Entgegen der Lehrmeinung: Antiferromagneten für dissipationslose Nanoelektronik geeignet
Hall-Effekt in einem Antiferromagneten entdeckt.
Mitunter rufen Kombinationen verschiedener Dinge Effekte hervor, mit denen niemand rechnet: Etwa, wenn gänzlich neue Eigenschaften auftauchen, die die beiden kombinierten Teile nicht haben. Eine solche unerwartete Eigenschaft fand Libor Šmejkal von der Uni Mainz. Er kombinierte antiferromagnetische Stoffe mit nichtmagnetischen Atomen – und stellte fest, dass entgegen der Lehrmeinung ein Hall-Strom auftritt, was einzeln weder bei antiferromagnetischen noch bei nichtmagnetischen Stoffen der Fall ist.
Das könnte vollkommen neue Potenziale für die Nanoelektronik bieten. Denn zum einen treten diese Materialkombinationen in der Natur sehr häufig auf – die Entdeckung hat daher das Potenzial, die wachsende Nachfrage in der konventionellen Magnetelektronik nach seltenen schweren Elementen umzukehren und stattdessen die Forschung und Anwendungen auf reichlich vorhandene Materialien zu lenken. Der Hall-Strom weist zudem eine geringe Energiedissipation auf. Das ist insbesondere wichtig vor dem Hintergrund, dass die Informationstechnologien zum größten Energieverbraucher werden.
Da die Materialien nach außen hin kein Magnetfeld aufweisen, also magnetisch unsichtbar sind, können sie sehr dicht gepackt werden und erlauben einen hohen Miniaturisierungsgrad von Nanoelektronik. Auch hinsichtlich der Geschwindigkeit punkten diese zuvor übersehenen Materialien: Sie ist um ein Vielfaches größer als bei den Ferromagneten, die Frequenzen könnten daher vom Gigahertz-Bereich in den Terahertz-Bereich verschoben werden. Kurzum: Die Entdeckung hat einen besonderen Platz auf dem schnell wachsenden neuen Gebiet der Spintronik.
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass nichtmagnetische und antiferromagnetische Kristalle keine Hall-Ströme aufweisen. Doch Šmejkal fand einen Kristall mit einer faszinierenden Kombination von nichtmagnetischen und antiferromagnetischen Atomen, die einen starken Hall-Strom erzeugen. Bemerkenswerterweise sind Kristalle mit antiferromagnetischen und nichtmagnetischen Atomen keine Seltenheit in der Natur, sondern weit verbreitet.
JGU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. Šmejkal et al.: Crystal time-reversal symmetry breaking and spontaneous Hall effect in collinear antiferromagnets, Sci. Adv. 6, eaaz8809 (2020); DOI: 10.1126/sciadv.aaz8809 - Interdisciplinary Spintronics Research Group, Institut für Physik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz