Erster Testflug einer dreistufigen Höhenforschungsrakete
Flache Flugbahn in 38 Kilometern Höhe bei 9000 Kilometern pro Stunde.
Wiederverwendbare Trägersysteme sind bei der Rückkehr zur Erdoberfläche hohen Belastungen und Temperaturen ausgesetzt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR testete nun erfolgreich Bauteilstrukturen, Messmethoden und Auswertealgorithmen für die Wiedereintrittsphase mit dem Flugexperiment Stort – Schlüsseltechnologien für hochenergetische Rückkehrflüge von Trägerstufen. Am frühen Morgen des 26. Juni 2022 startete das dreistufige Raketenexperiment vom Startplatz Andøya Space im Norden Norwegens. Die Oberstufe erreichte auf dem Scheitelpunkt der Flugbahn in 38 Kilometern Höhe eine Fluggeschwindigkeit von rund 9.000 Kilometern pro Stunde. Anschließend fiel sie mehr als 350 Kilometer entfernt vom Startpunkt in den Atlantischen Ozean. Die umfangreichen Messdaten wurden während des Fluges an die Bodenstation übertragen.
„Um höhere Fluggeschwindigkeiten zu erreichen, haben wir erstmals eine DLR-Höhenforschungsrakete mit drei statt zwei Raketenstufen eingesetzt“, erklärt Dorian Hargarten vom Institut für Raumflugbetrieb und Astronautentraining. „Zusätzlich flog die dritte Stufe mit den verschiedenen wissenschaftlichen Nutzlasten eine besonders flache Flugbahn in 38 Kilometern Höhe bei Machzahlen bis acht. Hierbei wurden – analog zur Hitzeentwicklung beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre – verschiedene Hochtemperaturexperimente bei den zu untersuchenden hohen Wärmelasten durchgeführt“, so Hargarten weiter.
Entscheidend bei der Hitzeentwicklung in der Wiedereintrittsphase sind Materialien, die den hohen Thermallasten ausreichend widerstehen und diese abführen. Ebenso sind robuste Wärmesensoren essentiell, die die Temperaturentwicklung genau im Blick behalten. „Bei Stort besteht der Vorkörper der dritten Raketenstufe aus fünf keramischen Segmenten“, erklärt der Leiter des Projekts Ali Gülhan vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. „Entlang der vier longitudinalen Linien haben wir den Vorkörper alle 90 Grad mit zahlreichen Wärmeflusssensoren, Thermoelementen und Drucksensoren ausgestattet und sind nun sehr gespannt auf die Datenauswertung.“
Für die Durchführung der Thermalmanagement-Experimente nutzten die Forschenden an der Rakete drei feste Vorflügel (Canards) mit keramischen Außenschalen, die vom Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie entwickelt wurden. Während ein Canard aktiv gekühlt wurde, war der zweite Canard passiv gekühlt. Der dritte Referenz-Canard ohne Kühlung wurde zusätzlich für die Untersuchung der Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkung genutzt. Alle drei Canards zeigten im Flug unterschiedliche Strukturantworten bei gleicher Belastung durch die Hitze.
Ein modulares und verteiltes Datenerfassungssystem erlaubte die effiziente Aufzeichnung von Daten aus den unterschiedlichen Experimenten. Bereits im Vorgängerprojekt Atek wurde zur Gewichtsreduktion der zylindrischen Nutzlastsegmente ein Standardmodul aus Aluminiumlegierungen durch ein Hybridmodul ersetzt, welches aus einer CFK-Struktur mit metallischen Flanschen besteht. Im Stort-Projekt testeten die Forschenden nun ein noch einmal deutlich leichteres und komplett aus CFK bestehenden Modul.
Neben dem DLR ist die TU München durch die Fertigung des CFK-Moduls am Flugexperiment beteiligt. Ein weiterer internationaler Partner ist die Universität Arizona, die Simulationen für das Experiment „Stoß-Grenzschicht-Wechselwirkung“ auf dem Canard durchgeführt hat. Die Planung und Durchführung der Mission lag in der Verantwortung der Abteilung Mobile Raketenbasis des Instituts für Raumflugbetrieb und Astronautentraining. Der Vorkörper wurde vom Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie ausgelegt und gefertigt. Aerothermale Auslegung, aktives Thermalmanagement, Instrumentierung der Nutzlasten und deren modulare Datenerfassung hat das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik eingebracht, welches gleichzeitig die Projektleitung innehat.
DLR / JOL