07.10.2010

Elektrostatische Nanofalle

Mit einem neuartigen Mikrofluidik-Chip lassen sich einzelne nanometergroße Partikel, Plastikkügelchen oder Lipidvesikel ohne äußere Regelung stundenlang festhalten.

Mit einem neuartigen Mikrofluidik-Chip lassen sich einzelne nanometergroße Partikel, Plastikkügelchen oder Lipidvesikel ohne äußere Regelung stundenlang festhalten.

Es ist eine Kunst, einzelne Atome, Moleküle oder Nanopartikel einzufangen und in einer Falle für längere Zeit isoliert festzuhalten, sodass man ihre Eigenschaften eingehend untersuchen kann. Alle bisher entwickelten Verfahren – ob magneto-optische Fallen, Paul-Fallen oder optische Pinzetten – sind sehr aufwendig und nicht universell einsetzbar. Doch jetzt haben Forscher von der ETH Zürich einen Mikrofluidik-Chip entwickelt, der auf einfache Weise nanometergroße Objekte mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften elektrostatisch festhalten kann, und zwar bis zu mehreren Stunden.

Abb.: Negative Oberflächenladungen auf dem Nanoteilchen und der wasserbedeckten Chipoberfläche verursachen das elektrostatische Potential der Falle. (Bild: Nature)

Der von Forschern um Vahid Sandoghdar entwickelte Chip besteht aus einer lithographisch strukturierten Siliziumoxidschicht auf einem Siliziumsubstrat, die mit einem Glasplättchen abgedeckt ist. In die Schicht sind parallele Gräben gezogen, die 20 µm breit und 200 nm tief sind. Die Glasabdeckung macht diese Gräben zu mikrofluidischen Kanälen, durch die die Forscher wässrige Suspensionen von unterschiedlichen Nanopartikeln mit einer typischen Geschwindigkeit von 100 µm/s strömen ließen. In den Gräben waren kreisförmige Mulden von 100 nm Tiefe und 100-500 nm Durchmesser angebracht, in denen sich einzelne Nanoteilchen aus der Suspension fingen.

Die Bewegung der Teilchen in den Mulden beobachteten die Forscher mit optischen Methoden. Für die 20 nm großen Polystyrolkügelchen und die 50 nm großen Lipidvesikel, die beide fluoreszierten, setzten Sandoghdar und seine Kollegen Fluoreszenzmikroskopie ein. So konnten sie die Bewegung dieser Teilchen in der Chipebene verfolgen. Für 100 nm große Goldnanopartikel benutzten sie interferometrische Streuung. Dazu bestrahlten sie den Chip senkrecht durch die Glasplatte mit gebündeltem Licht, das entweder direkt vom Nanoteilchen zurückgeworfen oder von der Siliziumunterlage reflektiert wurde. Das zurückkommende Licht wurde von einer Kamera aufgefangen. Je nach dem Abstand des Teilchens von der Unterlage konnten das gestreute und das reflektierte Licht konstruktiv oder destruktiv interferieren. Dadurch war es möglich, anhand des Kamerabildes zusätzlich zur Position des Teilchens in der Chipebene auch seine Höhe über der Unterlage zu ermitteln.

Auf diese Weise fanden die Forscher heraus, dass die 100 nm großen Goldpartikel mehrere Stunden in den 500 nm weiten Mulden gefangen blieben, während sie aus den 200 nm großen Vertiefungen schon nach etwa einer Minute entwichen waren. Die Form und Tiefe des elektrostatischen Muldenpotentials, in dem das Teilchen gefangen war, konnten die Wissenschaftler anhand der aufgezeichneten Teilchentrajektorien rekonstruieren. Dabei zeigte es sich, dass das Potential empfindlich von der Ionenkonzentration der wässrigen Lösung abhing, in der sich die Goldteilchen befanden. Je höher der Salzgehalt der Lösung war, umso flacher war das Muldenpotential und umso schneller konnten die Partikel aus den Mulden entweichen. Ein ähnliches Verhalten zeigten auch die Plastikkügelchen und die Lipidvesikel.

Für ihre Beobachtungen geben die Forscher folgende Erklärung. In der wässrigen Lösung setzten sich negative Ladungen sowohl auf die Partikeloberfläche als auch auf die Oberfläche der Gräben, der Mulden und der Glasabdeckung. Die elektrostatische Abstoßung dieser Oberflächenladungen trieb das Teilchen in eine Mulde und hielt es dort fest. Allerdings wurden die Oberflächenladungen umso stärker von der wässrigen Lösung abgeschirmt, je höher die Ionenkonzentration in der Lösung war. Dies führt dazu, dass das elektrostatische Potential mit zunehmender Ionenkonzentration immer flacher wurde.

Durch eine Verringerung der Mulden- und Grabentiefe ließe sich dieser Verflachung des Potentials entgegenwirken. Dadurch könnte man vielleicht auch einzelne Biomoleküle einfangen und für längere Zeit festhalten, selbst wenn sie sich in einer Lösung mit hoher Ionenkonzentration befinden, wie dies für biologische Studien nötig ist. So könnte man auf dem Chip viele Proteine gleichzeitig festhalten und einzeln analysieren. Mit zusätzlichen elektrischen oder magnetischen Feldern sowie abgestimmtem Laserlicht könnte man dem Chip dann zusätzliche Funktionalität geben.

RAINER SCHARF


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