24.07.2015

Erleuchtung für die Festplatte?

Wie sehen die Datenspeicher der Zukunft aus? Die Antwort ist unbekannt, aber Ansätze existieren, wie das völlig neue All-optical-Switching.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, soll der dänische Physik-Nobelpreisträger Niels Bohr gesagt haben. Eine dieser schwierigen Prognosen wurde 1943 vom ehemaligen IBM-Präsidenten Thomas Watson aufgestellt: "I think there is a world market for maybe five computers." Wenn er Recht behalten hätte, müssten wir uns um die Weiterentwicklung von Computerspeichern keine Sorgen machen.

Doch wie man heute weiß, haben Computer und Datenspeicher seitdem eine rasante Entwicklung und Verbreitung genommen. Mit der Entwicklung der ersten Festplatte, des RAMAC von IBM im Jahre 1958, begann der Siegeszug der magnetischen Datenspeicher. Er führte auch zum Physik-Nobelpreis 2007 für Peter Grünberg und Albert Fert für den Riesenmagnetwiderstand.

Wichtige Indikatoren für die Leistungsfähigkeit eines magnetischen Datenspeichers sind die Geschwindigkeit, mit der Informationen geschrieben werden können, und die dafür benötigte Energie. Konventionell werden in Festplatten die Informationen über Magnetfelder geschrieben, die der Schreib-Lese-Kopf lokal erzeugt. Diese drehen die Magnetisierung der Bits um. Die Geschwindigkeit dieses Vorgangs ist allerdings durch die quantenmechanische Präzession der magnetischen Momente begrenzt. Für realistisch erreichbare Feldstärken beträgt er einige hundert Pikosekunden. Außerdem skaliert dieser Ansatz schlecht: Beim Verkleinern thermisch langzeitstabiler Bits kann man die Größe der Schreibfelder nicht entsprechend verringern. Damit sinkt der benötigte Strom für die Felderzeugung nicht, und die Stromdichte vergrößert sich. Dies bedeutet nicht nur einen hohen Energieverbrauch, sondern auch die Gefahr, Leiterbahnen zu zerstören.

Daher wurde schon häufig der Tod der Festplatte und der magnetischen Datenspeicher vorausgesagt. Insbesondere im Bereich von niedrigen Kapazitäten und mobilen Anwendungen machen mittlerweile Solid-State Drives (SSD), die auf Flash-Halbleiterspeichern beruhen, der Festplatte Konkurrenz. Allerdings benötigen auch diese relativ viel Energie zum Schreiben.

Ein Ansatz, der besser skaliert, ist magnetisches Schalten mit Hilfe von Drehimpulsübertrag durch spinpolarisierte Ströme (Spin-Transfer Torque). Hierbei muss die Stromdichte konstant bleiben, so dass bei Miniaturisierung der benötigte Strom und auch die benötigte Energie sinken. Dieser Ansatz wurde kürzlich bei der International Technology Roadmap for Semiconductors (ITRS) als einer der zwei möglichen Zukunftstechnologien für nichtflüchtige Speicher identifiziert. Erste magnetische Arbeitsspeicher, die Spin-Transfer Torque nutzen, sind kürzlich kommerzialisiert worden. Weitere Konzepte dieser Basis wie der Racetrack-Speicher werden entwickelt.

Die zweite identifizierte Zukunftstechnologie ist „Resistive Switching“. Dabei nutzt man verschiedene Mechanismen, die den Widerstand oxidischer Materialien durch Anlegen von Spannungen reversibel ändern können. Aber auch diese Technik erlaubt keine Schaltgeschwindigkeiten unter einigen hundert Pikosekunden.

Für deutlich schnelleres Schalten kommt ein völlig neuer Ansatz auf der Basis von Laserpulsen zum Tragen. Es konnte gezeigt werden, dass man im Fokus eines einzigen, nur hundert Femtosekunden langen Laserpulses die Magnetisierung um 180 Grad schalten kann. Dieser Ansatz ohne externe Felder oder injizierte Spinströme ist komplett neu. Kurze Pulse haben dabei nicht nur den Vorteil der schnelleren Schaltzeit, sondern können auch die benötigte Gesamtenergie senken.

Die physikalischen Grundlagen dieses spannenden „All-optical-Switching“-Effekts sind allerdings noch nicht gut verstanden. Es gibt verschiedene theoretische Erklärungen, die allerdings jeweils nur einige der Experimente reproduzieren können. Zudem konnte kürzlich gezeigt werden, dass der Effekt nicht nur in exotischen Ferrimagneten, sondern sogar in den Materialsystemen funktioniert, die für Datenspeicherung relevant sind.

Das All optical switching (links skizziert). Abhängigkeit des Schaltverhaltens (rechts) von der Kombination aus ursprünglicher Probenmagnetisierung M und Laserpuls-Polarisation sigma. Durch Bestrahlen mit Licht geeigneter Polarisierung kehrt sich die Magnetisierungsrichtung im Materal um.

Ich halte es mit Nils Bohr und wage keine Prognose für die Zukunft der magnetischen Datenspeicher und der Anwendung des„All-optical-Switching“-Effekts. Aber neue spannende Physik wird sich daraus sicher ergeben.

Mathias Kläui, Universität Mainz

Dieser Essay kommentiert einen Artikel von Sabine Alebrand, Mirko Cinchetti und Martin Aeschlimann über den All-optical-Switching-Effekt. Dieser ist im Original in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit schienen.

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