Das Neutrino-Observatorium IceCube am Südpol hat bislang etwa einhundert hochenergetische Neutrino-Ereignisse identifiziert. So registrierte IceCube am 4. Dezember 2012 ein Neutrino mit einer Energie von mehr als zwei Peta-Elektronenvolt, das von den Forschern „Big Bird“ getauft wurde. Big Bird war das seinerzeit energiereichste nachgewiesene Neutrino und steht immer noch auf dem zweiten Platz. Woher aber kommt Big Bird? Die Positionsbestimmung von IceCube war ungenau und konnte den Entstehungsort nur auf ein Himmelsareal mit einer Fläche von etwa 64 Vollmonden eingrenzen.
Abb.: Der Gammahimmel im Umfeld des Blazars PKS B1424-418, aufgenommen mit dem LAT-Detektor von Fermi. Die Farben zeigen die Intensität der Gammastrahlung. Der gestrichelte Kreis zeigt den wahrscheinlichen Bereich, in dem Big Bird stattgefunden hat. Links: Fermi-LAT-Daten, gemittelt über 300 Tage um den 8. Juli 2011, während denen der Blazar nicht aktiv war. Rechts: Fermi-LAT-Daten, gemittelt über 300 Tage um den 27. Februar 2013, während denen PKS B1424-418 den hellsten Blazar in diesem Bereich des Himmels darstellte (zum Vergrößern auf das Bild klicken, Bild: NASA / DOE / LAT Coll.).
Szenenwechsel: Im Sommer 2012 wurde das Gammastrahlen-Observatorium Fermi Zeuge eines dramatischen Aufleuchtens im Zentralgebiet der aktiven Galaxie PKS B1424-418, die als Gammastrahlungs-Blazar klassifiziert ist. Während des rund ein Jahr andauernden Ausbruchs war die Helligkeit von PKS B1424-418 im Gammabereich 15 bis 30 Mal höher als im Schnitt vor dem Ausbruch. Der Blazar liegt innerhalb des Suchbereichs für Big Bird, aber das gilt auch für eine Reihe weiterer aktiver Galaxien.
Auf der Suche nach dem Ursprung von Big Bird wandten sich die Wissenschaftler nun TANAMI zu, einem langfristigen Beobachtungsprogramm im Radiobereich. Das Projekt überwacht seit 2007 etwa hundert aktive Galaxien am Südhimmel, darunter eine Reihe von Galaxien, bei denen Fermi Strahlungsausbrüche entdeckt hat. Drei Radiobeobachtungen aus den Jahren 2011 bis 2013 decken die Zeit des Fermi-Strahlungsausbruchs von PKS B1424-418 ab. Sie zeigen, dass die Radiostrahlung aus dem Zentralbereich des Jets in diesem Zeitraum ebenfalls fast viermal heller wurde. Während seiner kompletten Programmlaufzeit ist im Rahmen von TANAMI bisher kein vergleichbarer Strahlungsausbruch in einer aktiven Galaxie beobachtet worden.
„Blazare sind in der Lage, in ihren Jets Protonen auf relativistische Energien zu beschleunigen. Durch Wechselwirkung mit Licht können im Zentralgebiet des Blazars daraus Pionen erzeugt werden“, erklärt Karl Mannheim von der Uni Würzburg. „Aus dem Zerfall der Pionen entstehen dann sowohl Gammastrahlen als auch Neutrinos.“ Felicia Krauß von der Uni Erlangen-Nürnberg ergänzt: „Wir haben daher in dem Feld, in dem Big Bird entstanden sein muss, nach solchen Blazaren gesucht. Es war ein unvergesslicher Moment, als wir realisierten, dass der dramatischste Blazarausbruch, den wir in TANAMI je gesehen hatten, genau in diesem Feld und genau zur richtigen Zeit stattgefunden hatte.“
Die Wissenschaftler vermuten daher, dass der Strahlungsausbruch von PKS B1424-418 und das Neutrino-Ereignis Big Bird miteinander in Verbindung stehen. Sie berechnen eine nur fünfprozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass beide Ereignisse rein zufällig zur gleichen Zeit und am selben Ort stattfanden. Durch die Analyse von Daten der Satelliten Fermi, Swift und WISE, sowie dem australischen Long Baseline Array und weiteren Beobachtungen konnten die Forscher ermitteln, wie sich die Energie des Strahlungsausbruchs über das elektromagnetische Spektrum vom Radio- bis in den Gammabereich verteilt und daraus ableiten, dass die Gesamtenergie ausreicht, um ein Neutrino im PeV-Energiebereich zu erzeugen.
MPIfR / JMU / RK