EU-Graphen-Flagschiff legt auch in Dresden an
Zwei Publikationen aus der Elbstadt zeigen, wie sich reines, defektfreies Graphen herstellen lässt und, wie man die thermischen Eigenschaften des Materials „tunen“ kann.
Kohlenstoff steht im Mittelpunkt der modernen Nanotechnologie und gilt als vielversprechender Baustein der Elektronikindustrie der Zukunft. Denn allein durch eine unterschiedliche Anordnung der Kohlenstoffatome entstehen Materialien mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Graphen ist eines dieser Materialien. Es besteht aus Kohlenstoffatomen, die in einer extrem dünnen hexagonalen Schicht angeordnet sind. Um das enorme Potenzial dieses neuen Materials auszuschöpfen, hat die EU erst kürzlich beschlossen, im Rahmen der Europäischen Flaggschiff-Initiative, an der auch die TU Dresden an zwei Projekten beteiligt ist, die Forschung und Entwicklung im Rahmen des „Graphen-Flaggschiffs“ in den nächsten zehn Jahren mit einer Milliarde Euro zu fördern.
Zwei aktuell erschienene Publikationen der TU Dresden befassen sich mit dem erstaunlichen Stoff. Um ihn in der Massenfertigung verwenden zu können, müssen noch signifikante Hürden in der effizienten Herstellung von qualitativ hochwertigen Graphenstrukturen überwunden werden. Wissenschaftler der TU Dresden, des Instituts für Festkörper und Werkstoffforschung Dresden (IFW) und der Universität Delft (Niederlande) zeigen in ihrem Artikel, wie sich amorpher Kohlenstoff, also ungeordnete Kohlenstoff-Atome, zu einem höchst geordneten hexagonalen Bienenwaben-Gitter reorganisieren und auf diese Weise reines, defektfreies Graphen bilden lässt. „Es ist erstaunlich zu beobachten, wie sich ungeordnete Atome fast von selbst zu kristallinen Graphen-Schichten anordnen“, meint Mark H. Rümmeli von der TU Dresden. „Der von unserem Team entwickelte Prozess geht über das eigentliche Herstellungsverfahren sogar noch einen Schritt hinaus: Unerwünschte Defekte können vom Material selbst geheilt werden, was es höchst zuverlässig für verschiedenste Anwendungen in der modernen Elektronik macht“, setzt Rümmeli fort.
Der zweite Artikel an dem ebenfalls Wissenschaftler der TU Dresden beteiligt sind, befasst sich mit den thermischen Eigenschaften von Graphen. Eine der Besonderheiten dieses Materials ist die höchste je beobachtete Wärmeleitfähigkeit – allerdings macht dies Graphen zu einem schlechten Kandidaten für Thermoelektrika, in denen Temperaturgradienten in elektrischen Strom umgewandelt werden und umgekehrt. Aber die Möglichkeit, Graphen-Streifen einfach und maßgeschneidert zu entwerfen, führt schließlich zu extrem effizienten Komponenten für thermoelektrische Anwendungen. Die von den Wissenschaftlern vorgestellte Methode des „Graphen-Tailorings“ basiert auf einem Bottom-up-Ansatz: Hierbei werden „Bausteinmoleküle“, bestehend aus unterschiedlichen Kohlenstoffisotopen, zu maßgeschneiderten Graphen-Streifen synthetisiert. In ihren Simulationen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Wärmeleitfähigkeit um bis zu 98,8 Prozent reduziert werden kann, ohne die hervorragenden elektrischen Leitungseigenschaften zu beinträchtigen – eine Grundvoraussetzung für effiziente Thermoelektrika. Als Ergebnis erreichten die Forscher schließlich thermoelektrische Gütezahlen, die die Zielvorgaben für technische Anwendungen erfüllen.
„Kaum jemand hat erwartet, dass Graphen in einer solch einfachen Art und Weise synthetisiert und auch als solch effizienter thermoelektrischer Wandler eingesetzt werden kann. In beiden Veröffentlichungen haben wir neue Wege in der Graphen-Forschung aufgezeigt, die das Material einen Schritt weiter in Richtung Anwendung und Marktfähigkeit bringen“, sagt Gianaurelio Cuniberti, Inhaber der Professur für Materialwissenschaften und Nanotechnik an der TU Dresden, in dessen Arbeitsgruppe wesentliche Teile beider Projekte entstanden sind.
TU Dresden / PH