Elektronenspinresonanz mit Turbo
Einsatz eines Freie-Elektronen-Lasers ermöglicht höhere Magnetfelder und Frequenzen.
Die Elektronenspinresonanz ist ein ausgezeichnetes Mittel, um ungepaarte Elektronen in Feststoffen oder Flüssigkeiten zu untersuchen. Diese Elektronen besitzen durch ihren Spin ein permanentes magnetisches Moment, das sich in einem Magnetfeld gemäß dem Zeeman-Effekt aufspaltet. Die Übergänge zwischen diesen Niveaus liegen im energetischen Bereich von Mikrowellenstrahlung, mit deren Hilfe man sie nachweisen kann. Ein Problem beim Betrieb von Elektronenspinresonanz-Spektroskopen liegt aber in der Schwierigkeit, bei hohen Frequenzen jenseits der 100 Gigahertz ausreichend starke Mikrowellenpulse zu erzeugen. Kalifornische Forscher haben nun ein Verfahren vorgestellt, die kraftvollen Pulse eines Freie-Elektronen-Lasers (FEL) für die Elektronenspinresonanz nutzbar zu machen und damit das Spektrum an Möglichkeiten deutlich zu erweitern.
Abb.: Fourier-Transformierte einzelner Stickstoff-Verunreinigungen in einem Diamanten bei unterschiedlichen Magnetfeldstärken. Zu sehen sind bis zu drei Peaks aufgrund der Hyperfeinkopplung zwischen Elektronen und N-14-Kernspins. Die Peaks bei 240GHz stammen von der FEL-Strahlung. Unten die berechnete Bandbreite eines 20-Nanosekunden-Pulses. (Bild: S. Takahashi et al. / NPG)
Da die Elektronenspinresonanz auf ungepaarte Elektronen anspricht, ist sie vor allem für die Biophysik und die Materialforschung interessant und wird etwa in der Strukturbiologie oder zur Erforschung organischer Solarzellen eingesetzt. Sie eignet sich auch zur Bestimmung der Dekohärenzzeiten in kondensierter Materie, was von großer Wichtigkeit für Quanteninformationsprozesse ist.
Die spektrale Auflösung, die Spinpolarisierung, die Sensitivität und die zeitliche Auflösung des Elektronenspinresonanz-Signals steigen mit dem angelegten Magnetfeld und der damit höheren Larmorfrequenz, die durch die Präzessionsbewegung des Elektronenspins im Magnetfeld gegeben ist. Der Effekt starker Magnetfelder jenseits von 3,5 Tesla konnte bislang aber nicht ausgenutzt werden, da diese Feldstärken mit Mikrowellenfrequenzen jenseits der 100-Gigahertz-Marke korrelieren, bei denen sich mit herkömmlichen Mitteln keine starken, kohärenten elektromagnetischen Pulse erzeugen lassen.
Während die meisten Hochleistungs-Spektrometer für Elektronenspinresonanz bei rund einem drittel Tesla und einer zugehörigen Larmorfrequenz von 9,5 Gigahertz arbeiten, erreichen die stärksten Spektrometer ungefähr das Zehnfache an Magnetfeld und Frequenz. Spezielle Verstärker ermöglichen ihnen Pulsleistungen von bis zu einem Kilowatt. Gegenwärtig wird an Verstärkern geforscht, die ein Kilowatt starke Pulse liefern sollen bei Frequenzen um die 200 Gigahertz; sie befinden sich aber noch in Entwicklung.
Das Attraktive beim Einsatz eines FEL liegt nun darin, dass er auch bei weit höheren Frequenzen bis zu einem Terahertz noch Pulse im Kilowatt-Bereich liefern kann. Mit dieser Technik lässt sich also die große Engstelle der Elektronenspinresonanz umgehen, die in den unzureichenden Quellen starker elektromagnetischer Strahlung der passenden Frequenz liegt.
Deshalb nutzten die Forscher die Vorteile des FEL, die aus der hohen Energieausbeute und den gut durchstimmbaren Pulsen bestehen. Sie erreichten hierdurch deutlich verbesserte Auflösungen. Der von den Forschern eingesetzte FEL liefert bis zu ein Kilowatt starke Pulse bei 240 Gigahertz, so dass sie bei einem Magnetfeld von 8,5 Tesla arbeiten konnten. Damit betrug die Zeit, die der Puls des FEL benötigte, um den Spin eines Elektrons um ein Viertel zu drehen, nur sechs Nanosekunden. Zum Vergleich: Ein üblicher Feststofflaser mit einer Leistung von 30 Milliwatt benötigt hierzu ganze 300 Nanosekunden.
Die Pulse des FEL sind mehrere Mikrosekunden lang und wurden deshalb über einen optisch geschalteten Siliziumwafer in kürzere „Scheibchen“ zerlegt. Die erreichbare Schaltgeschwindigkeit hierbei lag bei ungefähr einer Nanosekunde. Über einen gerippten Wellenleiter wird der FEL-Puls auf eine Breite von zwei oder fünf Millimetern gebracht und auf die Probe gerichtet.
Wie die Forscher berichten, haben sie ihr neues Verfahren bereits mit einer Reihe unterschiedlicher Proben getestet. Verschiedene Substanzen mit freien Radikalen eignen sich hierzu gut, da sie starke Signale liefern. Dank der kurzen, starken Pulse konnten die Wissenschaftler Relaxationszeiten erzielen, die um eine Größenordnung besser waren als das, was sie an ihrer Apparatur mit einem Feststofflaser erreichen können. Außerdem erhielten sie auch ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis.
Dirk Eidemüller
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