon und Lund durchgeführt haben, konnten sie diesen oszillierenden Dipol direkt beobachten. Das Molekül wurde durch einen Attosekundenpulszug ionisiert, der zum Feld des dipolinduzierenden Nahinfrarotlasers synchronisiert war. Je nach Phase zwischen Pump- und Probepuls war die Ionisationswahrscheinlichkeit deutlich verschieden. Waren die Blitze des Attosekundenpulszugs synchronisiert zum Nulldurchgang des Nahinfrarotfeldes, schlug sich das in einer niedrigeren Ionisationsausbeute nieder, als wenn die Blitze mit den Extrema des Nahinfrarotfeldes synchronisiert wurden. Der Grund hierfür ist die Energie- und Impulserhaltung. Vorausgesetzt die Photonenenergie im Attosekundenblitz ist ausreichend, ist es deutlich einfacher Elektronen aus dem Molekül zu lösen, welche sich dicht an den atomaren Kernen bewegen. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit wird aber durch das Nahinfrarotfeld periodisch verändert, was zu einer Modulation des Ionisationswechselwirkungsquerschnittes führt.

Das Pump-Probe-Experiment führten die Forscher für verschiedene Moleküle durch, wobei sich der oben genannte Effekt linear mit der Polarisierbarkeit der Moleküle veränderte. Die experimentelle Anordnung lässt sich als erste Implementierung der Stark-Spektroskopie auf Attosekundenzeitskala interpretieren. Mit dieser Methode wird die Antwort des Moleküls auf ein äußeres elektrisches Feld optisch abgefragt. Zukünftige Experimente des MBI-Teams werden sich mit transienter Absorption mit Attosekundenzeitauflösung beschäftigen. Außerdem wollen die Physiker optische Attosekundenpulse nutzen um intrinsische Ladungsbewegungen in Molekülen, welche nicht durch ein externes Laserfeld induziert wurden, zu beobachten.

MBI / PH

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