22.03.2010

Endlich unsichtbar

Karlsruher Forscher realisieren erstmals dreidimensionale optische Tarnkappe.


Karlsruher Forscher realisieren erstmals dreidimensionale optische Tarnkappe.

Wer möchte nicht manchmal unter einer Tarnkappe verschwinden? Was für Harry Potter oder Siegfried in der Nibelungensage Standard ist, galt in der wirklichen Welt als unmöglich. Vor einigen Jahren eröffnete die Theorie der Transformationsoptik zumindest auf dem Papier einen Weg. Im Experiment wurden jedoch für den Bereich optischer Wellenlängen bisher nur Strukturen realisiert, die in zwei Dimensionen wirksam waren. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Imperial College in London präsentieren nun erstmals eine optische Tarnkappe für dreidimensionale Objekte.

Abb.: Im Elektronenmikroskop ist die eigentliche optische Tarnkappe unter der Wölbung im Goldfilm (gelbrot) erkennbar. (Colorierte REM-Aufnahme; Bild: CFN)

Tatsächlich ist das Objekt, das Martin Wegener und seine Arbeitsgruppe am DFG-Centrum für Funktionelle Nanostrukturen (CFN) des KIT scheinbar verschwinden lässt, lediglich eine kleine, ein Tausendstel Millimeter (Mikrometer) hohe Beule in einem dünnen Goldfilm. „Trotzdem ist das Ergebnis ein großer Fortschritt“, betont der Physiker. „Bisher beruhten Tarnkappen auf Wellenleitern, die praktisch zweidimensional sind. Sobald man jedoch aus der dritten Dimension auf die Struktur schaut, ist die Wirkung dahin.“

Den Durchbruch ermöglicht ein Verfahren, das die Wissenschaftler von wenigen Jahren am CFN entwickelt haben: Beim Direkten Laserschreiben (DLS) schreibt ein computergesteuerter, fokussierter Laserstrahl in einem Fotolack wie ein Stift in alle drei Raumrichtungen. „Damit produzieren wir 3D-Strukturen mit optischen Eigenschaften, die es in der Natur nicht gibt“, erläutert Wegeners Mitarbeiter Tolga Ergin. Diese Metamaterialien genannten Gebilde sehen wie Holzstapel aus. In der Nähe der kleinen Beule haben sie eine Region, in der sich der Brechungsindex für elektromagnetische Wellen im optischen Bereich kontinuierlich ändert. Dadurch werden Lichtwellen, die das gewölbte Objekt normalerweise seitlich reflektieren würde, so beeinflusst und umgelenkt, dass nur ein gleichförmiges Lichtsignal registriert wird. „Wir sehen quasi eine glatte Fläche ohne Beule“, so Nicolas Stenger, Mit-Autor der Arbeit. „Aber die Physik dahinter ist komplex. Die mathematischen Werkzeuge zur Berechnung ähneln denen der Einsteinschen Relativitätstheorie.“

Die Messung selbst erfolgt an einem experimentellen Aufbau, der einem gewöhnlichen optischen Mikroskop gleicht. Dabei funktioniert die optische Tarnkappe sogar besser als von den Wissenschaftlern erwartet, denn der Effekt zeigt sich über einen breites Wellenlängenspektrum von 1,5 bis 2,6 Mikrometer. „Das ist nicht der Bereich des sichtbaren Lichts“, räumt Wegener ein. „Diese Wellenlängen im nahen Infrarot sind jedoch für die Telekommunikation bedeutsam.“

Bereits vor vier Jahren hatten Wissenschaftler aus den USA und England ein erstes Unsichtbarkeits-Konstrukt vorgestellt: Sie hatten einen zwölf Zentimeter messenden Ring aus mehreren Lagen Kupferdraht und Glasfaserfolien konstruiert, der auftreffende Mikrowellenstrahlung um sich herumführte - und im Schnittbild so aussah, als sei er gar nicht vorhanden. Die Technologie funktionierte allerdings nur zweidimensional und weitab von optischen Wellenlängen - was gleichzeitig bedeutet, dass die Tarnkappe aus der dritten Dimension heraus betrachtet sofort ihre Wirkung einbüßt. «Wir hatten in Karlsruhe die technischen Möglichkeiten, die Theorie in drei Dimensionen umzusetzen und eine frei stehende Struktur zu erzeugen», sagte Stenger.

An einem schnellen Nutzen der «Tarnkappen» zum Beispiel für die Rüstungsindustrie haben die Wissenschaftler kein Interesse. «Es wäre derzeit sowieso völlig unmöglich, einen Menschen oder einen Panzer unter solch einem Umhang zu verstecken», sagte Stenger. Allein der Aufbau der Karlsruher «Kappe» im Maßstab von einem hundert Millionstel Meter koste mehrere Stunden Zeit - und das Verfahren zu skalieren ist nicht so ohne weiteres möglich. «Die physikalische Grundlagenforschung, die wir hier betreiben, dient dazu Konzepte der Transformationsoptik zu demonstrieren ­ wenn auch an einem zugegebenermaßen faszinierenden Objekt», sagte Ergin.

Karlsruher Institut für Technologie / DPA


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