Erdschwerefeld mit unerreichter Genauigkeit
Seit zwei Jahren misst der Satellit GOCE die Gravitation der Erde - darauf basierend wurde in München jetzt das bisher präziseste Modell des Schwerefeldes vorgestellt.
Seit zwei Jahren misst der Satellit GOCE die Gravitation der Erde - darauf basierend wurde in München jetzt das bisher präziseste Modell des Schwerefeldes vorgestellt.
Nach nur zwei Jahren in der Umlaufbahn hat der ESA-Satellit GOCE (Gravity field and steady-state Ocean Circulation Explorer) genügend Daten zusammentragen, um das Schwerefeld der Erde mit bisher unerreichter Genauigkeit zu kartieren. Somit steht den Wissenschaftlern nun das präziseste je erstellte Modell des globalen Schwerefelds zum besseren Verständnis der Funktionsweise der Erde zur Verfügung. Die Ergebnisse wurden am 31. März 2011 anlässlich des vierten internationalen GOCE-Nutzer-Workshops an der Technischen Universität München vorgestellt.
Abb.: Neues GOCE-Geoid (Bild: ESA/HPF/DLR)
Das als Geoid bezeichnete Modell bildet eine gedachte Oberfläche eines globalen, ruhenden Ozeans, der allein durch die Schwerkraft geformt wird. Dort machen sich in dem Modell Gebiete mit geringer Schwerkraft als „Dellen“ bemerkbar, starke Anziehungskraft als „Beule“. Solche Daten liefern Ozeanographen wichtige Referenzdaten für ihre Messungen: Aus den Differenzen zwischen dem idealisierten Ozean, der aufgrund der Schwerkraft zu erwarten wäre, und dem tatsächlichen Meeresspiegel können die Wissenschaftler beispielsweise Ozeanströmungen ableiten. Die Strömungen werden ebenso wie zu messende Änderungen des Meeresspiegels und Eisbewegungen durch den Klimawandel beeinflusst und sind damit für dessen Erforschung entscheidend. Die von GOCE gesendeten Daten erweitern zudem das Wissen über die Entstehung von Erdbeben. Da die Gravitation in direktem Zusammenhang mit der Masseverteilung im Erdinnern steht, können die Daten dazu beitragen, die Dynamik in der Erdkruste und die Entstehung von Erdbeben besser zu verstehen.
Nicht zuletzt soll das Vermessungswesen von den GOCE-Daten profitieren. Bislang gibt es allein in Europa mehr als 20 verschiedene Höhensysteme, die sich an unterschiedlichen Meerespegeln orientieren. Anhand der exakten Geoid-Referenzfläche sollen Höhen künftig auf allen Kontinenten problemlos miteinander verglichen werden können. In Kombination mit Satellitennavigationssystemen (zum Beispiel GPS) soll es möglich sein, jedem Nutzer überall solche Angaben auf den Zentimeter genau zur Verfügung zu stellen. Dadurch würde die Planung von Straßen-, Tunnel- und Brücken deutlich einfacher.
Reiner Rummel von der TU München erklärte: „Wir empfangen einen steten Strom ausgezeichneter Gradiometerdaten von GOCE und sind mit jedem neuen Zweimonatszyklus in der Lage, das von GOCE erstellte Modell des Schwerefelds weiter zu verbessern." Die GOCE-Mission wurde im März 2009 gestartet.
ESA / TU München / AL