Elektronentomographie macht Kristallatome in 3D sichtbar
Goldnanopartikel mit einer Auflösung von 2,4 Ångström dreidimensional rekonstruiert.
Das Transmissionselektronenmikroskop (TEM) ermöglicht einen detaillierten Einblick in den atomaren Aufbau von Kristallen und Nanostrukturen. Dank aberrationskorrigierter Elektronenlinsen erreicht man mit dem TEM inzwischen Auflösungen von unter 0,5 Ångström oder 0,05 Nanometer. Die ungleich schwierigere tomographische Rekonstruktion der dreidimensionalen Anordnung aller Atome in einem Nanoteilchen ist bisher mit dem TEM noch nicht gelungen. Doch jetzt sind Forscher in Kalifornien diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen.
Abb.: Die Elektronentomographie macht die vier größten einkristallinen Körner in einem Goldnanoteilchen samt ihrer atomaren Struktur dreidimensional sichtbar. (Bild: M. C. Scott et al., Nature)
Jianwei Miao und seine Kollegen an der University of California in Los Angeles haben die atomare Struktur eines Goldnanoteilchens, das aus etwa 23.800 Atomen bestand, mit einem TEM tomographisch rekonstruiert und dabei eine Auflösung von 2,4 Ångström erreicht. Sie konnten unter anderem die polykristalline Struktur des Nanoteilchens aufzeigen, indem sie die größten in ihm enthaltenen Einkristalle und ihre Korngrenzen sichtbar machten.
Dies wurde möglich durch eine Kombination von verschiedenen Techniken. Zum einen setzten sie die annulare Dunkelfeld-Methode (ADF) ein, bei der mit einem ringförmigen Detektor nur solche Elektronen aufgefangen werden, die beim Durchgang durch die Materialprobe um einen relativ großen Winkel aus der Richtung des einfallenden Elektronenstrahls abgelenkt worden sind. Dies ergibt eine kontrastreiche Darstellung der Atome.
Zudem haben die Forscher ein besonderes tomographisches Verfahren angewendet: Sie befestigten eine 5 Nanometer dicke Siliziummembran, auf der mehrere Nanokristalle saßen, an einem drehbaren Probenhalter und brachten sie in den TEM-Strahl, der eine Energie von 300 Kiloelektronenvolt hatte. Zunächst fokussierten sie das Mikroskop auf einen der Kristalle, der dabei möglicherweise durch den Elektronenstrahl beschädigt wurde. Erst danach brachten sie jenen Kristall, den sie tomographisch untersuchen wollten, in den fokussierten Strahl. So hielten sie dessen Beschädigung so gering wie möglich.
Sie schwenkten dann den Probenhalter schrittweise um eine feste Achse und nahmen jeweils ein TEM-Bild auf. Dabei änderten sie die Ausrichtung der Probe nicht um eine konstante Winkeldifferenz, wie es sonst üblich ist, sondern um eine konstante Steigungsdifferenz. Anhand der aufgenommenen Projektionen konnten sie sicherstellen, dass die Probe auch tatsächlich mit großer Genauigkeit um eine feste Achse rotierte, wie es für eine atomgenaue tomographische Rekonstruktion erforderlich ist.
Die Forscher nahmen von dem Goldnanoteilchen 69 Projektionsbilder in einem Winkelbereich von ±72,6 Grad auf. Bei größeren Winkeln hätte sich der Probenhalter störend bemerkbar gemacht. Aus den Projektionen berechneten die Wissenschaftler ein dreidimensionales Bild der atomaren Struktur des Nanoteilchens. Auf den so gewonnen Schnittbildern des Kristalls waren in bestimmten Bereichen einzelne Atome zu erkennen. Hier betrug die Auflösung 2,4 Ångström. Doch in anderen Bereichen wurden die Atome nicht einzeln aufgelöst.
Miao und seine Mitarbeiter überprüften die Qualität ihres Verfahrens, indem sie von den aufgenommenen 69 Projektionen nur 68 für die dreidimensionale Rekonstruktion verwendeten. Daraus berechneten sie die „fehlende“ Projektion des Teilchen und verglichen sie mit dem aufgenommenen Projektionsbild: Beide stimmten hervorragend überein.
Anhand der Fouriertransformation der Kristallstruktur konnten die Forscher auch unterschiedlich orientierte einkristalline Bereiche im Nanoteilchen identifizieren. Durch Rücktransformation erhielten sie dreidimensionale Bilder dieser Kristallkörner und ihrer Grenzflächen.
Will man tomographische Aufnahmen mit noch höherer Auflösung herstellen, auf denen dann auch tatsächlich alle Atome aufgelöst sind, so muss man die aberrationskorrigierte TEM einsetzen. Damit könnte man nicht nur die dreidimensionale atomare Struktur von isolierten Nanoteilchen sondern auch von lokalen Bereichen in komplexen Nanostrukturen sichtbar machen.
Rainer Scharf
Weitere Infos
Weitere Literatur
PH