12.08.2004

Exotische Teilchenchemie

Physiker aus Frankreich haben ein neues Modell entwickelt, durch das sich „exotische“ chemische Reaktionen, die mit Myonen stattfinden, besser verstehen lassen.




Physiker aus Frankreich haben ein neues Modell entwickelt, durch das sich „exotische“ chemische Reaktionen, die mit Myonen stattfinden, besser verstehen lassen.

Toulouse/Frankreich - In der Materie werden die Verbindungen zwischen Atomen durch Elektronen gesichert. Werden die Elektronen durch schwerere Elementarteilchen ersetzt, z. B. durch Myonen, kreiert man so genannte „exotische“ Atome, die so nah zueinander sind, dass sich ihre Kerne verbinden können. Diese Fusionsreaktion wird jedoch durch Transferreaktionen der Wasserstoffmyonen zu schwereren Atomen gestört. Das französische Labor für Kollisionen, Aggregate und Reaktivität des CNRS veröffentlichte am 20. Juli 2004 im renommierten Fachjournal Physical Review Letters ein theoretisches Modell für die „exotischen“ (fremdartigen) chemischen Reaktionen, die mit Myonen stattfinden. Dieses Modell ermöglicht ein besseres Verständnis der Transferreaktionen, die die Fusionsreaktion stören. Das ist ein wichtiger Fortschritt für das Verständnis und die Verbesserung der myonkatalysierten Kernfusion, die seit Langem als mögliche Energiequelle erforscht wird.

Myonen sind Elementarteilchen. Sie sind in der kosmischen Strahlung ziemlich häufig vertreten: z. B. werden wir durchschnittlich von 100 Myonen pro Sekunde durchdrungen. Myonen sind 200 Mal schwerer als Elektronen. Ersetzt man die Elektronen in Atomen durch Myonen, werden die Verbindungen zwischen Atomen 200 Mal kürzer (ein Milliardstel Millimeter, statt einem Zehnmillionstel Millimeter für eine normale Atomverbindung). Die so verbundenen Atome stehen sich nun so nah, dass sie fusionieren können.

Um künstlich Myonenstrahlen zu schaffen, beschleunigt man geladene Teilchen auf Treffplatten in Beschleunigern. Die Kollisionen erzeugen so zahlreiche Elementarteilchen, darunter Myonen. Die Myonen überleben 2 Millionstel einer Sekunde, bevor sie in ein Elektron oder ein Positron oder in Neutrinos zerfallen. Diese Lebensdauer reicht jedoch aus, um Myonen zu manipulieren und für die Herstellung von „exotischen“ Atomen und Molekülen zu benutzen. Bei solchen Experimenten beobachtet man nicht nur Reaktionen von Atomfusionen, sondern auch Übertragungen von Wasserstoffmyonen zu schwereren Atomen, wie Stickstoff, Sauerstoff oder Neon.

Diese „Parasit“ Reaktionen wurden vom Labor für Kollisionen, Aggregate und Reaktivität in Frankreich erforscht und modelliert. Nach einer neuen Parametrisierung der Teilchen ermöglicht das Modell zum ersten Mal das Verständnis der Ergebnisse, die seit 10 Jahren über die Kinetik der exotischen Partikel gesammelt wurden.

Diese Grundlagenforschung könnte auch Anwendungen in der Praxis bieten: Kernfusionen könnten beispielsweise mit Myonen katalysiert (beschleunigt) werden.

Quelle: Wissenschaft-Frankreich (60, 11.08.2004); Französische Botschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz; kostenloses Abonnement durch E-Mail : sciencetech@botschaft-frankreich.de

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