Entstehung eines starken kosmischen Jets beobachtet
Helixförmige Filamente nahe am Ursprung des Jets machen neue theoretische Modelle erforderlich.
Mithilfe eines Verbunds von Radioteleskopen auf der Erde und im Weltraum haben Astronomen das bisher detaillierteste Bild eines Plasma-Jets aufgenommen, der aus der direkten Umgebung eines supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum einer weit entfernten Galaxie herausschießt. Der Teilchenstrahl aus dem Zentrum des Blazars 3C 279 bewegt sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit und zeigt in der Nähe seines Ursprungs komplexe, in sich verdrehte Muster. Diese Muster stellen die seit vierzig Jahren etablierte Theorie in Frage, die verwendet wird, um zu erklären, wie diese Jets entstehen und wie sie sich mit der Zeit verändern. Ein wesentlicher Beitrag zu den Beobachtungen kommt vom MPI für Radioastronomie in Bonn, wo die Daten aller beteiligten Teleskope zu einem virtuellen Teleskop mit einem effektiven Durchmesser von etwa hunderttausend Kilometern kombiniert wurden.
Blazare gehören zu einem kleinen Teil der Quasare, bei denen Jets fast direkt auf den Beobachter gerichtet sind. Kürzlich hat ein Forscherteam unter Beteiligung des MPI für Radioastronomie den innersten Bereich des Jets im Blazar 3C 279 mit einer noch nie dagewesenen Winkelauflösung abgebildet und dabei bemerkenswert regelmäßige Filamente entdeckt, die eine Korrektur der bisher verwendeten theoretischen Modelle erforderlich machen könnten, die erklären, durch welche Prozesse die Jets in aktiven Galaxien erzeugt werden.
„Dank der Weltraummission RadioAstron, bei der das Radioteleskop in der Erdumlaufbahn Entfernungen bis zum Mond erreichte, in Verbindung mit einem Netzwerk von dreiundzwanzig über die Erde verteilten Radioteleskopen, haben wir das bisher höchstaufgelöste Bild vom Inneren eines Blazars erhalten, dass es uns ermöglicht, die innere Struktur des Jets zum ersten Mal so detailliert zu beobachten“, erklärt Antonio Fuentes vom Institut für Astrophysik von Andalusien in Spanien, der die Arbeit leitete.
Der Jet besteht aus mindestens zwei miteinander verdrillten Plasmasträngen, die sich über mehr als 570 Lichtjahre vom zentralen schwarzen Loch aus ins All erstrecken. „Das ist das erste Mal, dass wir solche Filamente so nahe am Ursprung des Jets gesehen haben, und sie verraten uns mehr darüber, wie das schwarze Loch das Plasma formt. Der innere Jet wurde auch von zwei anderen Teleskopnetzwerken, dem Global mm-VLBI Array und dem Event-Horizon-Teleskop, bei viel kürzeren Wellenlängen beobachtet, aber sie waren nicht in der Lage, die filamentartigen Formen zu erkennen, weil sie zu schwach in der Strahlung und zu ausgedehnt für diese Auflösung waren“, sagt Eduardo Ros, Mitglied des Forschungsteams und europäischer Planer für das GMVA. „Das zeigt, wie verschiedene Teleskope unterschiedliche Merkmale desselben Objekts aufdecken können.“
Die Plasmastrahlen, die von Blazaren ausgehen, sind nicht wirklich geradlinig und gleichmäßig. Sie weisen Drehungen und Wendungen auf, die zeigen, wie das Plasma durch die Kräfte um das schwarze Loch herum beeinflusst wird. Die Astronomen, die diese Drehungen in 3C 279 untersuchten, fanden heraus, dass sie durch Instabilitäten verursacht werden, die sich im Plasma-Jet entwickeln. Dabei stellten sie auch fest, dass die bisherige Theorie, um zu erklären, wie sich die Jets im Laufe der Zeit verändern, nicht mehr funktioniert. Daher werden neue theoretische Modelle benötigt, die zeigen, wie sich helixförmigen Filamente so nahe am Ursprung des Jets bilden und entwickeln können. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance, mehr über diese erstaunlichen kosmischen Phänomene zu erfahren.
„Ein besonders faszinierender Aspekt unserer Ergebnisse ist, dass sie auf das Vorhandensein eines spiralförmigen Magnetfelds hindeuten, das den Jet einschließt“, sagt Guang-Yao Zhao, derzeit am MPI für Radioastronomie. „Es könnte also das Magnetfeld sein, das sich im Uhrzeigersinn um den Jet in 3C 279 dreht, mit dem das Plasma des Jets, das sich mit 0,997-facher Lichtgeschwindigkeit bewegt, gelenkt und geleitet wird.“
„Ähnliche spiralförmige Filamente wurden schon früher in extragalaktischen Jets beobachtet, allerdings auf viel größerer Skala, wo man annimmt, dass sie aus verschiedenen Teilen der Strömung resultieren, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen und gegeneinander scheren“, fügt Andrei Lobanov vom MPI für Radioastronomie hinzu. „Mit dieser Studie betreten wir ein völlig neues Terrain, in dem diese Filamente tatsächlich mit den kompliziertesten Prozessen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs, das den Jet erzeugt, in Verbindung gebracht werden können.“
Die Untersuchung des zentralen Jets in 3C 279 erweitert die laufenden Bemühungen um ein besseres Verständnis der Rolle von Magnetfeldern bei der ursprünglichen Bildung relativistischer Ausströmungen aus aktiven galaktischen Kernen. Sie unterstreicht die zahlreichen verbleibenden Herausforderungen für die theoretische Modellierung dieser Prozesse und zeigt die Notwendigkeit einer weiteren Verbesserung der radioastronomischen Instrumente und Techniken, die die einzigartige Möglichkeit bieten, entfernte kosmische Objekte mit einer Rekord-Winkelauflösung abzubilden.
MPIfR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Fuentes et al.: Filamentary structures as the origin of blazar jet radio variability, Nat. Astron., online 26. Oktober 2023; DOI: 10.1038/s41550-023-02105-7 - Radioastronomie / VLBI, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
- Instituto de Astrofísica de Andalucía, Granada, Spanien