Energie speichern mit Stickstoffketten
Spezielle Nitrid-Verbindungen besitzen eine ungewöhnlich hohe Energiedichte.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Bayreuth hat erstmals chemische Verbindungen hergestellt, die Polymerketten enthalten, die nur aus Stickstoff aufgebaut sind. Derartige Nitride besitzen eine ungewöhnlich hohe Energiedichte und eröffnen damit ganz neue Perspektiven für künftige Technologien der Speicherung und Übertragung von Energie. Bei der Synthese der Stickstoffverbindungen kamen Technologien der Hochdruck- und Hochtemperaturforschung zum Einsatz, die an der Universität Bayreuth entwickelt worden sind.
Abb.: Kristallstruktur von ReN8·x N2: Diese Stickstoffverbindung eröffnet neue Möglichkeiten für die Energiespeicherung. (Bild: M. Bykov)
Nitride bilden eine für die Forschung hochinteressante Klasse anorganischer Materialien, weil sie oft herausragende physikalische und chemische Eigenschaften besitzen. So zeichnen sich Übergangsmetallnitride in vielen Fällen durch eine außerordentliche Härte, hohe Schmelzpunkte und eine ungewöhnliche Stabilität aus. Derartige Stickstoffverbindungen zu synthetisieren, ist allerdings sehr schwierig. Unter normalen Umgebungsbedingungen kommt Stickstoff hauptsächlich als zweiatomiges Gas vor, das nur mit wenigen anderen Elementen chemische Verbindungen eingeht. Die größte Hürde bei der Herstellung stickstoffreicher Verbindungen besteht darin, dass die zwei Stickstoffatome N2 durch eine Dreifachbindung verknüpft sind, die unter außergewöhnlich hohen Temperaturen aufgebrochen werden muss. Wie hoch, hängt im Einzelfall von der jeweiligen stickstoffhaltigen Verbindung ab, die synthetisiert werden soll.
Die Bayreuther Wissenschaftler haben diese Hürde jetzt erstmals überwinden können. Mit Technologien der Hochdruckforschung haben sie eine Versuchsumgebung geschaffen, in der sich die Synthese stickstoffreicher Verbindungen gezielt steuern lässt. In einer mit Stickstoff gefüllten Diamantstempelzelle wurde pulverförmiges Eisen und in einer weiteren Versuchsreihe pulverförmiges Rhenium einem Druck von mehr als einer Million Atmosphären ausgesetzt. Zugleich wurden diese Materialproben durch einen Laserheizer auf rund 1500 Grad Celsius erhitzt. Anhand von Röntgenbeugungsmustern haben die Wissenschaftler beobachtet, wie unter diesen Bedingungen ungewöhnliche Verbindungen entstehen.
Aus Eisenpulver und Stickstoff bildet sich in der Diamantstempelzelle das Eisennitrid FeN4 Es zeichnet sich durch Ketten von Stickstoffatomen aus, in denen sich Doppel- und Einfachbindungen zwischen Stickstoffatomen abwechseln. Aus Rhenium und Stickstoff entwickelt sich hingegen eine sehr ungewöhnliche Verbindung mit der Summenformel ReN8·x N2. Dieser Polynitrid besitzt nicht nur Polymerketten, die allein aus Stickstoff aufgebaut sind. Er enthält darüber hinaus Kanäle, in denen sich N2-Moleküle einnisten, ohne dass es dabei zu starken Wechselwirkungen zwischen diesen Gast-Molekülen und der aus ReN8 bestehenden Rahmenstruktur kommt. Die beiden Verbindungen repräsentieren eine neue Klasse von Stickstoffverbindungen: Metall-Stickstoff-Gerüste.
Diese Stickstoffverbindungen sind im Hinblick auf die künftige Energieforschung und Energietechnologie vor allem deshalb von großem Interesse, weil sie eine hohe Energiedichte aufweisen. So ist die Energiedichte von ReN8·x N2 um ein Vielfaches höher als die Energiedichte des Sprengstoffs TNT (Trinitrotoluol). „Die Forschungsergebnisse, die wir jetzt in enger internationaler Kooperation erzielt haben, könnten sehr bald schon zum Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Materialien werden, die einen entscheidenden Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten. Denn der Anteil erneuerbarer Energien wird sich nur signifikant steigern lassen, wenn es gelingt, hinreichend hohe und zugleich flexible Speicherkapazitäten zu schaffen“, erklärt Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth, der an den neuen Studien maßgeblich beteiligt war.
U. Bayreuth / JOL