19.12.2025 • Großgeräte

Es wird kalt in Hamburg

Der Elektronenbeschleuniger des European XFEL wird nach langer Verbesserungspause auf –271 Grad abgekühlt.

Nach sechs Monaten Wartungs- und Installationsarbeiten an der Infrastruktur wird der Beschleuniger des European XFEL nun wieder gekühlt. Mit flüssigem Helium werden die Kavitäten des 1,7 Kilometer langen Beschleunigers auf nur zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Bei dieser Temperatur ist Niob – aus dem die 768 Hohlraumresonatoren bestehen – supraleitend, was eine effiziente Energieübertragung auf die freien Elektronen ermöglicht. Im Sommer 2025 wurde der Beschleuniger zum ersten Mal nach neun Jahren Betrieb „aufgetaut“, d.h. auf Raumtemperatur zurückgebracht, um Arbeiten durchzuführen, die die Anlage in die Lage versetzen, ihre Führungsposition in diesem Forschungsgebiet zu behaupten.

Hunderte von Einzelaufgaben wurden während der langen Installations- und Wartungsphase planmäßig abgeschlossen, darunter der Austausch von Pumpen, Filtern und Steuereinheiten im Kühlsystem des Beschleunigers. (Archiv-Foto: European XFEL)
Hunderte von Einzelaufgaben wurden während der langen Installations- und Wartungsphase planmäßig abgeschlossen, darunter der Austausch von Pumpen, Filtern und Steuereinheiten im Kühlsystem des Beschleunigers.
Quelle: European XFEL (Archivbild)

Thomas Feurer, Vorsitzender der Geschäfts­führung von European XFEL, sagt, dass die Upgrades und vorberei­tende Maßnahmen ein wichtiger Schritt zur Erreichung der Ziele der Strategie 2030+ des Unter­nehmens sind. „Diese Upgrades ermöglichen es uns, an der Spitze der Freie-Elektronen-Laser-Forschung zu bleiben”, sagt Feurer. „Die vorberei­tenden Arbeiten an der Infra­struktur ebnen den Weg für zukünftige wichtige Meilen­steine.” Eines der Ziele von European XFEL ist es, noch hellere Röntgen­blitze in schnellerer Abfolge zu liefern. Während der Instal­lations- und Wartungs­phase wurde eine völlig neue Elektronen­quelle namens „GUN5“ im Injektor­gebäude auf dem DESY-Campus instal­liert, wo European XFEL seinen Ursprung hat. Sie profitiert von einer verbes­serten Form, Inte­gration einer Feld­mess­sonde, besserer Kühlung, verbes­serter Mechanik zum Aus­tausch der Kathoden und einem doppelten Einkoppel­fenster. „Die Entwicklung der neuen Elektronen­quelle begann vor Jahren, gefolgt von umfang­reichen Tests“, sagt Wim Leemans, Direktor der Beschleuniger­abteilung bei DESY. „Wir befinden uns jetzt in der Inbetrieb­nahmephase und sehen bereits eine hervor­ragende Leistung.“ Die neue Elektronen­quelle wird die Anzahl der Elektronen­pakete und damit die Anzahl der erzeugten Licht­blitze um dreißig Prozent auf bis zu 36.000 Blitze pro Sekunde erhöhen.

Mehr zum European XFEL

Photo
Photo
Photo
Photo
Photo

Hunderte von Einzelaufgaben wurden während der langen Instal­lations- und Wartungs­phase plan­mäßig abge­schlossen, darunter der Austausch von Pumpen, Filtern und Steuer­einheiten im Kühl­system des Beschleu­nigers sowie die Erneu­erung der Helium­ventile, die das Abschalten des Beschleu­nigers über­haupt erst not­wendig gemacht hatten. „Die termin­gerechte Fertig­stellung all dieser Arbeiten zeugt von einer sorg­fältigen Planung und der weiter­hin ausge­zeich­neten Partner­schaft zwi­schen Euro­pean XFEL und DESY“, sagt Lee­mans.

Im vergangenen halben Jahr führten die Teams Wartungs­arbeiten durch und instal­lierten mehrere Upgrades für die Ausrüs­tung in den fast sechs Kilo­meter langen unter­irdi­schen Tunneln. Zu diesen Auf­gaben gehörte der Aus­tausch von Kompo­nenten wie Kabeln und Spiegeln. Letz­tere waren durch die ständige Belas­tung durch inten­sive Röntgen­blitze ver­schlis­sen. Die Ersatz­spiegel wurden mit einer anderen Beschich­tung ver­sehen, um noch stär­keren Photonen­pulsen standzu­halten. Außer­dem wurden die Strahl­führungen erheb­lich erweitert. „Wir haben viele neue Funk­tionen hinzuge­fügt“, sagt Thomas Tschen­tscher, einer der wissen­schaft­lichen Direk­toren bei Euro­pean XFEL. „Zum Bei­spiel haben wir zusätzliche Geräte installiert, mit denen wir Atto­sekunden-Impulse erzeugen können.“ Mit Lichtimpulsen dieser Kürze können Forschende beispiels­weise die Bildung chemi­scher Bindungen bei chemischen Reaktionen beobachten. Eine weitere Verbes­serung, die Tschen­tscher erwähnt, ist die Installation einer Photonen-Schikane. „Mit dieser neuen Röntgen­verzögerungs­linie können wir zwei Licht­impulse relativ zueinander ver­schie­ben und so den Abstand zwischen ihnen ein­stel­len“, erklärt er.

Die Undulatoren, die die Elektronen dazu zwingen, die für wissen­schaft­liche Experi­mente gewünschten Röntgen­strahlen zu emit­tieren, standen während der Wartungs­phase im Mittel­punkt. Eine geplante Moderni­sierung umfasst die Instal­lation supra­leitender Undulatoren, die beispiellose Röntgen­impulse ermög­lichen werden: ultra­intensiv, kurz und mit Wellen­längen unter einem Angström. Dadurch wird es möglich sein, Materie tiefer und in noch kleineren Maß­stäben zu erforschen. „Wir haben diese Zeit genutzt, um uns auf alle zu erwartenden zukünf­tigen Verän­derungen vorzube­reiten“, sagt Sara Casal­buoni, die die Undulator-Gruppe bei Euro­pean XFEL leitet. Auf­gaben, die während der kurzen regelmäßigen Wartungs­perioden im Sommer und Winter zu lange gedauert hätten, wurden in den letzten Monaten ausge­führt. „Wir haben die meisten Kompo­nenten der Elektronen­strahl­führung sowie die gesamte Infrastruktur wie Strom- und Wasser­versorgung für die supra­leitenden Undula­toren in einem der Tunnel instal­liert, die die Elek­tronen- und Photonen­strahlen trans­portieren“, sagt Casal­buoni, „und wir sind nun bereit, 2027 die ersten neuen Undula­toren zu instal­lieren.

Feurer geht davon aus, dass der European XFEL im April 2026 wie geplant wieder wissen­schaft­liche Nutzer aus aller Welt in Schene­feld begrüßen kann: „Das Auf­wärmen des Beschleu­nigers hat reibungs­los funk­tioniert, und ich bin sicher, dass der Kühl­prozess, der über mehrere Wochen hinweg äußerst sorgfältig durchge­führt wird, ebenso reibungs­los verlaufen wird“, sagt Feurer. Während des Abkühlungs­prozesses wird der Beschleu­niger um mehr als einen Meter an Länge verlie­ren. Er wird wohl für viele Jahre nicht wieder aufge­wärmt werden. [EuXFEL / dre]

Anbieter

European X-Ray Free-Electron Laser Facility GmbH

Holzkoppel 4
22869 Schenefeld
Deutschland

Kontakt zum Anbieter







Anbieter des Monats

SmarAct GmbH

SmarAct GmbH

Mit der Entwicklung und Produktion von marktführenden Lösungen im Bereich hochpräziser Positioniertechnik, Automatisierungslösungen und Metrologie begleitet die SmarAct Group ihre Kunden zuverlässig bei der Realisierung ihrer Ziele.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Photo
22.09.2025 • NachrichtPanorama

Phasenübergänge in Pastasaucen

Der Ig Nobel-Preis in der Kategorie Physik geht an ein Forschungsteam aus Italien, Spanien, Deutschland und Österreich für die Anleitung zu perfekter „Cacio e Pepe“-Pasta.

Themen