17.09.2008

Entspiegelt wie ein Mottenauge

Eine Beschichtung für optische Materialien imitiert die Oberflächenstruktur von Mottenaugen und vermeidet so Lichtverluste durch Reflexion.

Eine Beschichtung für optische Materialien imitiert die Oberflächenstruktur von Mottenaugen und vermeidet so Lichtverluste durch Reflexion.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Metallforschung in Stuttgart haben die Oberflächen von Mottenaugen ins Visier genommen. Die Struktur dieser entspiegelten Oberflächen schützt die kleinen Nachtfalter davor, von Feinden entdeckt zu werden - und auf die Wissenschaftler um Joachim Spatz wirkten sie inspirierend. Zusammen mit Robert Brunner von der Carl Zeiss AG haben die Max-Planck-Forscher die biologischen Strukturen der Mottenaugen auf optische Materialien übertragen. Mit diesem neuen Verfahren sollen demnächst Oberflächen optischer Materialien entspiegelt werden, damit weniger Licht verloren geht: Derart präparierte Solarzellen könnten mehr Sonnenlicht sammeln, und auch moderne Lithografie- und Mikroskopieverfahren ließen sich wesentlich effizienter gestalten.  

Motten finden in der Dämmerung Nahrung und erkennen Fressfeinde, ohne sich dabei selbst durch einen Reflex auf ihren Facettenaugen zu verraten. Diesen evolutionären Vorteil haben die kleinen Nachtfalter dem periodischen Muster auf ihren Augen zu verdanken: Nanoskopisch kleine, säulenförmige Ausstülpungen, kleiner als die Wellenlänge des Lichts, bilden diese Struktur und sorgen für einen kontinuierlichen Übergang zwischen den Brechungsindices der Luft und der Hornhaut - die Spiegelung von Licht wird reduziert und die Motte bleibt unentdeckt.

Abb.: Mit den Noppen von Motten: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der Augenoberfläche einer dämmerungsaktiven Motte (obere Reihe). Künstliche Mottenaugenstrukturen können in Quarzglas erzeugt werden (untere Reihe). Nanoskopisch große Ausstülpungen führen zu den entspiegelnden Eigenschaften der Mottenaugen. (Bild: Max-Planck-Institut für Metallforschung)

Muster aus Goldpartikeln
Auch in der Wissenschaft ist solch eine Lichtreflexion an Grenzflächen, wie zum Beispiel in einem Mikroskop, unerwünscht, weil dabei Licht verloren geht. Um Grenzflächen herzustellen, die das vermeiden, ahmte das Team der Abteilung Neue Materialien und Biosysteme des Max-Planck-Instituts für Metallforschung die Oberflächenstruktur der Mottenaugen nach. Die Forscher entwickelten ein Verfahren, in dem Glas- und Quarzsubstrate mit Nanopartikeln dekoriert und anschließend durch ein Ionenplasma geätzt werden.

"Die so hergestellten Grenzflächen wirken über einen großen Teil des optischen Spektrums und ziemlich unabhängig vom Einfallswinkel antireflektierend, ohne dabei Licht zu absorbieren und reduzieren daher den Verlust von Licht beim Durchgang durch eine optische Linse", erklärt Spatz.

Zunächst lösen die Forscher Polymere in Toluol, sodass diese kleine Kugeln formen. Anschließend geben sie Goldsalze zu dem Gemisch, die sich dann in den Kugeln einlagern. Sobald die Wissenschaftler nun eine Linse aus Quarzglas in die Flüssigkeit tauchen, scheiden sich die goldgefüllten Polymerkugeln auf deren Oberfläche ab. Mithilfe eines Wasserstoffplasmas entfernen sie dann die organischen Hüllen der Kugeln, sodass sich ein dichtes Muster aus ungefähr sieben Nanometer großen Goldpartikeln auf der Linsenoberfläche bildet. "Diese dienen dann in einem zweiten Schritt als Schattenmaske beim Plasmaätzen der Mottenaugenstrukturen in die optische Grenzfläche", erklärt Spatz. Die Goldpartikel werden bei diesem Prozess immer kleiner, bis sie schließlich vollständig aufgebraucht sind. Die winzigen Säulen, die unter den Goldpartikeln stehen geblieben sind, schaffen nun einen kontinuierlichen Übergang zwischen den beiden Medien Luft und Glas: Eine Reflexion des Lichts wird deutlich reduziert.

Licht geht verloren
Bei gewöhnlichen Grenzflächen, an denen Luft und Glas zusammenkommt, strahlt ein merklicher Teil des einfallenden Lichts dagegen zurück - etwa vier Prozent Lichts gehen so verloren. Denn die Brechungsindices der beiden Medien Glas und Luft sind verschieden; Luft ist im Vergleich zu den Glasscheiben das optisch dünnere Medium. Die Folge: Wenn Licht die Grenze passiert, an der sich der Brechungsindex sprunghaft ändert, wird ein Teil reflektiert. Glasscheiben beziehungsweise -linsen sind also nur scheinbar völlig transparent.

In modernen Lithographie- und Mikroskopieverfahren verschärft sich das Problem, da das Licht dabei mehrere Linsen hintereinander durchläuft und sich die Verluste addieren. Um solch eine Reflexion zu verhindern, werden bislang Antireflexbeschichtungen eingesetzt, wodurch sich beispielsweise einfallendes und reflektiertes Licht durch Interferenz, also durch Überlagerung der Lichtwellen, gegenseitig auslöscht: Das reflektierte Licht geht dabei trotzdem verloren.

Die Effizienz solcher Schichtsysteme ist stark von der Schichtdicke und dem Einfallswinkel des Lichts abhängig. Zudem ist ihre Herstellung kompliziert und teuer. Vor allem für moderne Lasersysteme mit Wellenlängen im UV-Bereich und hohen Laserenergien gibt es kaum Materialien, die sich für Beschichtungen eignen. Und wenn, haften sie schlecht und sind mechanisch nicht besonders stabil.

Hohes Anwendungspotenzial
Anders bei dem neuen Verfahren der Max-Planck-Forscher: "Abhängig vom Material können kostengünstig und unkompliziert Muster aus pyramidalen und hohlen, säulenartigen Strukturen, ähnlich dem biologischen Vorbild, hergestellt werden", fasst Spatz die Forschungsergebnisse seiner Gruppe zusammen, welche sie in Zusammenarbeit mit der Carl Zeiss AG erarbeitet haben.

Der Wissenschaftler erwartet, dass dieses neue Verfahren schon bald in der Optik, Display- und Solartechnologie angewendet werden kann. "Auf diese Weise können reflexarme Bildschirme, Displays, Brillengläser und Glasscheiben, beispielsweise beim Auto oder in Gebäuden, hergestellt werden", sagt Spatz. Außerdem ließe sich durch dieses Verfahren mehr Licht in Solarzellen leiten. Mikroskope sowie Lithografieverfahren könnten lichtstärker und damit leistungsfähiger gestaltet werden.

Quelle: MPG [CK / PH]

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