01.02.2018

Europas stärkstes Raketentriebwerk

Das Triebwerk Vulcain 2.1 soll mit der zukünftigen europäischen Trägerrakete Ariane 6 zum Einsatz kommen.

Höhere Effizienz bei gerin­geren Kosten - das ist die Aufgabe des neuen Raketen­triebwerks Vulcain 2.1, das im Jahr 2020 die neue euro­päische Träger­rakete Ariane 6 ins All befördern soll. Doch bevor solch ein Start erfolg­reich durchgeführt werden kann, müssen zunächst Entwicklungs­triebwerke unter Beweis stellen, dass es seiner enormen Schubkraft von 130 Tonnen, rund 3000 Grad Celsius in seiner Brenn­kammer, hohen Dreh­zahlen seiner Turbo­pumpen und Drücken in seinen Treibstoff­leitungen gewachsen ist. Im Januar stellten die Inge­nieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum­fahrt DLR das von der Ariane­Group entwickelte Triebwerk im Prüfstand P 5 in Lampolds­hausen erstmals erfolgreich auf die Probe. „Nur mit konti­nuierlichen Tests, bei denen wir uns Schritt für Schritt dem realen Einsatz im All nähern, kann das Triebwerk für die Haupt­stufe auf seine Funktions­fähigkeit hin unter­sucht werden“, erläutert Stefan Schlecht­riem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrt­antriebe. Insgesamt zwölf Versuche sind für die erste Test­kampagne beim DLR geplant.

Abb.: Aufnahme des Vulcain 2 Raketentriebwerks aus dem Innern des Prüfstands. (Bild: ArianeGroup / DLR)

Das Vorgänger­modell, das Hauptstufen­triebwerk Vulcain 2, ist mit der derzeitigen Träger­rakete Ariane 5 im Einsatz und hat bisher 70 erfolg­reiche Flüge in Folge absol­viert. Für die nächste kosten­günstigere und noch effi­zientere Generation wurde aus Vulcain 2 das neue Vulcain 2.1-Triebwerk - mit einem im 3D-Druck gefer­tigten Gasge­nerator, einer neu konstruierten, verein­fachten Düse und der Zündung der Brenn­kammer mit einem Boden­system. Vulcain 2.1 trägt entscheidend dazu bei, die Ariane 6 zukünftig in den ersten zehn Flugminuten auf eine Höhe von 150 Kilo­metern zu befördern. Der Test mit dem Hauptstufen­triebwerk Vulcain 2.1 dauerte elf Minuten, rund ein Drittel länger als das Triebwerk benötigt, um gemeinsam mit den beiden Boostern die Träger­rakete Ariane 6 in die Höhe zu befördern.

Die Entscheidung für die Ent­wicklung eines neuen Träger­systems fiel im Dezember 2014: Die Mitglieds­staaten der Euro­päischen Weltraum­organisation ESA beschlossen, die bestehende Generation der Ariane weiterzu­entwickeln, um sich der wachsenden Kon­kurrenz und den gestiegenen Ansprüchen auf dem Weltmarkt anzu­passen. Dabei sollte auf bereits bestehende Bausteine der Ariane 5 zurückge­griffen werden. Je nach Konfi­guration soll die Ariane 6 bis zu elf Tonnen Nutzlast in den Weltraum trans­portieren und dabei die Kosten für den Start im Vergleich zur Ariane 5 halbieren. Seit 2016 wird das neue wieder­zündbare Vinci-Triebwerk für die Oberstufe der Ariane 6 daher unter anderem in Lampolds­hausen getestet, nun sind die Testläufe für das neue Hauptstufen­triebwerk Vulcain 2.1 hinzu­gekommen.

Ziel der insgesamt sieben Monate dauernden Test­kampagne ist die genaue Kenntnis über alle rele­vanten Triebwerks­kenndaten, die das neue Hauptstufen­triebwerk der Ariane-6-Träger­rakete auszeichnen. „Nur wer diese Kenn­zahlen genau kennt, kann in das sensible Gefüge aus mechanischen und elek­tronischen Kompo­nenten eingreifen, und so das Triebwerk bis zu seiner tech­nischen Reife hin quali­fizieren“, betont Schlechtriem. Der erste Versuch orientierte sich dabei noch an dem bereits eta­blierten Vulcain-2-Triebwerk der derzei­tigen Ariane. So wurden in diesem Test beispiels­weise alle pyro­technischen Zünder beibe­halten, um das neue Triebwerk mit dem alten Triebwerk vergleichen zu können. Beim nächsten Versuchs­lauf wird die Zündung der Brenn­kammer mittels Propangas vom Prüfstand aus erfolgen. Zum Ende der Test­kampagne wird das Triebwerk dann in seiner end­gültigen Flugkon­figuration im DLR-Prüfstand erfolg­reich seine General­probe für den Flug ins All absol­vieren müssen.

„Bei den Tests geht es uns aber nicht nur darum, diese Techno­logien unter regulären Betriebs­bedingungen zu erproben. Wir müssen ihr Verhalten auch jenseits der im Flug üblichen Belastungen verstehen können. Das heißt zum Beispiel bei höheren Tempera­turen, bei höheren und niedrigeren Brennkammer­drücken und Treibstoff­mischungs­verhältnissen“, sagt Anja Frank, Leiterin der Abteilung Versuchs­anlagen beim DLR Lampolds­hausen. „So können wir am Entwicklungs­triebwerk testen, wo die Grenzen des Vulcain-2.1-Triebwerks liegen.“

Das Ergebnis der Tests ist dabei nicht nur der Nachweis der Funktions­tüchtigkeit, sondern vor allem eine große Menge Daten: Der Einsatz eines hoch­genauen Mess- und Analyse­systems ermög­licht es, exakte Ergeb­nisse zu liefern und erlaubt so dem Triebwerks­entwickler detail­lierte Rück­schlüsse auf technische Frage­stellungen. Für das finale Design des Hauptstufen­triebwerks ist die genaue Kenntnis der Drücke, der Tempera­turen in den Treibstoff­leitungen, der Drehzahlen der Turbo­pumpen, der Drücke im Gasge­nerator und in der Brenn­kammer sowie der entstehenden Vibra­tionen, denen das Triebwerk während eines Heißlaufs ausgesetzt ist, ausschlag­gebend.

DLR / JOL

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