Elektronenmikroskop mit starkem Dreh
Hologramme mit Versetzungsfehlern können Elektronenwellen einen überraschend großen Drehimpuls geben.
Hologramme mit Versetzungsfehlern können Elektronenwellen einen überraschend großen Drehimpuls geben.
In einem Elektronenmikroskop breiten sich die Elektronen als Wellen aus, die sich normalerweise durch ebene Wellen angenähert beschreiben lassen. Mit einem geeignet strukturierten Hologramm kann man den Elektronenwellen jedoch eine Phasensingularität zufügen und ihnen dadurch einen kräftigen „Dreh“ geben. Dabei können die sich kräftefrei bewegenden Elektronen Bahndrehimpulse von 100 h/2π erhalten, wie Forscher am National Institute of Stan-dards and Technology in Gaithersburg beobachtet haben.
Benjamin McMorran und seine Kollegen haben sich bei ihren elektronenmikroskopischen Experimenten daran orientiert, wie man Lichtwellen herstellt, die einen Bahndrehimpuls haben. Fällt eine Lichtwelle auf ein Beugungsgitter mit Fehlstellen, wo sich ein Spalt gabelförmig in zwei oder mehr Spalte aufteilt, so sind bei den gebeugten Lichtwellen die Flächen konstanter Phase nicht mehr eben sondern schraubenförmig. Im Zentrum der Schraube ist die Phase nicht definiert. An dieser Phasensingularität verschwindet daher die Lichtintensität. Ein so gebeugter Lichtstrahl hat im Zentrum ein Loch, das sich auch dann nicht schließt, wenn sich der Strahl aufweitet. Da sich die Lichtwelle schraubenförmig dreht, hat sie auch einen Bahndrehimpuls.
Im vergangenen Jahr hatten andere Forscher mit Hilfe von Hologrammen, in die Fehlstellen eingebaut waren, Elektronenwellen erzeugt, die eine Phasensingularität und einen Bahndrehimpuls aufwiesen. McMorran und seine Kollegen haben dieses Verfahren nun erheblich ver-bessert. Sie benutzten ebenfalls Hologramme, die sie mit einem Ionenstrahl in eine 30 nm dicke Siliziumnitridmembran frästen. Die parallelen Schlitze in einem solchen Hologramm waren 20 nm breit, und die Gitterperiode war bis zu 50 nm klein. Die kreisförmigen Hologramme hatten in ihrem Zentrum bis zu 25 Fehlstellen.
Abb.: Hologramm mit 25 nebeneinander liegenden Fehlstellen, das den an ihm ge-beugten Elektronen einen Drehimpuls von bis zu 100 h/2π erteilte. (Bild: Benjamin J. McMorran et al., Science)
Solch ein Hologramm brachten die Forscher in den 300-keV-Elektronenstrahl eines Transmissisionselektronenmikroskops, und sie untersuchten die gebeugten Strahlen unterschiedlicher Ordnung. Alle gebeugten Strahlen wiesen ein Loch in der Mitte auf, das umso größer ausfiel je höher die Beugungsordnung war. Das Loch schloss sich im weiteren Verlauf des Strahls nicht.
Die von einem Hologramm mit 25 Fehlstellen hervorgerufene Phasensingularität hatte zur Folge, dass der gerade noch erkennbare Strahl vierter Ordnung einen Bahndrehimpuls von 4×25 h/2π = 100 h/2π hatte! Da die Wellenpakete der Elektronen im Strahl weit auseinander lagen, besaß jedes einzelne Elektron diesen Bahndrehimpuls. Es bewegte sich also auf einer Kreisbahn obwohl keine Kräfte einwirkten.
Da die schraubenförmige Phasenstruktur des Elektronenstrahls den Phasenkontrast bei der Elektronenmikroskopie erhöht, sollte sich die Abbildung von Objekten, die für Elektronen transparent sind, verbessern. Wie die Energie so kann auch der hohe Bahndrehimpuls der Elektronen auf Atome übertragen werden. Dadurch ergeben sich neue Anregungsmöglichkeiten, die sich für die Elektronenenergieverlustspektroskopie nutzen lassen.
RAINER SCHARF
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