30.11.2006

EU fordert schärferen Klimaschutz

Die EU-Kommission forderte Deutschland und neun weitere Mitgliedsstaaten auf, der energieintensiven Industrie weniger Ausstoß an schädlichen Treibhausgasen als geplant zu erlauben.

Brüssel/Berlin (dpa) - Die von der EU-Kommission verlangte weitere Verschärfung der Klimaschutzauflagen für die deutsche Industrie hat zu einer schweren Verstimmung auf Seiten der Bundesregierung geführt. Die Kommission forderte Deutschland und neun weitere Mitgliedsstaaten am Mittwoch auf, der energieintensiven Industrie weniger Ausstoß an schädlichen Treibhausgasen als geplant zu erlauben. Damit löste sie einen Kompetenzstreit aus. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) beschuldigte die Kommission der Ungleichbehandlung und erklärte, jetzt müsse in Brüssel neu verhandelt werden. «Der Emissionshandel ist in eine Krise geraten», sagte er. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) fügte hinzu: «Die Forderungen der EU-Kommission treiben die Strompreise in Deutschland unnötig nach oben.» Die Stromversorger deuteten Zurückhaltung bei geplanten Erneuerungsinvestitionen an.

«Mit dieser Entscheidung greift die Kommission darüber hinaus in Kompetenzen der Mitgliedsstaaten ein, die für die Erfüllung der Verpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll (des internationalen Klimaschutzes) verantwortlich sind», erklärte Glos. Mit ungezügeltem Anziehen der Kostenschrauben bremse sie für die Energiewirtschaft den Anreiz, in die Modernisierung abgasärmerer Anlagen zu investieren. Gabriel: «Der Emissionshandel darf nicht zu einem Investitionskiller werden.» Der SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhard Schultz erklärte, die Bundesregierung habe jetzt nur folgende Möglichkeiten: «Entweder sie verhandelt dieses für die deutsche Wirtschaft katastrophale Ergebnis weg oder sie steigt aus dem Emissionshandel aus.» Dann werde auch die Mehrzahl der EU-Mitglieder aus dem Handelssystem mit aussteigen, das im Frühjahr 2005 gestartet worden war.

Die kürzlich veranlasste Nachbesserung des Mitte 2006 beschlossenen Nationalen Allokationsplans für die zweite Handelsrunde der Jahre 2008 bis 2012 reiche völlig aus, um das erreichte Kyoto- Ziel von 21 Prozent CO2-Abbau bis dahin zu erreichen, sagte Gabriel. Er hatte erst kürzlich unter dem Druck der EU-Kommission und auf der Basis aktualisierter Daten für die Jahre 2003 und 2004 den zunächst nach Brüssel gemeldeten zulässigen deutschen CO2-Jahresausstoß von 482 Millionen Tonnen um 17 Millionen auf 465 Millionen Tonnen gesenkt. Die weitere Verringerung seitens der Kommission um 12 Millionen auf 453,1 Millionen Tonnen schieße klar übers Ziel hinaus und sei für Umwelt und Wirtschaft kontraproduktiv. Es sei nicht Brüsseler Sache, wie Deutschland das 21-Prozent-Ziel erreiche.

Auch die Pläne der neun anderen Mitgliedsländer genehmigte die Brüsseler Behörde nur mit Auflagen. «Wir waren bei der Entscheidung streng, aber fair», sagte Umweltkommissar Stavros Dimas am Mittwoch in Brüssel. Dies bestritt Gabriel unter Hinweis auf Frankreich, das mit Erfolg interveniert habe und sich damit keine Brüsseler Ablehnung eingehandelt habe. Er fordere «Transparenz und Gleichbehandlung», denn hier sei nicht einzusehen, weshalb die Kommission sich mit einer schlechteren Datenbasis als in Deutschland vorhanden durchsetzen wolle, so der Umweltminister.

Umweltkommissar Dimas erklärte, für alle Mitgliedstaaten seien Obergrenzen festgesetzt worden, die sieben Prozent unter dem Emissionsniveau von 2005 lägen. «Mit der heutigen Entscheidung signalisiert Europa sein Bekenntnis zu den Kyoto-Zielen.» Die EU-Kommission erhob auch Einwände gegen die deutsche Regelung, dass neue und emissionsärmere Kraftwerke für 14 Jahre keine CO2-Minderung vornehmen müssen. Brüssel sieht darin eine mögliche Staatshilfe.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) und der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) wandten sich insbesondere auch gegen diese Regelung und forderten «Verlässlichkeit». Es könne nicht sein, dass die deutsche Energiewirtschaft «zum Ausputzer für andere Länder wird und die Auflagen für den Industriestandort Deutschland immer höher geschraubt werden», erklärte VDEW-Manager Eberhard Meller. VKU-Geschäftsführer Michael Wübbels warnte: «Der Zertifikatepreis wird spürbar ansteigen und damit auch der Strompreis. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer bezeichneten die Brüsseler Entscheidung als «schallende Ohrfeige» für Gabriel. Er stehe beim Klimaschutz sehr auf der Bremse.

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