Europa bleibt Herrin der Ringe und Quantenoptik erhellt fortan die starke Kraft
Jahresrückblick Teilchen-, Kern- und Beschleunigerphysik 2020.
Den an dieser Stelle üblicherweise zurückgewandten Blick werfen wir in diesem Dezember zunächst einmal in die Zukunft: Wie diese für die europäische Teilchenphysik aussehen soll, präsentierte nämlich Mitte des Jahres die vom CERN Council in 2018 eingesetzte European Strategy Group – nach einer Vielzahl von Diskussionen und Beratungen innerhalb der wissenschaftlichen Community, unter anderem auch im letzten Januar in Bad Honnef.
Zur Higgs-Fabrik und weiter
Die langfristige europäische Strategie der Teilchenphysik (European Strategy for Particle Physics oder ESPP) verfolgt demnach beschleunigertechnisch zwei Ansätze. Während ein Upgrade des Large Hadron Colliders (LHC) zum High-Luminosity LHC (HL-LHC) das volle Potential der vor rund zehn Jahren in Betrieb gegangenen „Weltmaschine“ ausschöpfen wird, sollen zeitgleich neue Beschleunigerkonzepte für die Post-LHC-Ära erarbeitet werden. Mittelfristig soll der HL-LHC ab 2027 jährlich mindestens 15 Millionen Higgs-Bosonen für die Experimente der Teilchenphysiker produzieren, das Fünffache der im Jahr 2017 erzielten Menge.
Zeitgleich soll die Suche nach neuen Hochtemperatursupraleitern eine neue Generation supraleitender Magnetspulen ermöglichen, und für die Weiterentwicklung innovativer Beschleunigungskonzepte, wie der Plasma-Wakefield-Beschleunigung oder den Energy Recovery Linacs, soll eine Roadmap erstellt werden. Dabei kann unter anderem auf den in diesem Jahr an DESYs Plasmabeschleuniger LUX erzielten Weltrekord im Dauersurfen der Elektronen oder die an CBETA neu erarbeiteten Möglichkeiten zur nachhaltigen Teilchenbeschleunigung sowie auf neue Ansätze für Beschleuniger mit Energierecycling an DESYs CFEL zurückgegriffen werden.
Am Horizont scheint ein Hadron-Collider mit einer Schwerpunktsenergie von mindestens 100 TeV auf, der Mitte dieses Jahrhunderts für Experimente zur Verfügung stehen könnte und wie seine Vorgänger ringförmig konzipiert ist. Auch mit diesem Future Circular Collider (FCC) bleibt Europa in der Teilchenphysik also Herrin der Ringe und setzt bei linearen Beschleunigerkonzepten wie dem International Linear Collider (ILC) auf eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit Japan.
Das Universum im Labor rückt näher
Auch die nächsten entscheidenden Weichen für den großen FAIR-Ringbeschleuniger SIS100 wurden in 2020 gestellt: Das internationale Beschleunigerzentrum für die Forschung mit Antiprotonen und Ionen „FAIR – Facility for Antiproton and Ion Research“ am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt bereitet den Zusammenbau seines Herzstücks, dem supraleitenden Ringbeschleuniger SIS100, vor. Dieser wird in Kombination mit den bereits bestehenden Beschleunigerstrecken der GSI nach Inbetriebnahme der kompletten Anlage voraussichtlich ab 2025 Ionen aller natürlichen Elemente des Periodensystems bis auf 99% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und Experimenten zur Erzeugung und Erforschung kosmische Materie im Labor zur Verfügung stellen. Damit rückt unter anderem ein besseres Verständnis für die Prozesse, die der Entwicklung des Universums zugrunde liegen, in greifbare Nähe.
Ergebnisse trotz Shutdowns
Mit diesen schönen Perspektiven im Kopf werfen wir dann doch den Blick zurück auf ein durchwachsenes Jahr, für das wohl nur das CERN einen längeren Shutdown im Vorfeld eingeplant hatte.
Durch stetige Verbesserungen an LHC, Detektoren und Analysetechnik ließ sich die Präzision der Messungen soweit erhöhen, dass sowohl die Atlas- als auch die CMS-Gruppe den seltenen Zerfall des Higgs-Bosons in zwei Myonen detektieren konnten. Durch Messung der Zerfallsrate des Higgs-Bosons in verschiedene Teilchen kann auf die Stärke ihrer Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld geschlossen werden: Je höher die Zerfallsrate in ein bestimmtes Teilchen, desto stärker die Wechselwirkung mit dem entsprechenden Feld. Die äußerst leichten Myonen entstehen hierbei extrem selten, dieser Zerfallskanal war zuvor nicht nachweisbar. Die auf der virtuellen 40. Internationalen Konferenz für Hochenergiephysik ICHEP vorgestellten Ergebnisse berücksichtigen den vollständigen Datensatz aus dem zweiten Lauf des LHC und bestätigen die Vorhersagen des Standardmodells.
An den Grenzen gängiger Vorstellungen
Damit sich die Theorie auch am Experiment messen lassen kann, muss sie präzise Werte vorgeben. Insbesondere im Fall des Vorhersagewerts für das anomale magnetische Moment des Myons ist dies mit Schwierigkeiten verbunden, da sich dieser Wert aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt, von denen einige schwer abzuschätzen sind.
Dabei ist gerade in diesem Fall Präzision erwünscht, denn bisherige Messungen des anomalen magnetischen Moments des Myons lassen auf Diskrepanzen zwischen dem experimentell ermittelten Wert und seiner aktuellen theoretischen Vorhersage im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik schließen. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher theoretischer Ansätze und unter zu Hilfenahme experimenteller Ergebnisse haben sich 130 Physiker weltweit – unter anderem aus dem Mainzer Prisma+ Cluster sowie der GSI Darmstadt – auf einen solchen Vorhersagewert verständigt und geben für den das magnetische Moment des Myons bestimmenden Faktor aµSM den Wert 116 591 810(43) × 10-11 an. Ergebnisse einer neuen Messung am Fermilab sollen nun klären, ob der experimentell ermittelte Wert tatsächlich am Standardmodell rüttelt und das Myon die Tür zu einer neuen Physik öffnet.
Hilfreich bei diesen kniffligen Bemühungen kann die neu vermessene Lebensdauer neutraler Pionen durch die PrimEx-Kollaboration sein. Die leichtesten Mesonen halten sich 8,34 (± 0,13) × 10−17 Sekunden, bevor sie in zwei Gammaquanten zerfallen. Dies liegt zwar im Rahmen des Standardmodells, das Experiment liefert über diese Bestätigung hinaus jedoch auch Erkenntnisse zur genaueren Beurteilung des anomalen magnetischen Moments des Myons. Derselbe Prozess, mit dem die neutralen Pionen zur Bestimmung ihrer Lebensdauer erzeugt wurden – also die Streuung von Licht an Licht –, ist als virtueller Prozess beim anomalen magnetischen Dipolmoment von Myonen von Bedeutung. Experimentelle und theoretische Präzisionsuntersuchungen an neutralen Pionen erhöhen somit auch die Empfindlichkeit der oben beschriebenen fundamentalen Überprüfung des Standardmodells.
Auch wenn die Bestätigung einer gut ausformulierten Theorie eine gewisse Genugtuung hervorruft, spannender wird es, wenn ihre Grenzen hervorscheinen. Dies ist beim elektrischen Dipolmoment des Neutrons nEDM der Fall. Dieses könnte das Zünglein an der Waage zur Bestätigung einer Theorie zur Erklärung des Ungleichgewichts zwischen Materie und Antimaterie im Universum sein – vorausgesetzt, es wäre von Null verschieden und damit ein Zeichen für die Verletzung der CP-Invarianz, also der Annahme, dass sich die physikalischen Gesetze beim Austausch von Teilchen mit ihren Antiteilchen nicht ändern. Die Messung von nEDM ist nicht ganz einfach, muss doch das lokale Magnetfeld mit hohem Aufwand sehr konstant gehalten werden. Dies gelang Forschern am Paul-Scherer-Institut (PSI), die über zwei Jahre eine hinreichend große Anzahl von Neutronen vermessen haben, um festzustellen, dass das elektrische Dipolmoment des Neutrons erheblich kleiner als bislang angenommen ist. Mit dem aktuellen Wert von dn = (0,0 ± 1,1stat ± 0,2sys) × 10−26 e·cm ist es nun unwahrscheinlicher geworden, dass das Neutron hilft, den Materie-Überschuss im Universum zu erklären – auch wenn die Wissenschaftler das noch nicht ganz ausschließen wollen und für 2021 bereits noch genauere Messungen geplant haben.
Eine weitere Theorie aus diesem Bereich wartet noch auf Unterfütterung mit experimentellen Daten: Ein in den 1970er Jahren vorgeschlagenes leichtes schwach wechselwirkendes Teilchen soll aus der Klemme helfen, wenn es darum geht, die von der Quantenchromodynamik vorhergesagte, aber bisher nicht beobachtetet CP-Symmetriebrechung in Vorgängen mit starker Wechselwirkung zu erklären. Darüber hinaus könnte dieses Axion genannte Boson auch verantwortlich für die Existenz dunkler Materie im Universum sein. Axionen, deren theoretisch vorhergesagte Masse weit unter der von Neutrinos liegen würde, könnten über ihre im starken Magnetfeld mögliche Umwandlung in Photonen nachgewiesen werden. Einen solchen Axion-Photon-Umwandler hat das MADMAX- (MAgnetized Disk and Mirror Axion eXperiment-) Projekt erarbeitet. Bis ein Dipol-Magnet mit etwa zehn Tesla Feldstärke und 1,35 Meter großer Öffnung für Experimente zur Verfügung steht, soll der Aufbau im Morpurgo-Magnet am CERN getestet werden.
Alice und die attraktiven Hyperonen
Gegen Jahresende veröffentlichte die Alice-Kollaboration ihre neuesten Messergebnisse zur Bestimmung von Proton-Hyperon-Wechselwirkungen, die erstmals die schwersten, drei s-Quarks enthaltende Omega-Hyperonen einbezogen.
Die Korrelationen zwischen Protonen und den in einer Protonenkollision mit 13 TeV Schwerpunktsenergie erzeugten Hyperonen konnten mit bisher unerreichter Genauigkeit untersucht werden. Dabei stellte sich heraus, dass im Falle der Wechselwirkung zwischen Protonen und Xi-- bzw. Omega--Hyperonen die beobachtete Anziehungskraft der Teilchen allein durch die zwischen ihnen herrschenden attraktiven Coulombkräfte nicht erklärt werden kann, also von einer zusätzlich anziehenden Komponente der zwischen den Teilchen wirkenden starken Kraft auszugehen ist. Diese Erkenntnis liefert nicht nur Einblicke in die Eigenschaften der starken Wechselwirkung, sondern hat auch wichtige Konsequenzen für die Physik von Neutronensternen, deren innerer Struktur noch unbekannt ist und von Hyperon-Nukleon- oder Hyperon-Hyperon-Paaren bestimmt sein könnte.
Der mittlerweile auf den neuesten Stand der Technik gebrachte Alice-Detektor verspricht in Kombination mit den im Long Shutdown 2 vorgenommenen Verbesserungen am LHC noch präzisere Vermessungen solcher Hyperon-Nukleon-Korrelationen und ermöglicht darüber hinaus nun auch eine kontinuierliche Aufnahme der kompletten Kollisionsgeschehens. Die neuen Auslesekammern, eine GEMs (Gas Electron Multiplier) genannten CERN-Erfindung, werden zukünftig dafür sorgen, dass Alice bei der Untersuchung von Blei-Kollisionen nichts entgeht. Aus einer Datenflut von 3,4 Terabyte pro Sekunde wollen die Wissenschaftler letztendlich Rückschlüsse auf die Entwicklung des frühen Universums aus einem Quark-Gluon-Plasma ziehen.
Mehr als nur eine Verbesserung der Tabellenwerke
Theoretische Physiker der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben ihren Kollegen am Experiment noch eine weitere Vorlage geliefert: Das Neutron ist kleiner als bisher angenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen nur indirekte Bestimmungen des Neutronenladungsradius vor. Eine Kombination aus genauer Berechnung des Deuteron-Radius und hochpräzisen spektroskopischen Messungen der Deuteron-Protonen-Radiusdifferenz ergab nun einen Wert für den mittlerer quadratischer Ladungsradius, der mit −0,106 (+0,007;−0,005) fm2 etwa 1,7 Standardabweichungen von früheren Bestimmungen entfernt ist. Das Ergebnis eröffnet einen Weg zur genauen Bestimmung der Nukleonenformfaktoren aus elastischen Elektron-Deuteron-Streudaten, wie sie am Mainzer Mikrotron und anderen experimentellen Einrichtungen gemessen werden, und gestattet somit präzisere Hinweise auf die innere Struktur der Nukleonen.
Auch die Masse des Deuterons ist signifikant kleiner als ihr tabellierter Referenzwert. Hochpräzise Messungen der Schwingungsfrequenzen von D+- und 12C6+-Ionen in einer Penningfallen-Apparatur referenzieren die Masse des vermessenen Deuterons direkt gegen den atomaren Massenstandard 12C und weisen einen Wert von 2,013553212535(17) atomaren Einheiten aus. Über die ebenfalls bestimmte Masse des Wasserstoff-Molekülions HD+ und deren Berechnung aus den Einzelmassen und der Bindungsenergie wurde das Verfahren als extrem genau validiert.
Quantenoptik zur Untersuchung von Kernkräften
In den 1960er Jahren lieferten Aufnahmen von Teilchenspuren in mit flüssigem Helium gefüllten Blasenkammern erste Hinweise auf eine ungewöhnlich lange Lebensdauer von Pionen in dieser Umgebung. Das zur Erklärung dieser Besonderheit vorgeschlagene pionische Helium konnte von Physikern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching erstmals spektroskopisch nachgewiesen werden.
So eingebunden verlängert sich die Lebenszeit des Pions um den Faktor Tausend auf – der Laserspektroskopie zugängliche – 26 Nanosekunden, und das im Vergleich zum Elektron um das rund 260-fach schwerere Pion schafft vom elektronischen Helium abweichende Quantenzustände. Dieser langlebige Zustand und ein solcher Quantenzustand wurden in mit Pionen bestrahltem flüssigem Helium durch Anregung des Systems mit geeignetem Laserlicht aufgespürt. Im Zuge dieses Vorgangs fällt das Pion in den Kern, welcher unter Aussendung charakteristischer, zum Nachweis des exotischen Heliums detektierter Teilchen zerfällt. Mit diesem Erfolg eröffnet sich die Möglichkeit, Pionen mit Methoden der Quantenoptik zu untersuchen und Detailwissen über diese Austauschteilchen der starken Kraft zu erarbeiten.
Neue Erkenntnis und anspornendes Rätsel
Vom Baukasten leichter Atome zur Schmiede der schwersten Elemente: Die Spaltprozesse superschwerer Kerne untersuchte das FAIR-Experimentierprogramm am Beispiel von Mendelevium-244, einem bis dahin unbekanntem, aus 101 Protonen und 243 Neutronen bestehenden Kern. Für schwere Kerne mit einer solchen Kombination aus jeweils ungerader Protonen- und Neutronenzahl wird eine Behinderung von Spontanspaltprozessen vermutet, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Alpha- und Betazerfällen bedingt. Insbesondere Betazerfälle, die durch Umwandlung von einem Proton in ein Neutron zu Kernen mit jeweils gerader Protonen- und Neutronenzahl führen, erschweren die Beurteilung der beobachteten Zerfälle, da diese Tochterkerne zur Spontanspaltung neigen und die Zuordnung der Spaltprodukte zu den einzelnen Zerfallsprozessen nicht immer klar getroffen werden kann.
Im Fall von 244Md hilft nun die an Tasca gemachte Beobachtung, dass alle sieben im Experiment erzeugten Kerne über die Aussendung von Alphateilchen in Einsteinium-240 ihre Zerfallsreihen starteten. Für das neutronenärmste Md-Isotop wurde keine Kernumwandlung über einen Elektroneneinfang, eine in schweren Kernen mit hohem relativem Protonenüberschuss bevorzugt stattfindende Version des Betazerfalls, nachgewiesen. Über diese neue Erkenntnis hinaus geben acht im Experiment beobachtete kurzlebige Spaltereignisse unbekannten Ursprungs ein neues Rätsel auf, das zu Folgestudien mit doppelt ungeraden Kernen motiviert und einmal mehr aufzeigt, dass die Welt der superschweren Kerne noch so manche Überraschung bereit hält.
Von vollen Schalen und runden Kernen
Zum Abschluss noch einmal zurück zum CERN: Als Beispiel für ausgezeichnete Nachhaltigkeit beliefert dort seit über fünfzig Jahre der Isotopenseparator Isolde zuverlässig Experimente mit radioaktiven Ionenstrahlen. Davon profitieren seit 1980 das Collaps- (Collinear Laser Spectroscopy) Experiment, dem in diesem Jahr ein Überraschungscoup in Sachen Kerndeformationen gelang, und beinahe ebenso lang das Ionenfallen-Massenspektrometer Isoltrap, das auch in 2020 Präzisionsdaten zur Überprüfung von Modellansätzen für Kernstrukturrechnungen lieferte.
Collaps lieferte mit der Vermessung der Kerngestalt von magischen Zinn-Isotopen einen neuen Ansatzpunkt für ein tieferes Verständnis der Kernkräfte. Mit der magischen Kernladungszahl 50 verfügt das Element über eine vollbesetzte Protonen-Schale im quantenmechanischen Kernmodell und über zehn stabile und etliche instabile Isotope. Überraschenderweise ergab die Bestimmung des Quadrupolmoments Q der Zinn-Isotope als Maß für die Abweichung von der Kugelgestalt einen parabelförmigen Verlauf dieser Größe entlang der Isotopenkette. Vergleichbare Messungen an Isotopen des Cadmiums, das mit 48 Protonen keine abgeschlossene Schale aufweist, bestätigten vor einigen Jahren den theoretisch vorhergesagten linearen Verlauf von Q entlang der Isotopenkette. Die neuen beobachteten Regelmäßigkeiten geben Anlass für eine Weiterentwicklung der Theorie.
An Isoltrap konnte erstmals die Masse des exotischen Cadmiumisotops Cd-132 mit Hilfe eines Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometers bestimmt werden. Aus den Kernmassen lassen sich die Bindungsenergien berechnen, die wiederum ein Maß für die Kernstabilität sind. Cadmium fehlen zwei Protonen für den bei 50 erreichten Schalenabschluss. Mit 84 Neutronen verfügt das schwerste Cd-Isotop über zwei Neutronen mehr als für einen vollen Schalenabschluss erforderlich sind. Die Messung vervollständigte die Charakterisierungen zum Neutronenschalenabschluss und zeigte, dass dieser beim Cadmium deutlich schwächer ausfällt als bei dem mit 50 Protonen und 82 Neutronen doppelt magischen Zinn-132. Dieses Ergebnis bestätigt Modellvorstellungen, mit denen sich die beobachtete gegenseitigen Verstärkung der Stabilität durch abgeschlossen Protonen- und Neutronenschalen berechnen lassen.
Mit diesem Zugewinn an Wissen über die Eigenschaften von Elementarteilchen und Kernen und vielversprechenden experimentellen Ansätzen, wie ihnen weitere Geheimnisse entlockt werden können, starten wir gut ausgerüstet in das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
Lisa Kleinen
Hinweis: Der Rückblick wurde am 4.1.2021 um die Abschnitte „Das Universum im Labor rückt näher“ sowie „Neue Erkenntnis und anspornendes Rätsel“ ergänzt.
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