07.09.2023

Exotische Streuung von Photonen

Vor Jahrzehnten vorhergesagter Prozess bei Streuung an fluoreszierendem Atom experimentell nachgewiesen.

Im Jahr 1900 formulierte Max Planck die Hypothese, dass Licht mit Materie, wie zum Beispiel einem Atom, nicht beliebige Energie­mengen austauschen kann, sondern nur bestimmte diskrete Energie­pakete, die Quanten genannt werden. Fünf Jahre danach schlug Albert Einstein dann vor, dass es sich bei diesen Quanten nicht um eine bloße Rechen­größe handele, sondern dass das Licht selbst aus Quanten bestehe, die wir heute Photonen nennen. Heute gibt es Photo­dioden, die einzelne Photonen registrieren können. Bei kontinuierlicher Beleuchtung erzeugen diese kein durchgehendes elektrisches Signal, sondern eine Serie von kurzen Strom­pulsen. Jeder Strompuls zeigt dabei die Detektion eines einzelnen Photons an.

 

Abb.: Schema der genutzten optischen Falle (Bild: L. Masters et al. / Springer...
Abb.: Schema der genutzten optischen Falle (Bild: L. Masters et al. / Springer Nature)

Lässt man auf eine solche hoch­empfindliche Photodiode das Licht eines einzelnen Atoms fallen, das man mit einem Laserstrahl zur Fluoreszenz anregt, so wird man in diesem Fluoreszenz­licht niemals zwei Photonen gleichzeitig detektieren. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Licht eines einzelnen Atoms von dem Laserlicht, mit dem es angeregt wird. Denn im Laserlicht treten Photonen sehr wohl gleichzeitig auf. Treffen zwei Laserphotonen aber gleichzeitig auf ein einzelnes Atom, so wird das Atom nur eines davon absorbieren und lässt das gleichzeitig eintreffende zweite Photon passieren. Anschließend wird das Atom das absorbierte Laserphoton in eine beliebige Richtung abstrahlen und steht erst dann wieder bereit, um ein weiteres Laser­photon zu absorbieren.

Mit anderen Worten: Ein einzelnes Atom kann nur ein Photon nach dem anderen streuen und die Photonen im Fluoreszenzlicht eines einzelnen Atoms treffen wie an einer Perlenschnur aufgereiht auf den Detektor. Diese Eigenschaft macht man sich zum Beispiel in der Quanten­kommunikation zunutze, bei der man mit einzelnen Photonen, die von natürlichen oder künstlichen Atomen ausgesendet werden, abhörsicher kommuniziert.

Ein Forschungsteam der Humboldt-Universität konnte nun allerdings am Fluoreszenz­licht eines einzelnen Atoms einen sehr überraschenden Effekt nachweisen: Wenn sie aus dem Licht mit Hilfe eines Filters eine bestimmte Farb­komponente entfernten, verwandelte sich der Einzel­photonen-Strom in Paare aus Photonen, die gleichzeitig detektiert werden.

Indem man also aus einem Strom aus einzelnen Photonen die Richtigen entfernt, liegen die verbleibenden Photonen plötzlich als Paare vor. Mit der Wahrnehmung unserer Alltagswelt lässt sich dieser Effekt nicht in Einklang bringen – verbannt man alle grünen Autos von einer Straße, fahren die verbleibenden schließlich deshalb nicht plötzlich in Paaren nebeneinander her. Und auch die bisherige Gewissheit, dass ein einzelnes Atom nur ein Photon nach dem anderen streuen kann, scheint widerlegt. Denn durch den richtigen Farbfilter betrachtet ist das Atom sehr wohl in der Lage, zwei Photonen gleichzeitig zu streuen. Tatsächlich wurde dieser Effekt schon vor etwa vierzig Jahren in einer theoretischen Arbeit zur Lichtstreuung von Atomen von Jean Dalibard und Serge Reynaud an der ENS Paris vorhergesagt. Er konnte aber erst jetzt von dem Team um die Quantenphysiker Jürgen Volz und Arno Rauschen­beutel experimentell nachgewiesen werden.

„Hierbei handelt es sich um ein wunderbares Beispiel dafür, wie sehr unsere Intuition versagt, wenn wir versuchen, uns eine Vorstellung davon zu machen, wie Prozesse auf der mikroskopischen Ebene ablaufen“, sagt Jürgen Volz. „Es handelt sich dabei aber um weit mehr als nur eine Kuriosität“, fügt Arno Rauschenbeutel hinzu. „Die erzeugten Photonenpaare sind nämlich quanten­mechanisch verschränkt. Es gibt zwischen den zwei Photonen also die spukhafte Fernwirkung, an die Einstein nicht glauben wollte und dank derer man zum Beispiel Quanten­zustände teleportieren kann.“ „Dass ein einzelnes Atom sich hervorragend als Quelle für solche verschränkten Photonenpaare eignet,“ darin sind sich Volz und Rauschen­beutel einig, „hätte bis vor kurzem wohl kaum jemand geglaubt.“

Tatsächlich bietet sich der demonstrierte Effekt an, um Quellen verschränkter Photonenpaare zu realisieren, deren Helligkeit das theoretisch mögliche Maximum erreicht und damit existierende Quellen übertrifft. Hinzu kommt, dass die Photonen­paare von Natur aus zu den Atomen passen, von denen sie abgestrahlt wurden. Das ermöglicht eine direkte Schnittstelle zwischen den Photonen und Quanten­repeatern oder Quanten­gattern, die die gleichen Atome verwenden und für die Quanten­kommunikation über große Distanzen erforderlich sind.

HU Berlin / DE

 

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