27.04.2022

Erdbebenrisiken besser ermitteln

Geophysikalisches Verfahren spürt neotektonische Aktivität im Untergrund auf.

Forschende des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) und der Leibniz Universität Hannover (LUH) haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie den Zusammenhang zwischen kleinen Deformations­strukturen an der Oberfläche und der neotek­tonischen Aktivität verdeckter Verwerfungen im Untergrund nachweisen können. Selbst aseismische Kriech­aktivitäten werden so ermittelt. Verdeckte Verwerfungen haben ein hohes seismisches Gefährdungs­potenzial. Der Ansatz deckt den großen Bedarf an einem robusten geolo­gischen Indikator und soll die Ausweisung in bestehenden Gefährdungs­karten unterstützen. 

Abb.: Scherapparat zur Simulation der Entstehung von Disaggregations­bändern....
Abb.: Scherapparat zur Simulation der Entstehung von Disaggregations­bändern. (Bild: A.-M. Pogoda-Dorsch, LIAG)

Die Forschenden untersuchten Disaggregations­bänder, also zentimeterdicke Zonen deformierter Sedimente, in Aufschlüssen oberhalb von bekannten Verwerfungen in Deutschland und Dänemark. Diese Bänder entstehen ähnlich wie Verwerfungen im festen Untergrund, allerdings in oberflächen­nahen, sandigen Locker­sedimenten und sind damit vergleichsweise leicht zugänglich. Die Forschenden stellten fest, dass diese Disaggregations­bänder im direkten Zusammenhang mit neotektonischer Aktivität an Verwerfungen im Untergrund stehen können. Dies ist ein wichtiger Schritt für die neotektonische Gefährdungs­analyse. Zudem gab es bislang noch keine robusten Indikatoren, um Kriech­bewegungen, die beispielsweise vor einigen tausend Jahren stattgefunden haben, nachzuweisen. Kriechende Verwerfungen stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie trotz ihrer aktuellen aseis­mischen Phase in der Zukunft durchaus wieder Erdbeben erzeugen können. 

„Verdeckte Verwerfungen können besonders große Folgen haben, da sie oft unbekannt sind und Erdbeben überraschend auftreten“, sagt Christian Brandes von der LUH. „Es gibt noch viele verdeckte Verwerfungen, deren Position und Aktivität bisher nicht genau bestimmt werden konnte – denn das Erfassen speziell von kriechenden Verwerfungen war bis jetzt nur mit Hilfe von dauer­haften Beobachtungen an der Oberfläche möglich.“ David Colin Tanner vom Leibniz-Instituts für Ange­wandte Geophysik ergänzt: „Oft wird nur dort gezielt beobachtet, wo Erdbeben bereits aufgetreten sind. Es gibt aber beispielsweise in Norddeutschland auch Spannungen im Untergrund, die durch das Abschmelzen der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit verursacht wurden und zu einer noch andauernden, aber oft unter­schätzten Aktivitäts­phase von Verwerfungen geführt haben. Zukünftige Analysen zum Gefahren­potenzial bekannter Störungen müssten die neuen Erkenntnisse berücksichtigen.“

Mit Hilfe eines Scher­apparats simulierten die Forschenden die Entstehung der Disaggregations­bänder und konnten die Erkenntnisse auf die Aktivität von verdeckten Verwerfungen im Untergrund übertragen. Zudem wurden die Disaggregations­bänder auf kleinster Skala im Labor analysiert. Mithilfe von Computertomographie hat die Geophysik zudem im Rahmen der Grundlagen­forschung wichtige Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Porositätsverteilung geliefert. Diese Grundlagen­forschung ist auch unter anderen Gesichts­punkten wichtig: Vergleich­bare Bänder können im Festgestein einen Einfluss auf das Förderpotenzial von geo­thermischer Energie oder von Gas- und Öllager­stätten haben. 

Ihr neues Verfahren werden die Forschenden zukünftig in Kombination mit weiteren geologischen und geophysi­kalischen Methoden zur gesamt­heitlichen Erfassung von Störungsaktivitäten verfeinern. So zum Beispiel in einem von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft geförderten Projekt an einer aktiven Verwerfung in Neuseeland. Seit über zehn Jahren versuchen die Kooperationspartner Forschungs­verfahren und -methoden zu verbessern und damit Prognosen für das Gefährdungs­potenzial zu schaffen. 

LIAG / JOL

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