„Elektronische Nerven“ reagieren wie die echten
Physiker haben gezeigt, dass eine neue Sorte von mikroskopisch kleinen Elektronikbauteilen wesentliche Eigenschaften von natürlichen Nerven imitieren kann.
Memristoren gelten in der Elektrotechnik als neue Hoffnungsträger. Bauteile dieser Art bestehen zum Beispiel aus Drähten in Nanogröße. Diese Nanodrähte leiten Strom unterschiedlich stark. Wie gut sie leiten beziehungsweise wie stark ihr Widerstand ist, hängt unter anderem davon ab, wie stark der Strom war, der in der Vergangenheit durch sie geflossen ist und wie lange dieser Strom auf sie einwirken konnte: Ein Memristor lernt und merkt sich seine „Geschichte“ – und das auch dann, wenn der Strom abgeklemmt ist.
Abb.: Mikroskop-Aufnahmen einer Schaltung mit 17 Memristoren: Das Bauelement soll in Zukunft für die Speicherung und Verarbeitung von Daten genutzt werden. (Bild: J. J. Yang, HP Labs)
Das Bauteil funktioniert damit so ähnlich wie eine Synapse im menschlichen Gehirn, über die Nervenzellen miteinander in Kontakt treten. Auch diese „Brücke“ zwischen den Nervenzellen wird stärker, je öfter sie beansprucht wird: Wenn eine Nervenzelle eine andere Nervenzelle langandauernd und wiederholt erregt, dann verändert sich dadurch die Synapse und die Übertragung des Signals wird effizienter. Wissenschaftler wollen die Ähnlichkeit zwischen Synapsen und Memristoren zum Beispiel nutzen, um Computer zu konstruieren, die ähnlich schnell und stromsparend wie das menschliche Gehirn arbeiten.
Bisher war unklar, ob mit der Verstärkung des Signals im Memristor die Nervenzelle tatsächlich imitiert werden kann: Wie stark muss der Strom sein und wann muss er fließen, so dass sich die Leitfähigkeit des Memristors ändert? Ein erster Schritt zu solchen künstlichen neuronalen Netzen ist dem Bielefelder Experimentalphysiker Andy Thomas und seinen Mitarbeitern nun gelungen.
Eine Nervenzelle erregt eine andere Nervenzelle, indem sie einen schwachen Stromstoß – Spike genannt – an sie „abfeuert“. Die Bielefelder Forscherinnen und Forscher haben nun gezeigt, dass ein Spike eine bestimmte Zeit durch einen Memristor geleitet werden muss, damit sich die Leitfähigkeit ändert. Mit ihren Experimenten bestätigten die Wissenschaftler die Annahme, dass die Übertragungsstärke von Memristoren bei Synapsen von früheren Spikes abhängt.
Ihre Ergebnisse gingen aber noch über diesen Befund hinaus: Sie stellten nicht nur fest, dass Memristoren wie Synapsen reagieren können – sie fanden außerdem heraus, dass sie ähnliche Eigenschaften wie die feuernden Nervenzellen aufweisen. Demnach zeigt der elektrische Widerstand in den elektronischen Bauteilen einen Verlauf wie er in ähnlicher Form in Nervenzellen vorkommt. Den Forschern zufolge springt der Widerstand – entsprechend dem Verlauf in natürlichen Nervenzellen – zwischen zwei festen Werten hin und her.
U. Bielefeld / PH