Europas Erfolg steht in den Sternen
Vor 50 Jahren wurde das European Southern Observatory ESO gegründet.
Der 5. Oktober 1962 war ein besonderer Tag: In England erschien die erste Single der Beatles mit dem Song Love Me Do, und in London feierte Dr. No Premiere, der erste Film mit dem Agenten seiner Majestät James Bond. Für Astronomen gibt es jedoch einen gewichtigeren Grund, diesen Tag zu feiern: In Paris unterzeichneten an jenem Freitag Vertreter von Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Schweden den Vertrag zur Gründung des European Southern Observatory. Zur Feier dieses Geburtstags fand am 11. Oktober ein Galadinner im Kaisersaal der Münchner Residenz statt, zu dem auch zahlreiche Minister und Botschafter der Mitgliedsländer geladen waren. Auch der Nobelpreisträger für Physik von 2011, Brian Schmidt gab sich die Ehre. „Die ESO hat die ihr gestellte Herausforderung, die größten und leistungsfähigsten bodengebundenen Teleskope der Welt zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben, bravourös gemeistert“, freut sich Tim de Zeeuw, der Generaldirektor der ESO.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die europäischen Astronomen ins Hintertreffen geraten, große Teleskope standen ihnen nicht zur Verfügung. Eine Handvoll Enthusiasten diskutierte daher 1953 erstmals die Idee eines gemeinsamen europäischen Observatoriums. Vielversprechende Objekte am Südsternhimmel, wie das Zentrum der Milchstraße und die Magellanschen Wolken, ließen den Plan reifen, das europäische Observatorium auf der Südhalbkugel zu bauen. Fast zehn Jahre dauerte es noch bis zur Unterzeichnung des Gründungsvertrags. Nach ausgiebiger Suche war ein Standort in der trockenen Bergregion der chilenischen Atacama-Wüste gefunden. An diesem ersten Standort La Silla entstanden bis Ende der 1980er-Jahre ein Dutzend Teleskope, darunter das weltweit erste Teleskop mit aktiver Optik, das New Technology Telescope.
Zu den spektakulärsten Erfolgen mit diesen Teleskopen gehört die Arbeit von zwei Astronomenteams, die in den 1990er-Jahren durch die Beobachtung von Supernovae gezeigt haben, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt – dafür erhielt Brian P. Schmidt gemeinsam mit Saul Perlmutter und Adam G. Riess den Nobelpreis. Ebenso aufregend sind die ab 1999 unter Federführung des deutschen Astronomen Reinhard Genzel mit dem Very Large Telescope (VLT) fortgeführten Beobachtungen im Zentrum der Milchstraße. Diese zeigen, dass sich dort ein Schwarzes Loch mit etwa drei Millionen Sonnenmassen befinden muss.
Das VLT am Paranal, dem zweiten ESO-Standort in Chile, besteht aus vier 8-Meter-Teleskopen sowie kleineren Hilfsteleskopen. Seine adaptive Optik ermöglicht es, atmosphärische Störungen quasi instantan zu korrigieren. Zudem lassen sich die Einzelteleskope interferometrisch zu einem virtuellem 200-Meter-Teleskop zusammenschalten. (Bild: ESO)
Derzeit plant die ESO ein Teleskop, das sogar extremely large sein wird: Das European ELT (E-ELT) wird mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Metern das weltweit größte optische Teleskop sein. Damit könnte es möglich sein, sogar erdähnliche Planeten in „habitablen Zonen“ indirekt nachzuweisen. Als Standort hat die ESO bereits vor zwei Jahren den Cerro Armazones in Sichtweite des VLT ausgewählt. Die Finanzierung des rund eine Milliarde Euro teuren Teleskops ist noch nicht endgültig gesichert, aber auf einem guten Weg. „Im Dezember wissen wir mehr“, sagt Bruno Leibundgut, wissenschaftlicher Direktor der Südsternwarte.
Ein anderes Großprojekt nähert sich dagegen seiner Fertigstellung: das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), der aus insgesamt 66 Antennen bestehen wird. Gemeinsam mit den USA und Japan baut die ESO dieses weltgrößte und erste globale Observatorium, das den Südhimmel im Millimeterbereich oder darunter beobachten soll. Hier werden die frühen Stadien der Sternentstehung oder die ältesten Galaxien beobachtbar. ALMA soll im März 2013 offiziell eingeweiht werden, aber bereits jetzt sorgen die im vergangenen Jahr mit einem Teil der Antennen begonnenen Beobachtungen für Aufsehen.
ALMA sowie die weit fortgeschrittene Planung des E-ELT zeigen die herausragende Fähigkeit der Europäischen Südsternwarte, solche komplexen Projekte erfolgreich zu planen und umzusetzen. Brian Schmidt zeigte sich in München sogar überzeugt davon, dass die ESO „die Zukunft der Astronomie ist.“
Stefan Jorda