19.07.2016

Erstmals kurzwellige Spinwellen erzeugt

Magnetische Spinwellen könnten effizient Daten in kompakten Chips transportieren.

Kleiner, schneller, strom­sparender – das ist die Devise, nach der sich derzeit Computer und Handys in atem­beraubendem Tempo weiter­entwickeln. Wie schwierig jedoch eine weitere Minia­turisierung jetzt schon ist, weiß Sebastian Wintz vom Institut für Ionenstrahl­physik und Material­forschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossen­dorf: „Ein wesentliches Problem aktueller Techno­logien ist die Wärme, die beim Datentransport mit Hilfe elektrischer Ströme entsteht. Wir brauchen ein neues Konzept.“ Zusammen mit inter­nationalen Kollegen arbeitet der Physiker an Spinwellen (Magnonen). Diese sollen bewegte Ladungen als Informationsträger in Zukunft ersetzen. Nun ist es den Forschern erstmals gelungen, Spinwellen von derart kleiner Wellenl­änge zu erzeugen, dass sie für zukünftige Anwendungen in der Daten­verarbeitung relevant sind.

Abb.: Das Zentrum eines magnetischen Wirbels sendet unter hochfrequenten magnetischen Wechselfeldern Spinwellen mit sehr kurzen Wellenlängen aus. Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf haben damit einen Mechanismus nachgewiesen, der großes Anwendungspotenzial für die zukünftige Datenverarbeitung hat. (Bild: HZDR)

Die derzeitige Informations­verarbeitung basiert auf elek­trischen Strömen. Dabei rasen die geladenen Teilchen durch ein Netz von Leiter­bahnen, die, getrieben vom Wunsch nach immer kompakteren Chips, zunehmend gedrängt zusammen liegen. Auf ihrem Weg stoßen die Elektronen mit Atomen zusammen, die dadurch im Kristall­gitter hin und her schwingen und so Wärme erzeugen. Liegen die Leiter­bahnen zu dicht beieinander, kann diese nicht mehr abgeführt werden, das System versagt. „Der große Vorteil von Spin­wellen ist, dass die Elektronen selbst sich nicht bewegen“, erläutert Wintz. „Beim Daten­fluss entsteht also kaum Wärme.“

Die tradi­tionelle Herangehens­weise zur Erzeugung von Spin­wellen ist der Einsatz von kleinen, künstlich herge­stellten Antennen aus Metall, die bei Fluss eines hoch­frequenten Wechsel­stroms Magnonen erzeugen. Dabei entspricht die kleinste erzeugbare Wellen­länge in etwa der Größe der verwendeten Antenne. Genau hierin liegt ein großes Problem: Um den Ansprüchen der fort­schreitenden Minia­turisierung zu genügen, sind kleine Wellen­längen im Nanometer­bereich notwendig. Jedoch können derart kleine Hoch­frequenz-Antennen derzeit nicht gefertigt werden.

Dem Forschungs­team aus Deutschland, der Schweiz und den USA ist es nun gelungen, mit einem völlig neuen Konzept besonders kurz­wellige Spin­wellen zu erzeugen. Als natürlich geformte Antenne nutzen sie dabei das Zentrum eines magne­tischen Wirbels, der in einem hauch­dünnen ferro­magnetischen Plättchen entsteht: In Folge der engen räumlichen Begrenzung ordnen sich hier nicht alle Spins, wie üblich, parallel zueinander an, sondern entlang konzen­trischer Kreise. Das wiederum zwingt die Spins in einem kleinen Bereich in der Mitte, der nur wenige Nanometer im Durch­messer misst, sich aufzu­richten und von der Plättchen-Ober­fläche weg zu zeigen. Wird dieses Zentrum einem magne­tischen Wechsel­feld ausgesetzt, entsteht eine Spinwelle.

Um die gewünschte Kurz­welligkeit zu erreichen, bedarf es jedoch noch eines weiteren Tricks: Ein zweites Plättchen wird auf das erste gelegt, getrennt durch eine dünne, nicht­magnetische Schicht. Bei einer bestimmten Dicke dieser Trenn­schicht wechsel­wirken die beiden Plättchen anti­ferro­magnetisch mit­einander – die jeweiligen Spins sind bestrebt, in entgegen­gesetzte Richtungen zu zeigen –, was die Wellen­länge der ausgesandten Spin­welle um ein Vielfaches reduziert. „Nur so kommen wir zu einem für die Informations­technologie relevanten Ergebnis“, sagt Wintz.

Neben der geringen Aus­dehnung der so erzeugten Spinwelle konnten die Wissen­schaftler noch weitere Eigen­schaften demonstrieren, die für zukünftige Appli­kationen sehr nützlich sein könnten. Mithilfe zeit­aufgelöster Aufnahmen eines Röntgen-Mikroskops des Max-Planck-Instituts für Intelli­gente Systeme in Stuttgart, das am Helmholtz-Zentrum Berlin betrieben wird, zeigten sie, dass die Wellen­länge sich durch die Wahl der Anregungs­frequenz exakt einstellen lässt. Ähnliche Messungen wurden außerdem am Paul Scherrer Institut in der Schweiz durchgeführt. Dabei sind die Ergebnisse im Einklang mit einem theore­tischen Modell, das speziell für diese Arbeit an der Oakland University in den USA berechnet wurde. Hier zeigt sich zudem ein erstaun­liches Phänomen, das bislang im Experiment noch nicht direkt beobachtet wurde: die Geschwin­digkeit, mit der sich die Spinwellen ausbreiten, ist stark richtungs­abhängig. Ein weiterer Punkt, der eine Vielzahl von Anwen­dungen in der Signal­verarbeitung ermöglichen könnte.

HZDR / JOL

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