22.12.2005

Europas Argusaugen im All

Erster Galileo-Testsatellit gestartet.




- Erster Galileo-Testsatellit startet 

Paris (dpa) - Immer wieder stand die milliardenteure europäische Antwort an die USA auf der Kippe, drohte im Gerangel um Finanzen und Kompetenzen schon vor dem Start abzustürzen. Monatelang stritt Berlin noch im Herbst um die Beteiligung deutscher Unternehmen an Galileo, dem hochmodernen europäischen Satellitennavigationssystem nach dem Vorbild des amerikanischen GPS. Nach den Verhandlungen geht es jetzt an den Start. An diesem Mittwoch (28.12.) soll der erste von zwei Testsatelliten vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abheben. Galileo dürfte Europa einen Technologiesprung bescheren und als Konjunkturmotor dienen.

«Das ist ein wichtiger Meilenstein für Galileo.» Dominique Detain von der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Paris wartet ebenso gespannt wie angespannt auf den Start des nur 600 Kilogramm schweren Testsatelliten «Giove-A» auf einer Sojus-Fregat-Trägerrakete - «wir lassen die Theorie hinter uns und beginnen mit der Praxis, wobei die Erfahrung zeigt, dass dabei doch immer irgendwas passieren kann.»

Der kleine Satellit soll aus einer stabilen Umlaufbahn heraus zwar auch neue Technologien testen, darunter die präziseste jemals ins All geschickte Atomuhr. Vor allem geht es aber darum, Frequenzrechte zu sichern. Und dafür muss bis Juni 2006 ein Satellit in der Umlaufbahn sein. Ein zweiter Testsatellit «Giove-B» steht auch schon bereit. Bis 2008 folgt dann die erste Mini-Flotte mit vier Galileo-Satelliten.

Viel hängt an dem Prestigeobjekt der EU und der ESA, das kräftig von dem rasant wachsenden Weltmarkt für die Navigation von Schiffen, Autos und Flugzeugen profitieren soll. Sobald 30 Satelliten (davon drei als Reserve) stationiert und in Kontakt mit Stationen am Boden sind, kann die umfassende und auf zwei Jahrzehnte angelegte Nutzung beginnen. Ein Kontrollzentrum wird in Oberpfaffenhofen bei München, ein zweites in Fucino bei Rom gebaut. Doch noch sind nicht alle Verträge unter Dach und Fach. Galileo steckt in den Kinderschuhen.

Das im Gegensatz zu GPS rein zivile System verschlingt zwar 3,6 Milliarden Euro an Investitionen. Arbeitsmarktexperten sehen Galileo jedoch als Triebsatz für Beschäftigung - allein in Europa könnten mehr als 100 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach Schätzungen in der Branche dürfte der Markt der «Telematikdienstleistungen» bis zum Jahr 2020 weltweit auf etwa 200 Milliarden Euro jährlich anwachsen.

Voll operationsfähig soll Galileo 2010 sein und dann als modernster Ortungsdienst GPS nicht nur konkurrieren, sondern auch ergänzen. «Wir eröffnen damit ein neues Zeitalter der Navigation. Galileo stärkt die strategische, wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit Europas», erläutert die ESA. Die Satelliten sollen den Heimatplaneten aus einer Höhe von 23 600 Kilometern im Blick haben und Behörden, Unternehmen und Einzelpersonen mit präzisen Signalen für Zeit und Ort versorgen.

Praktisch jedermann dürfte mit einem kleinen und preisgünstigen Empfangsgerät seinen Standort auf wenige Meter genau bestimmen können. Ein Schiff kann geortet und gesteuert werden, Galileo in der Landwirtschaft, der Umweltpolitik oder von Suchdiensten eingesetzt werden. Als eines der wichtigsten europäischen Technologieprojekte verspricht Galileo, sofern alles klappt, eine noch mobilere Zukunft.

Fünf außereuropäische Staaten, darunter China, Indien und Israel, beteiligen sich bereits, mit anderen Ländern wird verhandelt. «Wir müssen unsere Interessen verteidigen», hatte die ESA von ihren 15 Mitgliedsländern verlangt. Käme nicht das Vielfache des Investierten zurück in die Kassen, dann hätten die Amerikaner wohl nicht anfangs so vehement versucht, Europa von seinem Ehrgeiz abzubringen. Nicht zuletzt kurbelt Galileo den maroden Markt der Satellitenstarts an.

Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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