30.04.2020

Erdplatten im Rückwärtsgang

Ungewöhnliche Bodenbewegungen gingen zwei der größten Erdbeben der Geschichte voraus.

Eine bisher nicht bekannte Umkehrung der Boden­bewegungen ging zwei der größten Erdbeben der Geschichte voraus. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie unter der Leitung von Jonathan Bedford vom Deutschen Geoforschungs­zentrum GFZ in Potsdam. Zusammen mit einem internationalen Team von Forschern aus dem GFZ, der FU Berlin, Chile und den USA untersuchte er in Chile und Japan aufgezeichnete GNSS-Signale. Globale Navigations­satellitensysteme (GNSS) vermessen unter anderem auch fest installierte Boden­stationen hoch präzise. Das Team analysierte die Bewegung von GNSS-Stationen vor dem großen Maule-Beben 2010 (Magnitude 8,8) und dem Tohoku-oki-Erdbeben 2011 (Magnitude 9,0), das zu einem ver­heerenden Tsunami und der Kernschmelze von Fukushima führte. 

Abb.: Japan weist eine enorme Dichte von GNSS-Stationen auf. In Chile ist die...
Abb.: Japan weist eine enorme Dichte von GNSS-Stationen auf. In Chile ist die Dichte geringer. (Bild: Bedford et al., NPG)

Aufgrund von modernsten geo­dätischen Analysen berichtet das Team über einen ausgedehnten, rund tausend Kilometer großen Bereich der Erdober­fläche nahe der Platten­grenze, der sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten direkt vor den beiden Erdbeben auffällig bewegte. Beide Beben ereigneten sich am pazifischen Feuerring, wo ozeanische Erdkruste unter die kontinentale Kruste in einer Subduktions­zone abtaucht. GNSS-Satelliten beobachten in Japan ein dichtes Netz von perma­nenten Stationen mit so hoher Präzision, dass die Forscher verfolgen können, wie schnell und in welche Richtung sich der Boden bewegt.

In Chile ist das Netz nicht so dicht, vermisst aber immer noch den größten Teil der sich verformenden Kontinental­platte. Normaler­weise entfernen sich die Stationen an Land immer ein wenig vom Subduktions­graben, da die Kontinental­kruste zusammen­gedrückt und damit verkürzt wird. Bei der Untersuchung der Zeitreihe der GNSS-Signale fanden die Forscher jedoch eine Richtungs­umkehr: Plötzlich bewegten sich die Stationen in Richtung Subduktions­graben, also in Richtung offener Ozean, und kehrten dann ihre Richtung wieder in ihre normale Bewegung um. Sehr kurz nach dieser zweiten Umkehrung kam es zum Bruch im Untergrund mit den gewaltigen Erdbeben.  

Mit Hilfe einfacher Modelle und anhand sehr gut erforschter geolo­gischer Rand­bedingungen schlagen die Forscher vor, dass diese Umkehrungen Perioden einer verstärkten Zugkraft anzeigen, hervor­gerufen durch rasche Veränderungen der Zusammen­setzung der ozeanischen Platte während ihrer Subduktion: Das abtauchende Ende der Platte wird stark verdichtet und somit schwerer. Die Folge ist, dass diese Perioden verstärkter Zugkraft in der Tiefe den unver­meidlichen Bruch an den höher gelegenen, miteinander verhakten Segmenten der Subduktions­zone beschleunigt haben. 

„Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass die tiefere Subduktion in der Zeit zwischen großen Erdbeben mit einer ziemlich konstanten Geschwin­digkeit abläuft. Unsere Studie zeigt, dass diese Annahme zu einfach ist. Tatsächlich könnte ihre Varia­bilität ein Schlüssel­faktor für das Verständnis der Auslöser von schwersten Erdbeben sein“, sagt Jonathan Bedford. Ob es vor dem nächsten großen Beben zu solch starken Umkehrungen kommen wird, bleibt abzuwarten, aber aus dieser Studie geht klar hervor, dass die Subduktions­zonen auf der beobacht­baren Zeitskala viel dynamischer sind als bisher angenommen.

GFZ / JOL

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