Ermöglichten Sonnenstürme das Leben auf der Erde?
Partikelströme sollen Bildung von Lachgas und Blausäure in der frühen Erdatmosphäre unterstützt haben – mögliches Modell für Exoplaneten.
Vor vier Milliarden Jahren könnte die Erde jeden Tag von mindestens einem Sonnensturm heimgesucht worden sein. Hätte eine solche Aktivität heute katastrophale Auswirkungen, sollen sie damals die Grundlagen für irdisches Leben gelegt haben. Diese These stellte nun eine Gruppe amerikanischer Astrophysiker auf, die die Auswirkungen von gewaltigen Sonnenstürme auf die Erdatmosphäre simuliert haben.
Abb.: Sonnenstürme könnten das Erdmagnetfeld geschwächt (links) und einen hochenergetischen Partikelstrom in die Erdatmosphäre verursacht haben. (Bild: V. Airapetian et al., Nasa GSFC)
„Mindestens eine magnetische Wolke von der Sonne kollidierte vor vier Milliarden Jahren mit der Magnetosphäre der Erde jeden Tag“, sagt Vladimir Airapetian vom Nasa Goddard Space Flight Center in Greenbelt. Zusammen mit seinen Kollegen simulierte er die Auswirkungen von starken Sonnenstürmen auf die frühe Erdatmosphäre, die vor allem aus Stickstoff (80 Prozent), Kohlendioxid (20 Prozent) und Methan (0,03 Prozent) bestand. Die Grundlage dazu lieferten Aktivitätsdaten junger Sterne, die mit dem Kepler Space Telescope gewonnen wurden. Airapetian wählte für seine Simulationen die Daten aus, die wahrscheinlich der Aktivität der jungen Sonne vergleichbar waren.
So halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass auf der Oberfläche der jungen Sonne bis zu dreifach gewaltigere Stürme tobten als der stärkste registrierte Sonnensturm im Jahr 1859 (Carrington event). Diese Sonnenstürme mit einer Energie von einer Billiarde Atombomben sollen eine so große magnetische Aktivität entfacht haben, um das Erdmagnetfeld an den Polen massiv zu schwächen. Dadurch konnten neben Röntgen- und UV-
Die mit diesen Sonnenstürmen möglichen chemischen Reaktionen simulierten die Astrophysiker mit ihrem „Aeroplanets“-
Abb.: Sonnenstürme könnten wichtige chemische Reaktionen auf der frühen Erde vor etwa vier Milliarden Jahren in Gang gesetzt haben. (künstler. Illustration; Bild: V. Airapetian et al., Nasa GSFC)
Vor allem diese Stickstoffverbindungen spielten gemäß der Simulation eine signifikante Rolle. Denn Cyanwasserstoff gilt als ein Basismolekül für chemische Reaktionen zu komplexeren, stickstoffhaltigen Aminosäuren, die sich auch zu Proteinen zusammensetzen können. Diese Verbindung könnte folglich eine Grundlage für irdisches Leben bilden. Lachgas, Distickstoffmonoxid, wiederum ist ein sehr wirksames Treibhausgas, das vor vier Milliarden Jahren wesentlich zur Erwärmung beigetragen haben könnte, um auf der Erdoberfläche überhaupt gemäßigte Temperaturen über dem Gefrierpunkt zu ermöglichen. Bisherige Modelle, die den Treibhauseffekt allein aufgrund von CO2, CH4 und H2 berücksichtigten, hätten damit ausgedient.
Airapetian und Kollegen lieferten mit ihren Simulationen eine schlüssige Erklärung für die zur Entwicklung von Leben notwendigen Randbedingungen. Damit schlagen sie auch eine neue Lösung für das „Faint Young Sun Paradox“ vor, um den Widerspruch einer schwächeren Sonne – etwa siebzig Prozent der Strahlungsleistung im Vergleich zu heute – und einer dennoch gemäßigten mittleren Temperatur auf der Erdoberfläche. Zudem vermuteten Forscher bisher, dass die für die Aufspaltung von Stickstoffmolekülen nötige Energie aus Blitzen, ultravioletter Strahlung oder Einschlägen von Meteoriden resultierte. „Nun könnten auch solare Superstürme eine signifikante Rolle für die Erwärmung der Erdoberfläche und für die Entstehung von Leben vor vier Milliarden Jahren gespielt haben“, schreibt Ramses Ramirez vom Carl Sagan Institute in Ithaka, der an der aktuellen Studie nicht beteiligt war, in einem begleitenden Kommentar.
Aber nicht nur für die Erde könnten die gewaltigen Stürme der jungen Sonne eine entscheidende Rolle gespielt haben. So ist es nur plausibel, dass auch der Nachbarplanet Mars von den hoch energetischen Partikelströmen beeinflusst wurde. Details dazu wollen Airapetian und Kollegen in Kürze in einer weiteren Studie präsentieren.
„Unser Modell beschreibt die kosmischen Zutaten, die für eine Entwicklung von Molekülen für biologisches Leben nötig sind“, fasst Airapetian zusammen. Er ist davon überzeugt, dass seine Ergebnisse nicht nur einen neuen Blick auf die Entwicklung des irdischen Lebens werfen wird. Auch für die Bewertung der Lebenschancen auf Exoplaneten, die sonnenähnliche Sterne umkreisen, erwartet er neue Impulse.
Jan Oliver Löfken
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