Elektronenspins im Visier
Experimente liefern neue Erkenntnisse zur Spin-Kaloritronik.
Ein Experiment an der Tohoku Universität in Japan legte 2008 den Grundstein für das Forschungsgebiet Spin-Kaloritronik, das eine effektivere und energiesparende Datenverarbeitung in der Informationstechnologie zum Ziel hat. Zwar wurden seither viele neue spinkalorische Effekte erforscht, doch das japanische Schlüsselexperiment ließ sich nicht wiederholen. Forscher der Uni Bielefeld haben dafür jetzt eine Erklärung gefunden. Mit einer neu angewandten Messmethode haben sie außerdem das experimentelle Repertoire in der Spin-Kaloritronik erweitert.
Abb.: Die Probe ist bei diesem Versuchsaufbau zwischen die Kupferblöcke gespannt. Einer ist heiß, der andere kalt. Die Spulen erzeugen das Magnetfeld, die Kontaktnadeln messen die Spannung. (Bild: U. Bielefeld)
Neben der elektrischen Ladung besitzen Elektronen einen Eigendrehimpuls, der Spin genannt wird. Der Spin eines Elektrons erzeugt ein magnetisches Moment und beeinflusst den Spin der benachbarten Elektronen in einem Festkörper. In bestimmten Materialien lassen sich so magnetische Signale durch einen Festkörper schicken, ohne dass sich die Elektronen selbst bewegen. Weil hier keine elektrische Ladung wie beim elektrischen Strom transportiert, sondern der Spin als Information weitergegeben wird, nennt man den Vorgang Spinstrom. „Da die Elektronen sich nicht selber bewegen, entsteht bei der Signalweitergabe weniger Wärme – das ist ein Vorteil gegenüber elektrischem Strom“, sagt Daniel Meier von der Uni Bielefeld. Meier und seine Kollegen erzeugen reine Spinströme in magnetischen Materialien, die keinen elektrischen Strom leiten, also in magnetischen Isolatoren. Sie nutzen dazu dünne magnetische Schichten aus Nickelferrit oder Eisengranat.
„Genauso wie man in elektrisch leitenden Materialien mit elektrischem Strom eine elektrische Spannung aufbauen kann, lässt sich in magnetischen Isolatoren mit einem Spinstrom eine Spinspannung aufbauen, die Spinakkumulation“, beschreibt Timo Kuschel, ebenfalls Uni Bielefeld, die Parallele zwischen der klassischen Elektronik und der Spintronik. Kuschels Team hat in ihrem Experiment nun gezeigt, dass zwar thermische Spinströme durch Temperaturunterschiede erzeugt werden, Erklärung und Effekt dafür aber andere sind, als ursprünglich vermutet. „Allerdings ist der wahre Effekt ein sehr effektives Mittel, um thermische Spinströme zu erzeugen. Wir sind unseren japanischen Kollegen deshalb natürlich trotzdem dankbar für ihre Forschung, die weltweit das Gebiet der Spin-Kaloritronik erst ins Rollen gebracht hat“, sagt Günter Reiss, der die Arbeitsgruppe „Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen“ an der Uni Bielefeld leitet. Die Bielefelder Forscher kooperieren bei den Experimenten mit der Uni Regensburg, dem Walther-Meissner-Institut in Garching und dem Center for Materials for Information Technology in den USA.
Daneben beschäftigen sich die Forscher auch mit dem Nachweis von Spinakkumulationen und nutzen dazu Großforschungseinrichtungen wie das Deutsche Elektronen-Synchrotron in Hamburg. Die Röntgenstrahlung, die in diesen Elektronenspeicherringen erzeugt wird, ist um ein Vielfaches intensiver als die Röntgenquellen im Universitätslabor oder im Krankenhaus. Bisherige Experimente mit Röntgenstrahlung zum Nachweis von Spinakkumulationen waren nicht eindeutig. Darum haben die Forscher nach einer eindeutigen Messmethode gesucht. „Mit der magnetischen Röntgenreflektometrie haben wir eine Methode gefunden, die uns auch noch zusätzliche Informationen gegenüber den bisherigen Methoden liefern kann“, so Kuschel. „Die magnetische Röntgenreflektometrie ist eine recht junge Methode und wurde bisher im Bereich der Spin-Kaloritronik noch nicht eingesetzt.“
UB / RK