15.05.2009

ESA-Physiker: Der Weltraum wird sich uns komplett anders darstellen

dpa-Interview mit Thomas Passvogel zur Bedeutung von «Herschel» und «Planck»



Kourou (dpa) - Die Europäische Raumfahrtorganisation ESA hat am 14. Mai 2009 zwei ihrer bislang teuersten und aufwendigsten Missionen zur Erforschung des Universums gestartet. Federführend verantwortlich für die Projekte ist bei der ESA der aus Hamburg stammende Physiker Thomas Passvogel (53). Die Deutsche Presse-Agentur dpa sprach mit dem Vater von vier Söhnen kurz nach dem Start über die Bedeutung der Missionen und die hohen Kosten.

Herr Passvogel, Sie haben sich in den vergangenen acht Jahren ausschließlich mit den beiden Missionen «Herschel» und «Planck» beschäftigt. Heute stand der Start an. Haben sie in den letzten Nächten gut geschlafen?

Passvogel: «Ja, ich habe wirklich gut geschlafen. Ein bisschen kurz heute, weil wir bereits um 2.00 Uhr in der Nacht im Kontrollzentrum waren. Aber der Erfolg wiegt das auf.»

Wenn Sie in Deutschland jemand fragt, warum Europa 1,8 Milliarden Euro für die beiden Missionen ausgibt - was antworten Sie ihm?

Passvogel: «"Herschel" und "Planck" machen fantastische Wissenschaft. Die ist wirklich relevant. Ja, es ist eine Menge Geld. Aber wenn man das vergleicht, mit der Arbeit, die darin steckt, relativiert sich das. Umgerechnet sind das allein 200 Arbeitsplätze, die über zehn Jahre an einem solchen Satelliten bauen.»

Was erwarten Sie von den Daten, die «Herschel» und «Planck» senden sollen?

Passvogel: «Ich glaube, die Überraschung wird darin liegen, dass wir etwas sehen werden, was wir nicht erwartet haben. Weil wir wirklich in einem Bereich untersuchen, der nahezu unerforscht ist. Der Weltraum wird sich uns komplett anders darstellen.»

Die Satelliten sind nun auf dem Weg zu einer Umlaufbahn in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. Ist die Arbeit für Sie beendet?

Passvogel: «Das Projekt geht von ESA-Seite noch bis Mitte Sommer weiter. Das heißt, wir sind jetzt in der nächsten Phase dabei, beide Satelliten im Orbit einzustellen und zu überprüfen - damit sie so arbeiten, wie sie das sollen. Irgendwann im Sommer übergeben wir dann beide Satelliten an die Wissenschaftler, und die können dann damit machen, was sie wollen. Wie es für mich dann weitergeht, weiß ich noch nicht. Irgendetwas Neues wird da sein. Es gibt so viele interessante Themen in der Raumfahrt.»

Unter den Verantwortlichen für das ESA-Projekt findet sich keine Frau. Ist die Raumfahrt immer noch eine Männerdomäne?

Passvogel: «Ja, aber es kommen sehr viele Frauen, und es kommen immer mehr. Das ist kein Männerberuf im eigentlichen Sinne. Die jetzige Situation kommt noch aus einer Zeit, wo gerade in den technischen Berufen wenige Frauen studiert haben. Die meisten, die bei uns arbeiten, haben sich an der Universität mit Fächern wie Physik, Maschinenbau oder Astronomie beschäftigt.»

Interview: Ansgar Haase, dpa


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