14.12.2010

Exawatt Laserleistung und Sub-Attosekunden Pulse

Interview mit Gérard Mourou, Projektkoordinator der Extreme Light Infrastructure (ELI).

Interview mit Gérard Mourou, Projektkoordinator der Extreme Light Infrastructure (ELI).

Was für neue Physik könnte sich entwickeln, wenn wir alle momentanen Probleme in der Laserphysik vernachlässigten? Vor mehr als zehn Jahren begannen Gérard Mourou und Kollegen dieser Frage nachzugehen. Daraus ergab sich eine Vision neuer Laserphysik im ultra-hohen Intensitätsbereich. Mit einem europäischen Forschungsprojekt gewinnt die Idee jetzt an Fahrt. Optik & Photonik sprach mit Gérard Mourou über den jetzigen Stand dieser Initiative. Das Interview ist im Rahmen eines Schwerpunktes zu Hochleistungslasern in der Ausgabe 4/2010 des Optik & Photonik Journals auf Englisch erschienen und kann dort in voller Länge eingesehen werden.
 

Abb.: Gérard Mourou ist Initiator und Koordinator des ELI Projektes.

Professor Mourou, nach 28 Jahren an einigen von Amerikas Top-Universitäten kehrten Sie nach Frankreich zurück. Was war der Grund dafür?

Der Grund war ein ganz einfacher. Als ich 1978 zusammen mit meiner Frau Frankreich verließ, hatten wir schon einige Jahre in Amerika verbracht. Ich bekam ein großzügiges Angebot von der Universität Rochester und sagte meiner Frau, es würde nur für ein paar Jahre sein. Aber wie sie wissen wurden daraus 28 Jahre. Und dann erreichte ich ein Alter, in welchem man darüber nachdenkt, nach Hause zurückzukehren. Ich musste das Versprechen an meine Frau erfüllen, also kamen wir zurück.

Sie starteten eine Reihe von Forschungsprojekten in Ihrem Leben. Doch selbst in dieser eindrucksvollen Liste sticht ELI (die Extreme Light Infrastructure) heraus. Könnten Sie bitte kurz beschreiben, was ELI ist?

ELI soll der Laser mit der weltweit höchsten Intensität werden. Damit meine ich nicht, der Größte. Wenn Sie sich die National Ignition Facility (NIF) in Livermore oder den Laser Mégajoule in Bordeaux ansehen, dann wird klar, dass die Größe eine Funktion der Energie ist, nicht der Leistung. ELI ist der erste große Laser der mit Hinblick auf Spitzenleistung und Intensität gebaut wird.

Von Beginn an war geplant, die höchste Leistung zu erzeugen, die heute möglich ist, also Exawatt. Aber es geht nicht allein darum, die größte Spitzenleistung zu erreichen. Als Motivation für ein solches Projekt muss es wissenschaftliche oder gesellschaftliche Anwendungen geben. Einige Anreize liegen in der Möglichkeit, Lasereffekte, die wir in der Atomphysik anwenden, auf die Kernphysik oder Quantenphysik des Vakuums zu übertragen. Mit Hinblick auf wissenschaftliche Anwendungen wollen wir auch die Möglichkeit der Teilchenbeschleunigung zu sehr hohen Bewegungsenergien, oder die Produktion kohärenter Röntgen- oder Gammastrahlen erkunden. Direkten Nutzen für  die Gesellschaft könnte ELI durch neuen Methoden in der Krebsbekämpfung liefern, oder beim Verständnis der Alterungsprozesse von Materialien.

Sie erwähnten bereits die Vakuumphysik als Ziel der neuen Systeme. Welche weiteren Ideen im wissenschaftlichen Bereich stehen hinter ELI?

Natürlich ist Vakuumphysik der heilige Gral für die Hochenergieforschung. Aber auch die Idee, Kernphysik zu betreiben ist sehr aufregend. Bis jetzt wurden Laser hauptsächlich in der Atomphysik –  der eV-Physik – eingesetzt. Wenn wir zur Kernphysik übergehen, brauchen wir ultrakurze Gammapulse im Attosekunden-, Zeptosekunden- und sogar Yoctosekundenbereich. ELI bietet dafür den geeigneten Ansatz. Wenn wir uns die Entwicklung der Pulsdauer über die Zeit anschauen, stellen wir fest, dass immer dann ein Fortschritt kam, wenn die Spitzenleistung und die Intensität erhöht wurden. Es gibt also eine starke Korrelation zwischen Leistung und Pulsdauer. Wir nennen das die Leistungs-Pulsdauer-Vermutung. Techniken wie beispielsweise Q-switching, dye mode locking, Kerr lens mode locking, SESAME mode locking und Techniken zur Pulskompression sowie die Erzeugung von Nano-, Piko-, Femto- und Attosekundenpulsen waren eine Folge der Erhöhung der Spitzenleistung.

Somit sollte uns ELI als Laser mit der höchsten Intensität automatisch Zugang zu den kürzesten Pulsdauern von Attosekunden, Zeptosekunden oder sogar Yoktosekunden geben. Natürlich gehen mit kürzesten Pulse auch die kürzesten Wellenlängen einher, welche das Produkt von relativistischer und ultrarelativistischer Optik sind. Wenn wir in der Lage sind, extrem kurze Gammapulse zu erzeugen, können wir Kernphysik auf neue Art und Weise betreiben.

Die vielleicht wichtigste Anwendung wird die Teilchenbeschleunigung sein, die von Toshiki Tajima entwickelt wurde. Sie ist das Resultat der Laserwechselwirkung im Plasma. Im relativistischen Intensitätsbereich, der bei 1018 W/cm2 beginnt, ist dies ein normaler und effizienter Prozess. Aus meiner Sicht ist das optische Gleichrichtung.  Mit einem 100 TW Laser könnten wir Elektronen im GeV-Bereich erzeugen, die zudem monoenergetisch sind, mit dE/E < 1 %. Die Beschleuniger für 100 GeV könnten auf ein Fußballfeld passen und wären damit deutlich kleiner als die 3 km lange Vorrichtung des SLACs (ehemals Stanford Linear Accelerator Center), die 50 GeV erzeugt. Mit einem monoenergetischen Strahl dieser Energie ist es möglich, einen kompakten Freie-Elektronen-Laser zu bauen und 10 keV Röntgenstrahlen erzeugen.

Es ist eine spannende Sache an sich, Systeme zu immer höheren Leistungen zu bringen. Aber welche Unterschiede erwarten Sie bei solch hohen Intensitäten?

Mit der Erfindung der Chirped-Pulse-Amplification (CPA) 1990 sind wir in den Bereich der relativistischen Optik vorgedrunden. Damals zeigten wir dass wir Intensitäten von bis zu 1018 W/cm2 erreichen können. Bei so hohen Intensitäten verändert sich die Wechselwirkung von Licht mit Elektronen, weil wir den (v × B)-Term berücksichtigen müssen. v ist hierbei die Elektronengeschwindigkeit und B das magnetische Feld des Lichtes. Dadurch werden die optischen Gesetze grundlegend verändert. Doch ist der (v × B)-Term nicht nur nicht mehr vernachlässigbar wie in der klassischen Optik oder der nichtlinearen Optik mit gebundenen Elektronen. Vielmehr wird dieser Effekt sogar dominant. Das führt zur Beschleunigung der Elektronen, bis hin zu relativistischen Geschwindigkeiten.

Der relativistische Bereich für Licht mit 1 µm Wellenlänge startet bei 1018 W/cm2 und geht bis zu 1024 W/cm2. Ab diesem Punkt werden sogar Ionen relativistisch; wir nennen diesen Bereich ultrarelativistisch. Er ist dadurch charakterisiert, dass sich sowohl Elektronen, wie auch Ionen und Photonen relativistisch verhalten.

Gehen wir noch einen Schritt weiter zu 1029 W/cm2, so bekommen wir Paarerzeugung. Mit ELI zielen wir auf 1025 W/cm2 ab. Das scheint noch weit entfernt von 1029 W/cm2, was normalerweise als Schranke für die Erzeugung von Elektron-Positron-Paaren angenommen wird. Allerdings werden wir mit den Bedingungen beim ELI auch unterhalb dieser Schranke Paarerzeugung sehen können.

Können Sie mir mehr über die drei oder vier Forschungsziele verraten, auf die Sie sich momentan konzentrieren?

Ja, das Erste ist die Forschung zur Hochenergie-Teilchenbeschleunigung. Wie gesagt können wir Elektronen effizient durch Wake-Field-Acceleration beschleunigen. Damit wird es sicherlich möglich, viel kompaktere Systeme zur Elektronenbeschleunigung zu bauen, die in der Lage sind, Elektronen und Positronen bei 100 GeV zu erzeugen.

Desweiteren sollte es möglich sein, relativistische – GeV – Ionen zu produzieren, die in der Protonentherapie Anwendung finden. Natürlich brauchen wir dafür keine GeV Ionen, 500 MeV würden ausreichen. Aber zum tiefen Verständnis der Ionenbeschleunigung sollten wir diesen Prozess in in einem größeren Energieintervall untersuchen.

Dann haben wir noch die hochenergetische Strahlung. Wir werden versuchen, einen kompakten (Freie Elektronen Röntgen Laser) zu bauen. Anstatt eines kilometerlangen Beschleunigers für 10-15 GeV Elektronen wird es bei uns auf einen viel kleineren Aufbau hinauslaufen. Die Elektronenpakete müssen monochromatisch sein und eine starke Ladung im nC Bereich tragen. Mit einer Elektronenquelle aus Laserbeschleunigung und periodischen Magneten als Wiggler haben wir alle Zutaten für einen FEL, der kohärente Röntgenstrahlung erzeugt.

Das Nächste ist die "exotische" Physik. Dazu zähle ich die Kernphysik sowie das Testen nichtlinearer QED und QCD, zusätzlicher Dimensionen und der allgemeinen Relativitätstheorie. Dafür werden wir nicht nur das starke Feld, sondern auch die synchronisierten Elektronen, Ionen, Röntgen- und Gammapulse aus dem Laser selbst benutzen.

Mit Gérard Mourou sprach Andreas Thoß für Optik & Photonik.

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KK

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