Es wird kalt in Hamburg
Der Elektronenbeschleuniger des European XFEL wird nach langer Verbesserungspause auf –271 Grad abgekühlt.
Nach sechs Monaten Wartungs- und Installationsarbeiten an der Infrastruktur wird der Beschleuniger des European XFEL nun wieder gekühlt. Mit flüssigem Helium werden die Kavitäten des 1,7 Kilometer langen Beschleunigers auf nur zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Bei dieser Temperatur ist Niob – aus dem die 768 Hohlraumresonatoren bestehen – supraleitend, was eine effiziente Energieübertragung auf die freien Elektronen ermöglicht. Im Sommer 2025 wurde der Beschleuniger zum ersten Mal nach neun Jahren Betrieb „aufgetaut“, d.h. auf Raumtemperatur zurückgebracht, um Arbeiten durchzuführen, die die Anlage in die Lage versetzen, ihre Führungsposition in diesem Forschungsgebiet zu behaupten.

Thomas Feurer, Vorsitzender der Geschäftsführung von European XFEL, sagt, dass die Upgrades und vorbereitende Maßnahmen ein wichtiger Schritt zur Erreichung der Ziele der Strategie 2030+ des Unternehmens sind. „Diese Upgrades ermöglichen es uns, an der Spitze der Freie-Elektronen-Laser-Forschung zu bleiben”, sagt Feurer. „Die vorbereitenden Arbeiten an der Infrastruktur ebnen den Weg für zukünftige wichtige Meilensteine.” Eines der Ziele von European XFEL ist es, noch hellere Röntgenblitze in schnellerer Abfolge zu liefern. Während der Installations- und Wartungsphase wurde eine völlig neue Elektronenquelle namens „GUN5“ im Injektorgebäude auf dem DESY-Campus installiert, wo European XFEL seinen Ursprung hat. Sie profitiert von einer verbesserten Form, Integration einer Feldmesssonde, besserer Kühlung, verbesserter Mechanik zum Austausch der Kathoden und einem doppelten Einkoppelfenster. „Die Entwicklung der neuen Elektronenquelle begann vor Jahren, gefolgt von umfangreichen Tests“, sagt Wim Leemans, Direktor der Beschleunigerabteilung bei DESY. „Wir befinden uns jetzt in der Inbetriebnahmephase und sehen bereits eine hervorragende Leistung.“ Die neue Elektronenquelle wird die Anzahl der Elektronenpakete und damit die Anzahl der erzeugten Lichtblitze um dreißig Prozent auf bis zu 36.000 Blitze pro Sekunde erhöhen.
Hunderte von Einzelaufgaben wurden während der langen Installations- und Wartungsphase planmäßig abgeschlossen, darunter der Austausch von Pumpen, Filtern und Steuereinheiten im Kühlsystem des Beschleunigers sowie die Erneuerung der Heliumventile, die das Abschalten des Beschleunigers überhaupt erst notwendig gemacht hatten. „Die termingerechte Fertigstellung all dieser Arbeiten zeugt von einer sorgfältigen Planung und der weiterhin ausgezeichneten Partnerschaft zwischen European XFEL und DESY“, sagt Leemans.
Im vergangenen halben Jahr führten die Teams Wartungsarbeiten durch und installierten mehrere Upgrades für die Ausrüstung in den fast sechs Kilometer langen unterirdischen Tunneln. Zu diesen Aufgaben gehörte der Austausch von Komponenten wie Kabeln und Spiegeln. Letztere waren durch die ständige Belastung durch intensive Röntgenblitze verschlissen. Die Ersatzspiegel wurden mit einer anderen Beschichtung versehen, um noch stärkeren Photonenpulsen standzuhalten. Außerdem wurden die Strahlführungen erheblich erweitert. „Wir haben viele neue Funktionen hinzugefügt“, sagt Thomas Tschentscher, einer der wissenschaftlichen Direktoren bei European XFEL. „Zum Beispiel haben wir zusätzliche Geräte installiert, mit denen wir Attosekunden-Impulse erzeugen können.“ Mit Lichtimpulsen dieser Kürze können Forschende beispielsweise die Bildung chemischer Bindungen bei chemischen Reaktionen beobachten. Eine weitere Verbesserung, die Tschentscher erwähnt, ist die Installation einer Photonen-Schikane. „Mit dieser neuen Röntgenverzögerungslinie können wir zwei Lichtimpulse relativ zueinander verschieben und so den Abstand zwischen ihnen einstellen“, erklärt er.
Die Undulatoren, die die Elektronen dazu zwingen, die für wissenschaftliche Experimente gewünschten Röntgenstrahlen zu emittieren, standen während der Wartungsphase im Mittelpunkt. Eine geplante Modernisierung umfasst die Installation supraleitender Undulatoren, die beispiellose Röntgenimpulse ermöglichen werden: ultraintensiv, kurz und mit Wellenlängen unter einem Angström. Dadurch wird es möglich sein, Materie tiefer und in noch kleineren Maßstäben zu erforschen. „Wir haben diese Zeit genutzt, um uns auf alle zu erwartenden zukünftigen Veränderungen vorzubereiten“, sagt Sara Casalbuoni, die die Undulator-Gruppe bei European XFEL leitet. Aufgaben, die während der kurzen regelmäßigen Wartungsperioden im Sommer und Winter zu lange gedauert hätten, wurden in den letzten Monaten ausgeführt. „Wir haben die meisten Komponenten der Elektronenstrahlführung sowie die gesamte Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung für die supraleitenden Undulatoren in einem der Tunnel installiert, die die Elektronen- und Photonenstrahlen transportieren“, sagt Casalbuoni, „und wir sind nun bereit, 2027 die ersten neuen Undulatoren zu installieren.
Feurer geht davon aus, dass der European XFEL im April 2026 wie geplant wieder wissenschaftliche Nutzer aus aller Welt in Schenefeld begrüßen kann: „Das Aufwärmen des Beschleunigers hat reibungslos funktioniert, und ich bin sicher, dass der Kühlprozess, der über mehrere Wochen hinweg äußerst sorgfältig durchgeführt wird, ebenso reibungslos verlaufen wird“, sagt Feurer. Während des Abkühlungsprozesses wird der Beschleuniger um mehr als einen Meter an Länge verlieren. Er wird wohl für viele Jahre nicht wieder aufgewärmt werden. [EuXFEL / dre]














