Elektronenpulse kontrolliert durch Nanostrukturkanal geführt
Großen Schritt vorwärts für die dielektrische Laserbeschleunigung.
Teilchenbeschleuniger sind unverzichtbare Werkzeuge in Forschungsbereichen wie Biologie, Materialwissenschaft und Teilchenphysik. Wissenschaftler sind ständig auf der Suche nach leistungsfähigeren Verfahren, um Teilchen zu beschleunigen, um bestehende Anlagen zu verbessern – und so die Kapazität für Versuche zu erhöhen. Eine solche leistungsfähigere Technologie ist die dielektrische Laserbeschleunigung. Dabei werden Teilchen im optischen Nahfeld beschleunigt, das entsteht, wenn ultrakurze Laserpulse auf ein photonisches Gitter fokussiert werden. Wissenschaftlern der Uni Erlangen-Nürnberg ist es gelungen, mit dieser Methode einen entscheidenden Baustein eines jeden Teilchenbeschleunigers zu demonstrieren: die Führung der Elektronen im Vakuumkanal.
Da geladene Teilchen dazu neigen, sich bei ihrer Ausbreitung immer weiter voneinander zu entfernen, stehen alle Beschleunigertechnologien vor der Herausforderung, die Teilchen – sowohl räumlich als auch zeitlich – in den gewünschten Grenzen zu halten. Das führt zu Anlagen, die bis zu zehn Kilometer lang sein können – und Jahre in der Vorbereitung und Konstruktion benötigen sowie große finanzielle Investitionen beinhalten. Die dielektrische Laserbeschleunigung macht sich die ultraschnelle Lasertechnologie und die Fortschritte in der Halbleiterfertigung zunutze, um diese Beschleuniger potenziell auf einige Millimeter oder Zentimeter zu miniaturisieren.
Ein vielversprechender Ansatz: In Experimenten konnte bereits gezeigt werden, dass die dielektrische Laserbeschleunigung den Stand der Technik um mindestens das 35-Fache übertrifft. Das bedeutet, dass die Länge eines potenziellen Beschleunigers um den gleichen Faktor geschrumpft werden kann. Bis jetzt war es jedoch unklar, ob diese Zahlen auf immer längere Strukturen skaliert werden können.
Jetzt hat ein Team um Peter Hommelhoff von der Uni Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit Kollegen von der TU Darmstadt einen großen Schritt gemacht, um die dielektrische Laserbeschleunigung für den Einsatz in vollwertigen Beschleunigeranwendungen zu adaptieren. In ihrer Arbeit demonstrieren sie zum ersten Mal ein Schema, um Elektronenpulse über lange Strecken zu führen.
Dieses „Alternating Phase Focusing“ genannte Schema ist eine Methode aus den frühen Tagen der Beschleunigertheorie. Die Fokussierung geladener Teilchen in allen drei Dimensionen gleichzeitig – Breite, Höhe und Tiefe – ist durch ein fundamentales Gesetz der Physik unmöglich. Das kann jedoch umgangen werden, indem die Elektronen abwechselnd in verschiedenen Dimensionen fokussiert werden. Indem die Elektronen mit dem Laserstrahl zunächst quer fokussiert werden, dann durch einen kurzen Drift-Abschnitt gleiten, in dem keine Kräfte auf sie einwirken, und letztlich längs beschleunigt werden, lassen sie sich zielgerichtet lenken.
Im Experiment haben die Wissenschaftler diesen Aufbau durch den Einbau einer Kolonnade aus ovalen Säulen mit kurzen Lücken in regelmäßigen Abständen realisiert, die verschiedene Makrozellen ergeben. Jede Makrozelle wirkt auf die Teilchen entweder fokussierend oder defokussierend, abhängig von der Verzögerung zwischen dem antreibenden Laser, dem Elektron und dem Spalt, der die Driftstrecke bildet. Die Beherrschung dieses Aufbaus ermöglicht die präzise Phasenraumsteuerung des Elektronenpulses auf der optischen beziehungsweise Femtosekunden-Ultrazeitskala.
Im Experiment wird die erfolgreiche Führung als Anstieg des Strahlstroms durch die Struktur sichtbar, wenn sie mit dem Laser beleuchtet wird. Wenn kein Laser mit der Struktur interagiert, werden die Elektronen nicht geführt und stürzen allmählich in die Kanalwände. „Das ist sehr spannend", sagt Team-Mitglied Johannes Illmer. „Zum Vergleich: Der Large Hadron Collider am CERN verwendet 23 solcher Zellen in einem 2450 Meter langen Bogen. Unsere Nanostruktur umfasst fünf solcher Zellen und das alles in nur 80 Mikrometer."
Die Arbeit auf diesem Gebiet wird von der internationalen „Accelerator on a chip"-Kollaboration vorangetrieben, zu der das Team gehört. In theoretischen Arbeiten hat die Kollaboration bereits gezeigt, dass „Alternating Phase Focusing“ angepasst werden kann, um eine Beschleunigung von Elektronenstrahlen zu erreichen. Komplexere, dreidimensionale „Alternating Phase Focusing“-Schemata könnten daher die Grundlage für die zukünftige Teilchenbeschleunigertechnologie bilden.
FAU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Shiloh et al.: Electron phase-space control in photonic chip-based particle acceleration, Nature 597, 498 (2021); DOI: 10.1038/s41586-021-03812-9 - Laserphysik, Naturwissenschaftliche Fakultät, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- ACHIP - Accelerator on a Chip International Program