20.06.2013

Elektronenmikroskop unter Druck

ETEM-Weiterentwicklung liefert atomgenaue Bilder von Katalysatoren in heißen Gasen.

Mit einem neuartigen Rasterelektronenmikroskop ist es gelungen, die Bewegungen von Katalysatoratomen auf einem Substrat zu verfolgen, das sich unter einer heißen und dichten Gasatmosphäre befand. Mit dem Environmental Scanning Transmission Electron Microscope ESTEM lassen sich die Veränderungen der atomaren Struktur von Katalysatoren unter Prozessbedingungen studieren.

Abb.: Mit dem ESTEM lassen sich einzelne Platinatome, Cluster und Nanoteilchen auf einer Unterlage sichtbar machen, die einer heißen und dichten Wasserstoffatmosphäre ausgesetzt sind. (Bild: E. D. Boyes et al. / Ann. Phys.)

Forscher um Edward Boyes und Pratibha Gai von der University of York haben mit der „umweltverträglichen“ Elektronenmikroskopie ein Verfahren entwickelt, das Bilder mit atomarer Auflösung auch unter solchen Umgebungsbedingungen herstellen kann, unter denen herkömmliche Geräte nicht funktionieren. Denn da sich diese Mikroskope in einem Ultrahochvakuum befinden müssen, lassen sich mit ihnen keine atomaren Vorgänge beobachten, die bei der heterogenen Katalyse unter heißen und dichten Gasatmosphären an Festkörperoberflächen ablaufen.

Doch 1997 stellten Boyes und Gai das Environmental Transmission Electron Microscope ETEM vor, das auch unter Drücken bis 50 mbar und Temperaturen über 1000 °C eine Auflösung von 0,1 nm erreichte. Dies wurde mit Hilfe der ECELL möglich, einer unmittelbar vor dem Mikroskop sitzenden Kammer, welche die zu untersuchende Probe und das heiße, dichte Gas enthielt. Zugleich schirmte die ECELL die Optik des Elektronenmikroskops, das durch differentielles Pumpen im Ultrahochvakuum gehalten wurde, gegen die Gasatmosphäre ab.

Jetzt hat das Team von Boyes und Gai ein Rastertransmissionselektronenmikroskop mit einer ECELL ausgerüstet und „umwelttauglich“ gemacht. Mit diesem ESTEM genannten Mikroskop haben die Forscher eine Kohlenstoffunterlage abgetastet, die mit Platinatomen und Platinnanopartikeln als Katalysatoren bedeckt war und sich in einer mehr als 500 °C heißen Wasserstoffatmosphäre von 0,1 mbar befand. Dieser Druck ist zwar kleiner als der bei der industriellen Katalyse eingesetzte Druck, er reicht indes für eine vollständige Bedeckung der Oberfläche aus.

Zudem versahen die Forscher das Mikroskop mit einer leistungsfähigen Aberrationskorrektur. Sie gestattete es, hintereinander mehrere scharfe Einzelbilder von dynamischen Vorgängen aufzunehmen, ohne nach jedem Bild neu fokussieren zu müssen. Dadurch war es möglich, die Strahlenbelastung möglichst gering zu halten, sodass die Wasserstoffatmosphäre nicht merklich ionisiert wurde. Solch eine Ionisierung würde die Katalyse beeinträchtigen.

Den Wissenschaftler ist es so gelungen, mit einer Auflösung von besser als 0,1 nm zu verfolgen, wie sich unter dem Einfluss der Wasserstoffatmosphäre die Platinatome auf dem Substrat bewegten und wie die Platinnanoteilchen wuchsen und sich umstrukturierten. Dadurch war es erstmals unter realistischen Bedingungen möglich, Vorgänge zu beobachten, die die Wirksamkeit des Platinkatalysators beeinflussen können.

Bei der Abtastung der Katalysatoroberfläche mit dem ESTEM könnte in Zukunft auch die Energieverteilung der inelastisch gestreuten Elektronen und die dabei erzeugte Röntgenstrahlung registriert werden. Daraus ließen sich unter anderem Informationen über die chemischen Bindungen und die Zusammensetzung der Katalysatorpartikel gewinnen.

Rainer Scharf

AH

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