21.05.2019

Erstaunlich robuste Quantensimulatoren

Forschertrio untersucht „Fehlergrenze“, die verwertbare Simulationen limitiert

Bei der Berechnung quanten­physika­lischer Fragen in Viel­teilchen­systemen – zum Beispiel für die Vorhersage von Material­eigen­schaften – stoßen klassische Rechner schnell an ihre Kapazitäts­grenzen. Abhilfe könnten digitale Quanten­simulatoren schaffen. Bisher sind diese jedoch drastisch limitiert auf kleine Systeme mit wenigen Teilchen und lediglich kurzen Simulations­zeiten. Nun konnten Philipp Hauke von der Uni Heidelberg, Markus Heyl vom MPI für Physik komplexer Systeme in Dresden und Peter Zoller von der Uni Innsbruck zeigen, dass derartige Simula­tionen viel „robuster“ und damit viel stabiler sein können als bislang angenommen.

Im Zustand des thermo­dynamischen Gleich­gewichts lässt sich ein Viel­teilchen­system in der Quanten­physik durch nur wenige Größen wie Temperatur oder Druck beschreiben; sie sind dabei weitgehend homogen für das gesamte System. Was passiert jedoch in der zeitlichen Folge nach einer starken Störung, etwa bei einer Material­probe, bei der durch kurze Laser­pulse abrupt Energie im Material deponiert wird? Diese Nicht­gleichgewichts­dynamik von wechsel­wirkenden Viel­teilchen­systemen exakt zu berechnen ist ein heraus­ragendes Problem der Quanten­physik.

Berechnungen mit „klassischen“ Computern erfordern Ressourcen, die exponen­tiell mit der Anzahl der beteiligten Quanten­teilchen ansteigen. „Das bedeutet, dass rechnerisch exakte Methoden bereits bei wenigen Dutzend Teilchen versagen. Dies liegt weit unterhalb der Anzahl, die zum Beispiel benötigt wird, um Material­eigen­schaften vorher­zusagen. In solchen Fällen sind Wissen­schaftler auf Näherungs­methoden angewiesen, die jedoch oft unkontrol­liert sind, gerade wenn es um dynamische Eigen­schaften geht“, erläutert Dr. Hauke, der am Kirchhoff-Institut für Physik und am Institut für Theore­tische Physik der Univer­sität Heidelberg die Forschungs­gruppe „Quanten­optik und Quanten­vielteilchen­theorie“ leitet. Ein möglicher Ausweg besteht in der digitalen Quanten­simulation. Die Nicht­gleichgewichts­dynamik wird dabei mit Simula­toren untersucht, die selbst quanten­mechanischen Gesetz­mäßig­keiten folgen.

Um die zeitliche Entwicklung in einem Quanten­computer darstellen zu können, muss diese in einzelne Operationen zerlegt werden. Dieses Vorgehen – auch Trotteri­sierung genannt – erzeugt jedoch unver­meidlich einen in der Simulation selbst liegenden Fehler. Dieser Trotter-Fehler kann durch ausreichend feine Zerlegungen abgeschwächt werden. Allerdings müssen extrem kleine Zerlegungs­schritte gewählt werden, um eine längere zeitliche Entwicklung zuver­lässig abbilden zu können. Nach dem bisherigen Stand der Forschung weitet sich der Fehler bei langen Zeit­spannen und einer größeren Teilchen­zahl schnell aus, was die digitale Quanten­simulation in der Praxis drastisch limitiert auf kleine Systeme und kurze Zeiten.

Wie die Forscher nun mithilfe von numerischen Demonstra­tionen und analytischen Argumenten zeigen konnten, ist die digitale Quanten­simulation jedoch viel „robuster“ und damit stabiler als bislang angenommen, solange nicht der volle Zustand eines jeden einzelnen Teilchens, sondern nur die in der Praxis relevanten Größen – wie Mittel­werte über das Gesamt­system – in den Blick genommen werden. Für derartige Größen gibt es eine scharfe Grenze zwischen einem Bereich mit kontrol­lierbaren Fehlern und einer Simulation, die kein verwertbares Resultat mehr liefern kann. Unter­halb dieser Grenze hat der Trotter-Fehler nur begrenzte Auswirkungen – und zwar bei allen Zeitspannen, die bisher in der Praxis simuliert werden können, und weitgehend unabhängig von der beteiligten Teilchen­zahl.

Die Forschungen haben zugleich gezeigt, dass die digitale Quanten­simulation mit unverhofft großen Schritten der Zerlegung bei der Trotteri­sierung erstaunlich genaue Ergebnisse liefern kann. „Eine Simulation, die das Verhalten vieler Quanten­teilchen über einen langen Zeitraum vorhersagen kann, wird damit immer wahrschein­licher. Dies öffnet die Tür ein beträcht­liches Stück weiter für praktische Anwen­dungen, die von der Material­wissenschaft über Quanten­chemie hin zu Frage­stellungen der fundamen­talen Physik reichen“, betont Hauke.

RKU / od

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