30.06.2022

Erster Testflug einer dreistufigen Höhenforschungsrakete

Flache Flugbahn in 38 Kilometern Höhe bei 9000 Kilometern pro Stunde.

Wieder­verwendbare Träger­systeme sind bei der Rückkehr zur Erdoberfläche hohen Belastungen und Temperaturen ausgesetzt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR testete nun erfolgreich Bauteil­strukturen, Messmethoden und Auswerte­algorithmen für die Wieder­eintrittsphase mit dem Flugexperiment Stort – Schlüsseltechnologien für hochener­getische Rückkehr­flüge von Trägerstufen. Am frühen Morgen des 26. Juni 2022 startete das dreistufige Raketen­experiment vom Startplatz Andøya Space im Norden Norwegens. Die Oberstufe erreichte auf dem Scheitelpunkt der Flugbahn in 38 Kilometern Höhe eine Flug­geschwindigkeit von rund 9.000 Kilometern pro Stunde. Anschließend fiel sie mehr als 350 Kilometer entfernt vom Startpunkt in den Atlan­tischen Ozean. Die umfang­reichen Messdaten wurden während des Fluges an die Bodenstation übertragen.

Abb.: Das Flug­ex­pe­ri­ment mit ei­ner drei­stu­fi­gen...
Abb.: Das Flug­ex­pe­ri­ment mit ei­ner drei­stu­fi­gen Hö­hen­­for­schungs­ra­ke­te am Start­platz An­dø­ya Space im Nor­den Nor­we­gens. (Bild: DLR)

„Um höhere Fluggeschwindig­keiten zu erreichen, haben wir erstmals eine DLR-Höhen­forschungsrakete mit drei statt zwei Raketenstufen eingesetzt“, erklärt Dorian Hargarten vom Institut für Raumflugbetrieb und Astronauten­training. „Zusätzlich flog die dritte Stufe mit den verschiedenen wissen­schaftlichen Nutzlasten eine besonders flache Flugbahn in 38 Kilometern Höhe bei Machzahlen bis acht. Hierbei wurden – analog zur Hitze­entwicklung beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre – verschiedene Hochtemperatur­experimente bei den zu untersuchenden hohen Wärmelasten durchgeführt“, so Hargarten weiter.

Entscheidend bei der Hitze­entwicklung in der Wieder­eintrittsphase sind Materialien, die den hohen Thermallasten ausreichend widerstehen und diese abführen. Ebenso sind robuste Wärme­sensoren essentiell, die die Temperatur­entwicklung genau im Blick behalten. „Bei Stort besteht der Vorkörper der dritten Raketen­stufe aus fünf keramischen Segmenten“, erklärt der Leiter des Projekts Ali Gülhan vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. „Entlang der vier longi­tudinalen Linien haben wir den Vorkörper alle 90 Grad mit zahlreichen Wärmefluss­sensoren, Thermo­elementen und Druck­sensoren ausgestattet und sind nun sehr gespannt auf die Datenauswertung.“

Für die Durchführung der Thermal­management-Experimente nutzten die Forschenden an der Rakete drei feste Vorflügel (Canards) mit keramischen Außenschalen, die vom Institut für Bauweisen und Struktur­technologie entwickelt wurden. Während ein Canard aktiv gekühlt wurde, war der zweite Canard passiv gekühlt. Der dritte Referenz-Canard ohne Kühlung wurde zusätzlich für die Untersuchung der Stoß-Grenzschicht-Wechsel­wirkung genutzt. Alle drei Canards zeigten im Flug unterschiedliche Struktur­antworten bei gleicher Belastung durch die Hitze.

Ein modulares und verteiltes Daten­erfassungssystem erlaubte die effiziente Aufzeichnung von Daten aus den unter­schiedlichen Experimenten. Bereits im Vorgänger­projekt Atek wurde zur Gewichts­reduktion der zylindrischen Nutzlast­segmente ein Standardmodul aus Aluminium­legierungen durch ein Hybridmodul ersetzt, welches aus einer CFK-Struktur mit metallischen Flanschen besteht. Im Stort-Projekt testeten die Forschenden nun ein noch einmal deutlich leichteres und komplett aus CFK bestehenden Modul.

Neben dem DLR ist die TU München durch die Fertigung des CFK-Moduls am Flug­experiment beteiligt. Ein weiterer inter­nationaler Partner ist die Universität Arizona, die Simulationen für das Experiment „Stoß-Grenzschicht-Wechsel­wirkung“ auf dem Canard durchgeführt hat. Die Planung und Durchführung der Mission lag in der Verantwortung der Abteilung Mobile Raketen­basis des Instituts für Raumflug­betrieb und Astronautentraining. Der Vorkörper wurde vom Institut für Bauweisen und Struktur­technologie ausgelegt und gefertigt. Aerothermale Auslegung, aktives Thermalmanagement, Instru­mentierung der Nutzlasten und deren modulare Daten­erfassung hat das Institut für Aerodynamik und Strömungs­technik eingebracht, welches gleichzeitig die Projektleitung innehat.

DLR / JOL

Weitere Infos

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Photo
07.04.2025 • NachrichtPanorama

Quanten folgen auf Optik

Mit Göttingen wird zum zweiten Mal eine ganze Stadt zur „EPS Historic Site“, nicht zuletzt aufgrund ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Quantenmechanik.

Themen