07.08.2018

Energie speichern mit Stickstoffketten

Spezielle Nitrid-Verbindungen besitzen eine ungewöhnlich hohe Energiedichte.

Ein inter­nationales Forschungs­team unter der Leitung von Wissen­schaftlern der Univer­sität Bayreuth hat erstmals chemische Verbindungen hergestellt, die Polymer­ketten enthalten, die nur aus Stickstoff aufgebaut sind. Derartige Nitride besitzen eine unge­wöhnlich hohe Energie­dichte und eröffnen damit ganz neue Perspek­tiven für künftige Techno­logien der Speicherung und Übertragung von Energie. Bei der Synthese der Stickstoff­verbindungen kamen Techno­logien der Hochdruck- und Hochtemperatur­forschung zum Einsatz, die an der Universität Bayreuth entwickelt worden sind.

Abb.: Kristallstruktur von ReN8·x N2: Diese Stickstoffverbindung eröffnet neue Möglichkeiten für die Energiespeicherung. (Bild: M. Bykov)

Nitride bilden eine für die Forschung hoch­interessante Klasse anor­ganischer Materialien, weil sie oft heraus­ragende physikalische und chemische Eigen­schaften besitzen. So zeichnen sich Übergangsmetall­nitride in vielen Fällen durch eine außer­ordentliche Härte, hohe Schmelzpunkte und eine unge­wöhnliche Stabilität aus. Derartige Stickstoff­verbindungen zu synthe­tisieren, ist allerdings sehr schwierig. Unter normalen Umgebungs­bedingungen kommt Stickstoff haupt­sächlich als zwei­atomiges Gas vor, das nur mit wenigen anderen Elementen chemische Verbindungen eingeht. Die größte Hürde bei der Herstellung stickstoff­reicher Verbindungen besteht darin, dass die zwei Stickstoff­atome N2 durch eine Dreifach­bindung verknüpft sind, die unter außer­gewöhnlich hohen Temperaturen aufgebrochen werden muss. Wie hoch, hängt im Einzelfall von der jeweiligen stickstoff­haltigen Verbindung ab, die synthe­tisiert werden soll.

Die Bayreuther Wissen­schaftler haben diese Hürde jetzt erstmals überwinden können. Mit Techno­logien der Hochdruck­forschung haben sie eine Versuchs­umgebung geschaffen, in der sich die Synthese stickstoff­reicher Verbin­dungen gezielt steuern lässt. In einer mit Stickstoff gefüllten Diamant­stempelzelle wurde pulver­förmiges Eisen und in einer weiteren Versuchsreihe pulver­förmiges Rhenium einem Druck von mehr als einer Million Atmo­sphären ausgesetzt. Zugleich wurden diese Material­proben durch einen Laser­heizer auf rund 1500 Grad Celsius erhitzt. Anhand von Röntgenbeugungs­mustern haben die Wissen­schaftler beobachtet, wie unter diesen Bedingungen ungewöhn­liche Verbin­dungen entstehen.

Aus Eisenpulver und Stickstoff bildet sich in der Diamantstempel­zelle das Eisennitrid FeN4 Es zeichnet sich durch Ketten von Stickstoff­atomen aus, in denen sich Doppel- und Einfach­bindungen zwischen Stickstoff­atomen abwechseln. Aus Rhenium und Stickstoff entwickelt sich hingegen eine sehr ungewöhn­liche Verbindung mit der Summen­formel ReN8·x N2. Dieser Poly­nitrid besitzt nicht nur Polymer­ketten, die allein aus Stickstoff aufgebaut sind. Er enthält darüber hinaus Kanäle, in denen sich N2-Moleküle einnisten, ohne dass es dabei zu starken Wechsel­wirkungen zwischen diesen Gast-Molekülen und der aus ReNbestehenden Rahmen­struktur kommt. Die beiden Verbin­dungen repräsen­tieren eine neue Klasse von Stickstoff­verbindungen: Metall-Stickstoff-Gerüste.

Diese Stickstoff­verbindungen sind im Hinblick auf die künftige Energie­forschung und Energie­technologie vor allem deshalb von großem Interesse, weil sie eine hohe Energiedichte aufweisen. So ist die Energie­dichte von ReN8·x N2 um ein Vielfaches höher als die Energiedichte des Spreng­stoffs TNT (Trinitro­toluol). „Die Forschungs­ergebnisse, die wir jetzt in enger inter­nationaler Kooperation erzielt haben, könnten sehr bald schon zum Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Materialien werden, die einen entschei­denden Beitrag zur Energie­versorgung der Zukunft leisten. Denn der Anteil erneuer­barer Energien wird sich nur signifikant steigern lassen, wenn es gelingt, hinreichend hohe und zugleich flexible Speicher­kapazitäten zu schaffen“, erklärt Leonid Dubro­vinsky vom Bayerischen Geo­institut der Universität Bayreuth, der an den neuen Studien maßgeb­lich beteiligt war.

U. Bayreuth / JOL

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