12.07.2023

Exoplaneten-Atmosphäre im Visier

Untersuchungen an Trappist-1 c liefert wichtige Erkenntnisse zur Analyse von Exoplaneten-Atmosphären.

Eine vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) geleitete Forschungs­gruppe suchte mit dem James-Webb-Weltraum­teleskop nach einer Atmosphäre des Gesteins­planeten Trappist-1 c. Obwohl der Planet fast die gleiche Größe und Einstrahlung wie die Venus hat, erweist sich seine Atmosphäre als höchst verschieden. Aus der Analyse der vom Planeten abgestrahlten Wärme schließen die Forscher, dass er allenfalls eine dünne Atmosphäre mit minimalem Kohlendioxid­gehalt aufweist. Die Messungen stimmen jedoch auch mit blankem Gestein ohne eine nennenswerte Atmosphäre überein. Diese Studie trägt zum Verständnis bei, wie Gesteins­planeten bei massearmen Sternen den starken Sternwinden und intensiver UV-Strahlung standhalten können.

 

Abb.: Diese künstlerische Darstellung zeigt das Planeten­system Trappist-1...
Abb.: Diese künstlerische Darstellung zeigt das Planeten­system Trappist-1 mit einem sehr kühlen roten Zwerg­stern in seinem Zentrum. (Bild: NASA / JPL-Caltech / R. Hurt / IPAC)

„Das nahegelegene Planetensystem Trappist-1 ist derzeit der beste Kandidat, um die Atmosphären von erdähnlichen Gesteins­planeten zu untersuchen, die einen roten Zwergstern umkreisen“, sagt Sebastian Zieba, Student am MPIA in Heidelberg, Deutschland. Er ist der Erstautor des Forschungsartikels mit den Ergebnissen zu Trappist-1 c. Trappist-1 ist etwa vierzig Lichtjahre entfernt und beherbergt sieben erdgroße Gesteins­planeten, von denen sich bis zu drei in der lebensfreundlichen Zone befinden. Das bedeutet, dass die Strahlung des Zentralsterns genug Wärme erzeugt, um Wasser in flüssiger Form zu ermöglichen. Trappist-1 c, den das Team mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST) beobachtet hat, gehört allerdings nicht zu diesen Planeten. Stattdessen vermuteten Astronomen, dass es sich um einen Zwilling der Venus handelt.

Obwohl sie auf der Oberfläche vergleichsweise kühl sind, weisen viele dieser Sterne über einen längeren Zeitraum hinweg starke Sternwinde und intensive UV-Strahlung auf, die die Atmosphären ihrer Planeten beschädigen und abtragen können. „Wir wollten herausfinden, ob Trappist-1 c diesem Schicksal entgangen ist und eine substantielle Atmosphäre bewahrt haben könnte und vielleicht sogar dem Planeten Venus im Sonnen­system ähnlich ist“, erklärt Zieba. Zumindest sollte die Anziehungskraft an der Oberfläche, die zehn Prozent höher ist als die der Erde, zum Erhalt seiner Atmosphäre beitragen. Wie bei der Venus entsprechen Durchmesser und Masse von Trappist-1 c fast den Werten der Erde. Die Einstrahlung, die der Planet von seinem Zentralstern erfährt, ist fast identisch mit der der Venus.

Die Aufgabe, die Atmosphären von erdgroßen Gesteinsplaneten zu erforschen, ist jedoch selbst für das JWST eine Herausforderung. Daher kombinierte das Team seine Beobachtungen mit Modellberechnungen, um den wahrscheinlichsten Bereich der atmosphärischen Eigenschaften zu ermitteln, der mit den Daten vereinbar ist. Die Ausdehnung, der Druck und die Zusammensetzung einer Atmosphäre bestimmen die Temperatur eines Planeten in Abhängigkeit von dem Licht, das er von seinem Stern empfängt. Umgekehrt bestimmt die Temperatur, wie viel Infrarotlicht der Planet aussendet. Auf diese Weise geben Infrarotmessungen in Kombination mit Modell­rechnungen Aufschluss über die Atmosphäre und ihre Zusammensetzung.

„Wir können eine dicke und Venus-ähnliche Atmosphäre definitiv ausschließen“, sagt Laura Kreidberg, die leitende Wissenschaftlerin des JWST-Beobachtungsprogramms, Mitautorin und Direktorin am MPIA ist. Sie leitet die Abteilung für Atmosphären­physik von Exoplaneten (APEx). Entgegen den Erwartungen der Astronomen und Astronominnen erreichen die Temperaturen „nur“ 110 Grad Celsius (380 Kelvin) und sind damit bis zu 390 Grad niedriger als auf der Venus. Das Infrarotlicht, das TRAPPIST-1 c aussendet, passt daher nicht zu einer Venus­atmosphäre, die reich an Kohlen­dioxid ist und einen starken Treibhaus­effekt verursacht.

Tatsächlich sind die Daten unvereinbar mit jeder Art von dicker Atmosphäre, die reich an Kohlendioxid ist und einen Luftdruck aufweist, der mehr als zehnmal so hoch ist wie auf der Erde. Während die Ergebnisse zu Trappist-1 b vom Anfang des Jahres zeigen, dass er dem Merkur ähnlich ist und keine Atmosphäre besitzt, lehrt uns Trappist-1 c, dass dieses Planetensystem kein Abbild des Sonnensystems ist.

Besitzt Trappist-1 c zumindest eine dünne Gashülle? Um dieser Frage nachzugehen, berechneten die Wissenschaftler die statistische Wahrscheinlichkeit einer Reihe von atmosphärischen Kenngrößen, die mit den Beobachtungen übereinstimmen. Das Atmosphärenmodell umfasste eine Reihe von Oberflächen­drücken und Mischungen aus einer von Sauerstoff dominierten Atmosphäre mit unterschiedlichen Spuren von Kohlendioxid.

„Wir gehen davon aus, dass heiße Gesteinsplaneten, die massearme Sterne umkreisen, einen hohen Anteil an Sauerstoff und etwas Kohlendioxid aufweisen“, erklärt Zieba. Planeten wie Trappist-1 c sollten schon früh eine Atmosphäre besitzen, die Kohlendioxid und Wasserdampf enthält. Mit der Zeit spaltet die Sternstrahlung das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Während der leicht flüchtige Wasserstoff allmählich in den freien Raum entweicht, bleiben die schwereren Sauerstoffmoleküle zurück, was zu einer sauerstoff­reichen Atmosphäre mit Spuren von Kohlendioxid führt.

Wie sich für Trappist-1 c herausstellt, ist eine breite Palette von Sauerstoff-Kohlendioxid-Gemischen und einem Luftdruck zwischen einem und hundert Prozent des Werts auf Meeresspiegelhöhe auf der Erde möglich. Dieses Ergebnis gibt Anlass zur Hoffnung, dass Trappist-1 c und andere ausreichend schwere Gesteinsplaneten um kühle, massearme Sterne eine Atmosphäre über einen beträchtlichen Teil der Lebenszeit des Sterns aufrechterhalten können. Der Stern Trappist-1 ist mindestens so alt wie die Sonne.

Dennoch müssen diese Ergebnisse mit zusätzlichen Daten überprüft werden. „Die Beobachtung dünner Atmosphären von Gesteinsplaneten bringt JWST an seine Grenzen“, räumt Kreidberg ein. Die gemessenen Signale sind schwach, und viele Eigenschaften sind noch unbekannt, was die Bewertung der Messungen unsicher macht. Im Fall von Trappist-1 c sind die Atmosphären­modelle nicht die einzigen, die mit den Daten übereinstimmen. Stattdessen erklärt blankes Gestein mit einer verwitterten Oberfläche die Beobachtungen ebenso gut.

JWST ist zweifellos das leistungsstärkste Weltraum­observatorium aller Zeiten. Dennoch ist es schwierig, die Wärmesignatur eines mäßig warmen und kleinen Gesteinsplaneten mit Hinweisen auf eine umgebenden Atmosphäre zu erfassen. Trappist-1 c weist seinem Zentralstern immer dieselbe Seite zu, was zu zwei unterschiedlichen Halbkugeln mit konstantem Tag und ewiger Nacht führt. Seine Rotation ist an seine Bahn um den Stern gebunden. Daher dauern sowohl ein Tag als auch ein Jahr etwa 2,42 Erdtage. Darüber hinaus ist seine Umlaufbahn so ausgerichtet, dass er aus unserer Perspektive immer wieder vor seinem Stern vorbeizieht.

Nach einer weiteren halben Umdrehung verdeckt der Stern Trappist-1 den Planeten vollständig und verbirgt ihn für etwa eine halbe Stunde vor unseren Teleskopen. Doch kurz vor und nach der Bedeckung weist der Planet den Astronomen seine voll erleuchtete und heiße Tagesseite zu. Auf dieses Signal hatte es das Team abgesehen. Natürlich ist jeder Hinweis auf eine dünne Atmosphäre darin winzig.

Weitere JWST-Beobachtungen sind erforderlich, um zwischen einem bloßen Gesteins­planeten und einer dünnen Atmosphäre zu unterscheiden. So könnten Signaturen dabei helfen, die entstehen, wenn der Planet uns seine Nachtseite zuwendet. Dann prägt der schmale Atmosphären­kranz um den Planetenkörper dem durchscheinenden Sternlicht Signale auf, die Aufschluss über die Zusammensetzung geben können.

Eine andere Möglichkeit wäre eine ähnliche Beobachtung mit dem Extremely Large Telescope (ELT), ein 39-Meter-Teleskop in der chilenischen Atacama-Wüste, das noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb genommen werden soll. Sollte sich eine Atmosphäre um TRAPPIST-1 c bestätigen, wäre das ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Atmosphären den extremen Einfluss roter Zwergsterne doch überstehen können.

MPIA / DE

 

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