23.03.2021

Exoplanet mit vulkanischer Hemisphäre

Komplexer Materialaustausch zwischen Oberfläche und dem Inneren einer Super-Erde.

Auf der Erde ist die Platten­tektonik nicht nur für die Entstehung von Bergen und Erdbeben verant­wortlich. Sie ist auch ein wesentlicher Bestandteil des Stoffkreis­laufs, der Material aus dem Inneren des Planeten an die Oberfläche und in die Atmosphäre bringt und zurück unter die Erdkruste verfrachtet. Die Tektonik hat also einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen, die die Erde letztlich bewohnbar machen. Bisher fanden Forscher keine Anzeichen auf globale tektonische Aktivität auf Planeten außerhalb unseres Sonnen­systems. Ein Forscher­team unter der Leitung von Tobias Meier vom Center for Space and Habi­tability (CSH) der Universität Bern und mit der Beteiligung der ETH Zürich, der Universität Oxford und des Nationalen Forschungs­schwerpunkt NFS PlanetS fand nun Hinweise auf die Fließmuster im Inneren eines Planeten, der 45 Lichtjahre von der Erde entfernt ist: LHS 3844b. 

Abb.: Diese Illus­tration stellt die mögliche innere Dynamik des...
Abb.: Diese Illus­tration stellt die mögliche innere Dynamik des Exo­planeten LHS 3844b, einer Super-Erde, dar. Die inneren Eigen­schaften des Planeten und die starke Einstrahlung seines Wirtssterns könnten zu einer hemi­sphärischen Tektonik führen. (Bild: T. Roger, U. Bern)

„Die Beobachtung von Anzeichen tektonischer Aktivität ist sehr schwierig, weil sie normalerweise unter einer Atmosphäre verborgen sind“, erklärt Meier. Jüngste Ergebnisse legen jedoch nahe, dass LHS 3844b wahr­scheinlich keine Atmosphäre besitzt. Etwas größer als die Erde und wahr­scheinlich ähnlich steinig, umkreist er seinen Stern so nahe, dass eine Seite des Planeten ständig im Tageslicht und die andere in perma­nenter Nacht ist – genauso wie der Mond der Erde immer die gleiche Seite zuwendet. Da es keine Atmosphäre gibt, die ihn vor der intensiven Strahlung schützt, wird die Oberfläche glühend heiß: Sie kann auf der Tagseite bis zu 800 Grad Celsius erreichen. Die Nachtseite hingegen ist eiskalt. Dort könnten die Temperaturen unter minus 250 Grad Celsius fallen. „Wir dachten, dass dieser starke Temperatur­kontrast den Material­fluss im Inneren des Planeten beein­flussen könnte“, erinnert sich Meier.

Um ihre Theorie zu testen, führte das Team eine Reihe von Computer­simulationen durch, bei denen sie die Festigkeit des Materials und die internen Wärmequellen, etwa die Kernwärme des Planeten und den Zerfall radio­aktiver Elemente, variierten. Die Simulationen trugen dem großen Temperatur­unterschied auf der Oberfläche, welcher durch den Wirtsstern verursacht wird, Rechnung. „In den meisten Simulationen trat nur auf einer Seite des Planeten eine Aufwärts­strömung auf und entsprechend auf der anderen Seite eine Abwärts­strömung. Das Material floss also von einer Hemisphäre zur anderen“, sagt Meier. „Basierend auf dem, was wir von der Erde gewohnt sind, würde man erwarten, dass das Material auf der heißen Tagseite leichter ist und deshalb Richtung Oberfläche fließt und umgekehrt“, erklärt Dan Bower von der Universität Bern.

Doch die Simu­lationen der Teams zeigten teilweise auch die umgekehrte Fließ­richtung. „Dieses zunächst kontra­intuitive Ergebnis kann mit der Veränderung des Grads der Zähflüssigkeit mit der Temperatur erklärt werden: Kaltes Material ist starrer und will sich daher nicht verbiegen, brechen oder ins Innere absinken. Wärmeres Material hingegen ist weniger starr – dadurch wird sogar festes Gestein durch Erhitzen mobiler – und kann leichter ins Innere des Planeten fließen“, führt Bower aus. Auf jeden Fall zeigen diese Ergebnisse, dass der Material­austausch der Oberfläche und dem Inneren eines Planeten ganz anders als auf der Erde stattfinden kann. 

Ein solcher Material­fluss könnte bizarre Folgen haben. „Auf welcher Seite des Planeten auch immer das Material nach oben fließt: man würde auf dieser Seite eine große Menge an Vulka­nismus erwarten“, so Bower. Er führt weiter aus, dass „ähnlich tiefe Auftriebs­strömungen die vulkanische Aktivität auf Hawaii und Island antreiben.“ Man könnte sich also eine Hemisphäre mit unzähligen Vulkanen vorstellen – eine vulkanische Hemisphäre – und eine mit fast gar keinen. „Unsere Simu­lationen zeigen, wie solche Muster sich mani­festieren könnten, aber es wären detailliertere Beobachtungen nötig, um sie zu verifizieren. Zum Beispiel durch den Nachweis von vulkanischen Gasen oder mit einer höher aufgelösten Karte der Oberflächen­temperatur, die auf verstärkte Ausgasung durch Vulkanismus hinweisen könnte. Wir hoffen, dass zukünftige Unter­suchungen uns helfen werden, dies zu verstehen“, so Meier.

U. Bern / JOL

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