03.03.2015

ELISE erzielt Weltrekord

Energiereicher Teilchenstrahl soll ITER heizen.

Nach zwei Jahren Forschungsarbeit wurden im Teststand ELISE des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München jetzt Weltrekord-Werte erreicht: Im erstmals gelungenen Ein-Stunden-Betrieb wurde ein gepulster Teilchenstrahl bislang unerreichter Qualität erzeugt: baumstammdick, homogen, zeitlich stabil und dabei neun Ampere stark. Mit ELISE, der weltweit größten Testanlage ihrer Art, wird die Heizung entwickelt, die das Plasma des internationalen Fusionstestreaktors ITER auf viele Millionen Grad bringen soll. Kernstück ist eine im IPP entwickelte neuartige Hochfrequenz-Ionenquelle, die den energiereichen Teilchenstrahl erzeugt

Abb.: Per Wärmekamera aufgenommenes Bild des ELISE-Kalorimeters, das den Energieinhalt der erzeugten Teilchenstrahlen misst: Hier zeigt einer der Rekordstrahlen seine glühende Signatur. (Bild: IPP)

Die von dem internationalen Testreaktor ITER (lat.: der Weg) gestellte Aufgabe ist anspruchsvoll: Um das ITER-Plasma auf viele Millionen Grad Celsius aufzuheizen, sollen zwei energiereiche Teilchenstrahlen je 16,5 Megawatt Heizleistung in das 800 Kubikmeter große Plasmavolumen pumpen. Ungefähr türgroß wird der Querschnitt dieser Teilchenstrahlen sein – und damit die heute genutzten Strahlen, die mit etwa tellergroßem Querschnitt und deutlich kleinerer Leistung auskommen, weit hinter sich lassen.

Die Testanlage ITER, die zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit in Cadarache in Südfrankreich aufgebaut wird, soll zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich ist. Ähnlich wie die Sonne soll ein künftiges Fusionskraftwerk aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Der Brennstoff – ein Wasserstoffplasma – muss dazu berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. 500 Megawatt Fusionsleistung soll ITER erzeugen – zehnmal mehr, als zuvor zur Plasmaheizung aufgewendet wurde.

Diese Plasmaheizung wird etwa zur Hälfte die so genannte „Neutralteilchen-Heizung“ übernehmen: Schnelle Wasserstoffatome, die durch den Magnetfeldkäfig hindurch in das Plasma hineingeschossen werden, geben über Stöße ihre Energie an die Plasmateilchen ab. So bringen heutige Heizungen, zum Beispiel an der IPP-Fusionsanlage ASDEX Upgrade in Garching, das Plasma per Knopfdruck auf ein Mehrfaches der Sonnentemperatur. Die Großanlage ITER stellt jedoch erhöhte Anforderungen: Zum Beispiel müssen die Teilchenstrahlen viel dicker und die einzelnen Teilchen viel schneller sein als bisher, damit sie tief genug in das voluminöse Plasma eindringen können. Anstelle der bisher für die Produktion des Teilchenstrahls genutzten elektrisch positiv geladenen Ionen müssen daher negativ geladene Ionen verwendet werden, die extrem fragil sind. Die dazu im IPP entwickelte Hochfrequenz-Ionenquelle wurde als Prototyp in den ITER-Entwurf aufgenommen. Auch der Auftrag zur Anpassung an die ITER-Anforderungen ging Ende 2012 an das IPP.

Abb.: Offene Ionenquelle: nach rechts weggehoben sind die vier Hochfrequenztreiber, links blickt man auf das erste Beschleunigungsgitter. (Bild: IPP, Dirk Wünderlich)

Mit dem Teststand ELISE (Extraction from a Large Ion Source Experiment) wurde in den vergangenen zwei Jahren eine Quelle untersucht, die bereits halb so groß ist wie eine spätere ITER-Quelle. Sie erzeugt einen Teilchenstrahl von rund einem Quadratmeter Querschnittsfläche. Mit dem gewachsenen Format mussten die bisherigen technischen Lösungen für das Heizverfahren überarbeitet werden. Schritt für Schritt ist ELISE damit in neue Größenordnungen vorgedrungen. Kürzlich gelangen nun einstündige Betriebspulse der Ionenquelle, in denen alle drei Minuten für 20 Sekunden ein stabiler und homogener, rund neun Ampere starker Ionenstrahl erzeugt werden konnte. Der Gasdruck in der Quelle und die Menge der zurückgehaltenen Elektronen entsprachen den ITER-Vorgaben – kurz: Weltrekord.

Inzwischen wurde die Ionenquelle erstmals seit Betriebsbeginn wieder geöffnet: Nach der Reinigung der Quelle will man dann mit erhöhter Leistung die vollen Zielwerte erreichen. Das System in Originalgröße wird anschließend das italienische Fusionsinstitut der ENEA in Padua untersuchen und dabei mit dem IPP zusammenarbeiten. Zur Vorbereitung wird das italienische Team in den nächsten zwei Jahren in Garching trainiert, während zugleich die Entwicklung an ELISE weiterlaufen.

IPP / Isabella Milch / LK

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